Eine weitere Stromtrasse durch das Coburger Land?
Autor: Rainer Lutz
LKR Coburg, Mittwoch, 04. November 2015
Die Landkreise Coburg und Lichtenfels könnten durch eine weitere Stromtrasse betroffen sein. Über die Kreisgrenzen hinweg schließen sich mehrere Kommunen daher zum Widerstand zusammen und hoffen auf Protest der Bürger.
In Windeseile hat Weidhausens Bürgermeister Markus Mönch (parteilos) seine Kollegen zur Krisensitzung zusammengerufen. Grund: Der Netzentwicklungsplan Strom der Bundesrepublik. Dieser könnte statt der früher vorgesehenen 380-kV-Leitung P 44 von Schalkau (Thüringen) nach Grafenrheinfeld eine Bündelung der Korridore vorsehen. Folge: Direkt neben der jetzt im Bau befindlichen Trasse würden dann die Masten einer weiteren errichtet, die den Namen P 44 mod tragen soll.
Die Bürgermeister aus dem nördlichen und östlichen Landkreis Coburg sowie der Gemeinden Marktgraitz und Redwitz im benachbarten Landkreis Lichtenfels sind wütend. "Ich habe die Schnauze voll davon, dass die Regierung einfach tut, was sie will, ohne uns überhaupt nur zu informieren", poltert Markus Mönch. Er weiß: "Die Prügel bekommt nicht die Regierung, die bekommen wir Bürgermeister."
Als Bürgermeister von Redwitz kann Christian Mrosek (CSU) nur den Kopf schütteln: "Redwitz ist eingekreist von Leitungen", schimpft er. Mehr könne die Gemeinde einfach nicht verkraften.
Ähnlich geht es Udo Döhler (UBW) in Dörfles-Esbach. "Wir haben die Autobahn bekommen, die ICE-Trasse und jetzt die 380-kV-Leitung. Wir haben keine Entwicklungsmöglichkeit mehr. Wir werden platt gemacht."
Verärgert ist auch Sonnefelds Bürgermeister Michael Keilich (CSU): "Noch im Juni, bei einem Termin im Umspannwerk Redwitz, wurde uns versichert, Redwitz könne gar nicht mehr Strom aufnehmen."
Die Zeit drängt
Wenig beruhigend wirkte da, was Ebersdorfs Bürgermeister Bernd Reisenweber (FW) mit zur Krisensitzung gebracht hat. Einerseits hat er zwar die lokalen Abgeordneten Hans Michelbach (CSU, Bundestag) und Jürgen W. Heike (CSU, Landtag) erreicht, die beide empört reagierten und Hilfe zusicherten. Andererseits aber brachte er auch die Nachricht mit, dass die Frist für Einwände gegen die Fortschreibung des Netzentwicklungsplanes 2025 bereits am 13. Dezember ausläuft. Er ist überzeugt: "Wir müssen jetzt die Bürger mobilisieren. Wenn 250 auf die Straße gehen, interessiert das niemand, aber wenn es 15 000 sind, dann interessiert das schon." Jeder Bürger kann Einwände online vorbringen unter www.netzentwicklungsplan.de und sollte das auch tun, findet Reisenweber: "Die müssen bombardiert werden mit Einwänden, dann begreifen sie es vielleicht", ist er überzeugt.Und er schockierte seine Kollegen gleich ein weiteres Mal: Die regionale Planungsgemeinschaft Südwestthüringen hat bereits im Mai 2014 ihre Einwendungen gegen den Netzentwicklungsplan vorgebracht. Offenbar mit Erfolg. Denn die Pläne für eine Trasse P 44 von Schalkau nach Grafenrheinfeld gelten inzwischen als "politisch nicht durchsetzbar".
Gegen weitere Bündelung
Marko Steiner (FW) hat für Rödental gemeinsam mit den Nachbarn in Lautertal, Meeder und Bad Rodach auch Einwände gegen die P 44 vorgebracht. Aber auch gegen eine weitere Belastung auf der bestehenden Trasse: "Ich kann das Wort Bündelung nicht mehr hören. Langsam werden wir überbündelt", sagt er. Wer könne den Bürgern noch vermitteln, dass sie weitere Belastungen hinnehmen sollen?Es war der Vorschlag von Jochen Parteymüller, Bürgermeister von Marktgraitz, der seine Kollegen aufrief, sich sofort um Rechtsbeistand zu kümmern, um gegen die Pläne vorzugehen. Gemeinsam wollen die Kommunen nun eine Kanzlei beauftragen, ihre Interessen zu vertreten. Die Finanzierung soll entsprechend der Einwohnerzahl aufgeteilt werden.
