Eine Coburgerin erzählt: So war das damals mit der Pflicht-Impfung
Autor: Oliver Schmidt
Coburg, Freitag, 03. Sept. 2021
Wie war das damals, als es in Deutschland eine Impflicht gab? Martina Rogler erzählt vom Schlange stehen in der Turnhalle und dem Pieks vor großem Publikum.
Wenn Martina Rogler an ihre Kindheit zurückdenkt, werden sofort viele schöne Erinnerungen wach: zum Beispiel an die Bäckerei ihrer Eltern, in der es immer allerhand leckere Sachen gab, an das tolle Schwimmbad in Mainleus, in dem sie unzählige Stunden verbrachte, oder auch an ihre aktive Zeit im Turnverein. Die Impfung gegen Pocken, die damals bei Kindern Pflicht war, fällt Martina Rogler hingegen erst auf Nachfrage wieder ein - und das, obwohl zwei kleine weiße Stellen an ihrem rechten Oberarm bis heute davon zeugen.
"Ach, ist doch gut verheilt", sagt Martina Rogler im Gespräch mit unserer Zeitung und muss schmunzeln. Bei anderen Menschen, vor allem älteren Jahrgangs, ist manchmal eine regelrechte Narbe geblieben. Als die 1967 in Kulmbach geborene Martina Rogler mit ihrer Pflicht-Pocken-Impfung an die Reihe kam, waren die Ärzte aber bereits deutlich erfahrener und konnten deshalb mit der Spritze um einiges behutsamer vorgehen.
"Die Impfung fand damals in der Turnhalle unserer Grundschule in Mainleus statt", erzählt Martina Rogler. Angst vor dem Pieks hätte sie keine gehabt - und das lag wohl nicht nur daran, dass eine Turnhalle für die kleine, sportliche Martina ja sowieso ein schöner und spannender Ort war. "Man hat damals auch gar nicht viel darüber nachgedacht", sagt sie, womit natürlich sofort der gravierende Unterschied zu heutigen Corona-Zeiten deutlich wird.
Nicht mit heute zu vergleichen
Martina Rogler ist an dieser Stelle der Hinweis wichtig, dass sie selber zwar gegen Corona geimpft ist, aber sehr wohl auch jede andere Meinung respektiere. "Das muss jeder frei für sich entscheiden!"
Aber zurück in die frühen 1970er Jahre, als das mit der "freien Entscheidung" in Sachen Impfen noch ganz anders war: "In der Turnhalle standen wir alle in einer Reihe", erinnert sich Martina Rogler. "Wer dann dran war, musste sich auf einen Stuhl setzen." Die Impfung nahm ein Arzt vor, der einen weißen Kittel trug - eine Frau assistierte ihm. "Weh getan hat es nicht", glaubt Martina Rogler im Rückblick sagen zu können, "aber aufgeregt waren wir auf jeden Fall!"
Die "Dörfler" und die "Auswärtigen"
Was aus heutiger Sicht freilich sehr seltsam anmutet: Jede einzelne Impfung erfolgte vor den Augen aller Klassenkameraden. In der Turnhalle waren sogar alle Klassen der selben Jahrgangsstufe zusammen versammelt. "Bei uns gab es damals zwei Klassen", sagt Martina Rogler und schwelgt gleich noch weiter in Erinnerungen: "In der einen Klasse waren die ,Dörfler‘, die direkt aus Mainleus kamen, in der anderen die ,Auswärtigen‘." Martina Rogler, die damals noch Popp hieß, gehörte zu den "Dörflern". Und obwohl sie seit nunmehr 2003 in Coburg wohnt, ist die Verbundenheit mit dem Markt Mainleus bis heute geblieben - "und das Schwimmbad ist immer noch schön!"