Ein Neustadter mit Herz und Blut: Am Samstag wäre Günther Bretschneider 90 Jahre alt geworden
Autor: Redaktion
Neustadt bei Coburg, Freitag, 27. Oktober 2017
"Ich bin halt a Puppenschtadtkind, a Schörcho unn Wörcho, wie mo saltn enn findt." Dieser Satz charakterisiert berühmte Neustadter wie G. Bretschneider.
"Gschichtla, Godichtla und Gsangla". Unter diesem Titel sind zahlreiche mundartliche Werke des Neustadter Heimatschriftstellers Albert Arnold (1880 - 1965) in dem Buch "Der Luxushund" veröffentlicht. Im Abschnitt "Godichtla und Ggsangla" ist über den "Neustodto Liefobauo" hat er folgenden Satz geprägt:
"......, ich bin halt a Puppenschtadtkind,
a Schörcho unn Wörcho, wie mo saltn enn findt."
Wie wohl kaum auf einen anderen trifft diese Textpassage auf Günther Bretschneider zu, der am Samstag, 28. Oktober 2017, seinen 90. Geburtstag hätte feiern können.
Völlig überraschend und herausgerissen aus seinen weiteren Lebensplänen verstarb er am 2. Oktober 1995 kurz vor Vollendung seines 68. Lebensjahres. Er ist den Neustadtern ein fester Begriff als Pädagoge und Schulleiter an der Volksschule Heubischer Straße. Hier wurde er als Rektor im Januar 1991 nach 40-jährigem Schuldienst in den Ruhestand verabschiedet. Im Rahmen seiner verantwortungsvollen Tätigkeit prägte er die positive Entwicklung der Volksschule Heubischer Straße und die Neustadter Schulorganisation maßgebend mit. Von 1960 bis 1985 leitete er den Schulchor. Elf Jahre lang war er für den Festumzug des Neustadter Kinderfestes verantwortlich. Günter Bretschneider, der 1949 seine berufliche Laufbahn an der Volksschule Heubischer Straße begann, kehrte nach zwei "Zwischenspielen" 1955 an diese Schule wieder zurück. Hier unterrichtete er als Junglehrer mit großer Hingabe und Leidenschaft zunächst die Schuleinführungsklasse 1955/1956. Als ehemaliger Schüler kann ich mich noch sehr gut an die ersten zwei Schuljahre mit Günther Bretschneider erinnern. Ordnungssinn, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Fleiß und Leistungsbereitschaft, all diese Tugenden hatten bei ihm eine hohe Priorität, auch wenn sie nicht auf dem Stundenplan standen. Aber auch dem "Singen" und der "Heimatkunde" fühlte er sich besonders verpflichtet. Kein Wunder also, dass er mit seinen Schülerinnen und Schülern Volkslieder einstudierte, zahlreiche Wanderungen und naturnahe Exkursionen - bei Wind und Wetter - durch alle vier Jahreszeiten hindurch unternahm, mit ihnen rodelte, Kartoffelfeuer entfachte und selbst am Faschingsdienstag mit seinen Schülern eine "Faschingsgaudi" veranstaltete.
Auch seine Frau Rosemarie hat er bei diesen Unternehmungen oftmals mit eingespannt. Günther Bretschneider verstand es also, seine Schülerinnen und Schüler zu begeistern und anzuspornen, weil er seinen Unterricht immer wieder mit praktischen Beispielen in der Natur verband. Und außerdem: Er hielt auch all diese Aktionen in Filmen fest, was zur damaligen Zeit schon etwas ganz Besonderes war. Schülerinnen und Schüler aus dieser Klasse erinnern sich noch heute voller Dankbarkeit sehr gerne an diese Zeit. Sie finden sich in regelmäßigen Abständen zu einem Treffen der ehemaligen "Bretschneider-Klasse" zusammen.
Große Verdienste erwarb sich Günther Bretschneider im Neustadter Kulturleben als stellvertretender Chorleiter beim Sängerkranz Eintracht und ab 1972 als Dirigent beim Liederkranz Neustadt. Der musisch Veranlagte war für diese Aufgaben geradezu prädestiniert; denn schon als Junglehrer absolvierte Günther Bretschneider bei der Gesangspädagogin Nelly Lieberknecht in Coburg ein Gesangsstudium als Tenor. Seine Liebe zu Neustadt konnte er immer wieder als Heimatforscher, Heimatschriftsteller und Mundartinterpret unter Beweis stellen. Günther Bretschneider war mit seiner Heimatstadt Neustadt, in der er 1927 geboren wurde, tief verwurzelt. Über sein berufliches Engagement als Lehrer und Schulleiter hinaus machte er sich ferner als Gestalter vieler Heimatabende und Verfasser heimatkundlicher Schriften und Bücher ("Grenzen öffnen sich", "Freiheit ohne Grenzen", "Die Geschichte des Neustadter Kinderfestes") einen Namen. Unvergessen sind seine mundartlichen Vorträge und "Gsangla" von Albert Arnolds Werken, die auch heute noch bei Schuljahrgangsfesten ins Programm einfließen. Darüber hinaus hat er fast drei Jahrzehnte über die Geschehnisse in Neustadt, insbesondere über das Neustadter Vereinsleben, für das "Neustadter Tageblatt" berichtet. Auch als regelmäßiger Rezensent der Rathaus-Konzerte hat er sich hervorgetan.
Seine Verdienste würdigte die Stadt Neustadt bereits 1975 mit der Verleihung der Goldenen Stadtmedaille. Außerdem wurde zu seinem Gedenken der Fuß- und Radweg durch die Grünanlage zwischen der Coburger Straße und dem Arnoldplatz im Juni 1996 als "Bretschneider-Weg" gewidmet.
Getreu dem Motto "Mach dei Zeuch salbo" bewies er sein "Multitalent" auch im privaten Bereich. Es gab kaum eine handwerkliche Tätigkeit, die er nicht selbst verrichten konnte. "Entspannungsbeschäftigung" nannte dies Günther Bretschneider.
Von sich sagte er einmal: "Ich habe mir nie vorstellen können, beruflich in eine andere Stadt zu wechseln." Damit meinte er, was der Neustadter Mundartdichter Albert Arnold in seinem Godichtla "Auf mei Neuschtodt loss ich nex kumm!" wie folgt ausdrückte:
Es gett mo nex übo mei Neuschtodt,
Dou kaa eeno gsoug, wos o moug,
Mei Dohemm is dou, wu ich goborn bin,
Unn dou bleib ich bis zum letzt´n Toug!