Doch der Rechtsweg scheint den Bürgermeistern nicht ausreichend. Aus dem bisherigen Verfahren haben sie gelernt, steht das Vorhaben erst im Netzausbauplan, wird es auch in die Konkretplanung gehen, die Raumordnung und das Planfeststellungsverfahren sind die folgenden Schritte. "Dann kämpfen wir nur noch gegen Windmühlen", ist Bernd Reisenweber überzeugt. Am geplanten Trassenverlauf könnten noch Schönheitskorrekturen erreicht, die Trasse selbst aber nicht mehr verhindert werden.
Unterstützung gesucht
Sofort als er von den Plänen gehört hat, habe er sich an Landrat Michael Busch (SPD) gewandt, um auch den Landkreis zu mobilisieren, berichtet Markus Mönch. Allerdings: "Er wollte sich nicht dazu äußern." Anders in Lichtenfels. Landrat Christian Meißner (CSU) sicherte laut Christian Mrosek seine volle Unterstützung zu. Bernd Reisenweber informierte über einen Kontakt mit dem Coburger Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD). Auch der werde den Kampf gegen die neuen Trassenpläne unterstützen.Wenig Beistand, so die Befürchtung, werde es aus dem westlichen Landkreis geben. Denn dort werde die Bevölkerung froh sein, dass die P 44 nun nicht mehr geplant ist.
Planer: nicht die Ideallösung
Tennet-Pressesprecher Markus Lieberknecht lässt keinen Zweifel aufkommen. Auch bei Tennet sieht man die Alternativen zur P 44 nicht als Ideallösung an. "Die Planung für die so genannte P 44 mod ist mit Blick auf die Akzeptanz schon schwierig", räumt er ein. Allerdings habe eben die Politik entschieden, dass die Trasse von Schalkau nach Grafenrheinfeld politisch nicht durchsetzbar sei. "Wir haben die Auflage bekommen, Alternativen zu berechnen", erklärt er.Dabei gab es eine klare Vorgabe: Es sollen vorbelastete Räume genutzt werden. Trassenbündelung ist das Schlagwort. Bahnlinie, Autobahn, Stromtrasse und nun eben eine weitere Stromtrasse, bedeutet das für das Coburger Land. Der Teufel steckt wie immer im Detail. Auch Markus Lieberknecht hat noch nicht vergessen, wie schwierig es war, die Engstelle am Froschgrundsee mit der Leitung zu passieren. Weißenbrunn vorm Wald auf einer Seite der ICE-Brücke, eine Brutkolonie des Graureihers auf der anderen Seite. Die Entscheidung fiel am Ende gegen die Graureiher. Die Leitung wäre auf der anderen Seite der Brücke dem Dorf näher gekommen als die erlaubten 400 Meter.
Und nun? Wohin mit einer weiteren Leitung? Sie sollte 60 Meter von der bestehenden entfernt verlaufen. "Es gibt noch keine Vorplanung" erklärt Lieberknecht. Die würde erst im kommenden Jahr beginnen, falls denn die politischen Weichen für den Bau einer solchen Leitung gestellt würden. Denn es geht um den Netzausbauplan bis 2025. Im Zeitraum bis dahin würde der Bau stattfinden müssen. Fällt die politische Entscheidung für die P 44 mod, dann komme es auf die Rahmenbedingungen an, die dazu vorgegeben werden. Die Mindestabstände von 400 Metern zur geschlossenen Bebauung und 200 Meter zu Einzelanwesen müssten dann nicht zwingend wieder gelten, lässt Lieberknecht anklingen und sagt zur Trasse generell: "Elektrotechnisch ist das machbar."
Zwei schwierige Alternativen
So schwer eine zweite Trasse direkt neben der bestehenden zu vermitteln ist, so schwer ist die Alternativlösung zu vermitteln. Sie bestünde darin, die jetzt errichteten Masten alle rund 80 wieder abzureißen und durch neue zu ersetzen, die so groß sind, dass sie die zusätzlich benötigten Leitersysteme auch noch mit aufnehmen können. Das wäre teuer, würde Ärger herauf beschwören, und es würde bedeuten, dass die angeblich dringend benötigte Leitung, die gerade fertig gestellt wird, wieder vom Netz genommen werden müsste. Da stellte sich die Frage, ob sie denn tatsächlich so dringend gebraucht wurde.Für Tennet wäre in jedem Fall die politisch verworfene Leitung P 44 von Schalkau nach Grafenrheinfeld die "elegantere Lösung", so Lieberknecht.