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Coburger Sozialkaufhaus zeigt krasse "Urlaubsfotos" - Mitarbeiter oft angeekelt


Autor: Jessica Becker

, Donnerstag, 22. August 2024

Beim Blick auf die Kameraaufnahmen entdeckt die Vorsitzende des Coburger Sozialkaufhauses im Urlaub kistenweise Waren. Die Herkunft ist unbekannt. Der Inhalt bringt nicht immer Grund zur Freude mit sich.


Nur an Wochenenden, zu Weihnachten und für kurze Zeit im Sommer hat das Coburger Sozialkaufhaus Hartz & Herzlich geschlossen. Dann gönnen sich die Mitarbeiter freie Tage oder befinden sich im Urlaub. Doch die Schließzeiten scheinen bei einigen Menschen auf Desinteresse zu stoßen. "Immer und immer wieder" werden kistenweise Waren vor das Gitter des Kaufhauses gestellt, erklärt die Vorsitzende des Vereins, Barbara Kammerscheid, im Gespräch mit inFranken.de. Darin befinden sich jedoch nicht immer Dinge, die im Geschäft verkauft werden können.

Das Ganze geschieht vor laufender Kamera. Seit drei bis vier Jahren hängen vor der vergitterten Ladenfront Überwachungskameras, die der Vorsitzenden sofort eine Meldung aufs Handy schicken, wenn sich vor Ort etwas bewegt. Kammerscheid kann dann auch per Knopfdruck mit den Menschen sprechen, um sie zu bitten, nichts abzustellen. Aber selbst das schreckt manche Zeitgenossen offenbar nicht ab, ihre Sachen zu hinterlassen. Besonders dreist: Einige der Ertappten winken einfach ab und gehen wieder. Vor wenigen Tagen reichte es Kammerscheid schließlich endgültig und sie präsentierte der Öffentlichkeit im Netz die jüngsten "Urlaubsfotos".

Vor laufender Kamera: Unbekannte stellen einfach Kisten vor Coburger Sozialkaufhaus

Unter dem entsprechenden Post auf der Facebook-Seite der sozialen Einrichtung häufen sich Kommentare der Fassungslosigkeit: "Das ist ja echt eine Riesensauerei", schreibt eine Nutzerin und ergänzt ihren Wortbeitrag mit einem wütenden Emoji. "Geht gar net sowas", meint ein anderer. "Das ist respektlos", kommentiert eine weitere Person. So sieht das auch Barbara Kammerscheid: "Das ist eine Missachtung unserer Arbeit", beklagt sie.

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Die Verantwortliche berichtet, dass während des Betriebsurlaubs tagtäglich Waren vor das Gitter gestellt worden seien - zum Teil sogar direkt unter die Schilder, die auf den Urlaub hinwiesen und darauf, dass keine Spenden in dieser Zeit angenommen werden. Eine ihrer Mitarbeiterinnen sei trotz Urlaubs jeden Tag von Dörfles nach Coburg gefahren, um die abgelegten Sachen reinzuholen - teilweise sogar mehrfach am Tag, berichtet Kammerscheid. Andernfalls hätte es womöglich Ärger mit anderen Mietern gegeben. 

Doch trotz der Überwachungsbilder sind dem Kaufhaus die Hände gebunden: "Wir können es nicht verhindern". Anzeige gegen Unbekannt sei bislang nicht gestellt worden. Der soziale Verein stecke in einer "Riesenzwickmühle", sagt Kammerscheid, aber "irgendwo sind die Grenzen". Wie der Verein wieder Herr der Lage wird, kann sie aktuell nicht sagen. Denn eigentlich freue man sich über jede Spende und sei auch kompromissbereit.

In Kisten "reingepinkelt": Kaufhaus-Mitarbeiter sortieren angeekelt abgestellte Ware 

Der Verein verfolgt den Zweck, Menschen zu unterstützen, die mit ihrem Einkommen nicht auskommen. Die Mitglieder sammeln hierfür gebrauchte Gegenstände des täglichen Lebens, wie Kleidung, Bettwäsche, Küchenutensilien, Bücher, CDs, Elektroartikel, Spielsachen und Kleinmöbel. Diese Gegenstände werden zu günstigsten Preisen angeboten und können von bedürftigen Menschen mit einem entsprechenden Nachweis erworben werden.

Fünf Tage die Woche können Menschen Sachspenden vorbeibringen, einmal im Monat auch samstags. Und doch stapelten sich regelmäßig die Kisten. Teilweise stünden blaue Müllsäcke vor der Tür. Beim Inhalt handele es sich jedoch nicht immer um Gebrauchsgüter, die weiterverkauft werden könnten. Kammerscheid berichtet von Kisten, in denen die Mitarbeiter in der Vergangenheit auch mal ungewaschene Unterwäsche gefunden hätten oder dass in abgestellte Kisten sogar "reingepinkelt" worden sei.

Teilweise ekelten sich Beschäftigte mittlerweile so sehr, dass häufig die Frage "Muss ich?" vor dem Ausräumen der abgestellten Sachen gestellt werde. "Unsere Kunden und Mitarbeiter haben das nicht verdient", betont Kammerscheid. "Wir machen das, um den Menschen zu helfen." Dafür habe sie den Verein gegründet - und nicht, um den Müll anderer zu sortieren. Auch Mitarbeiter des Sozialamts hätten sich bereits ein Bild von der Situation gemacht. Am Tag des Besuchs habe es erneut Ablagerungen gegeben, sodass die Mitarbeiter der Behörde alles hautnah und fassungslos miterlebten. 

"Großteil der Spender wirklich klasse": Vorsitzende trotz ärgerlichen Vorfällen hoffnungsvoll

Neben dem Ärger für Kammerscheid und ihre Kollegen kommen am Ende auch zusätzliche Kosten für die Entsorgung auf die gemeinnützige Einrichtung zu. "Wir haben keinen großen Verband hinter uns", erklärt die Vorsitzende des Vereins. Alles sei privat finanziert. Daher freue man sich über jede Spende, wie Kammerscheid festhält.

Ein "Großteil der Spender ist wirklich klasse", konstatiert sie. Manche kämen bereits seit 14 Jahren vorbei, um Sachspenden abzugeben. Trotz allen Ärgers zeigt sich die Vorsitzende hoffnungsvoll, was das weitere Engagement anbelangt: "Ich lebe diesen Verein!", erklärt die Verantwortliche des Coburger Sozialkaufhauses Hartz & Herzlich. 

Aus Coburgs Springbrunnen sprudelt nach massiver Kritik derweil wieder Wasser. Laut dem OB hat die Verwaltung einen konkreten Punkt unterschätzt. "Wüste Beleidigungen", wie sie teils erfolgt seien, "rechtfertigt das aber sicher nicht", betont er. Weitere Nachrichten aus Coburg und Umgebung findest du in unserem Lokalressort.

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