Ein Coburger und seine flauschigen Foto-Models
Autor: Sandra Hackenberg
Coburg, Freitag, 17. Dezember 2021
Eichhörnchen, die Einkaufswagen schieben und Erdmännchen, die sich umarmen wie Menschen: Mit viel Geduld gelingen dem Coburger Hartmut Neidiger einzigartige Schnappschüsse der scheuen Tiere.
Fotografen bevorzugen ihre Models in der Regel unbehaart. Für Hartmut Neidiger aber gilt die Devise: Je buschiger und flauschiger, desto besser. Obwohl seinen Models die Haare sogar büschelweise aus den Ohren wachsen und sie ihm zwar nicht auf der Nase, aber hin und wieder auf der Schulter herum tanzen, nimmt der 59-Jährige ihre Starallüren gerne in Kauf.
Seit über sechs Jahren lichtet der Fotograf aus Coburg Eichhörnchen ab, fährt dafür hunderte Kilometer mit dem Auto und verharrt für die perfekte Momentaufnahme bis zu sechs Stunden. Prinzipiell sind Eichhörnchen scheue Nagetiere, doch Hartmut Neidiger kommt ihnen so nahe wie sonst kaum jemand.
So oft es die Zeit zulässt, packt er Ehefrau Claudia und seine Kamera ins Auto. Dann geht es in einen Park in einer anderen Stadt. Den genauen Ort hält der 59-Jährige bewusst geheim. Denn sollte bekannt werden, dass die Eichhörnchen in besagtem Park besonders zutraulich sind, befürchtet er, würde es viele Menschen in der Hoffnung auf ein niedliches Foto dorthin ziehen.
Das sei nicht Sinn der Sache und würde den flauschigen Parkbewohnern nicht guttun. "Ich würde nie etwas mit den Tieren machen, das sie nicht wollen", bekräftigt der Fotograf, der deshalb auch mal ein paar Stunden mit der Kamera ausharrt, bis seine eigensinnigen Models freiwillig vor seine Linse hüpfen. Also positioniert er seine Requisiten - Einkaufswagen, Zapfsäulen, selbst gebastelte Hanteln oder Bierkästen im Miniaturformat - und wartet. Ein wenig helfen er und Claudia ihrem Glück mit Nüssen auf die Sprünge, denn von dieser Nascherei können die flauschigen Models nie genug bekommen.
Dann gilt es, sich möglichst ruhig zu verhalten. Hartmut Neidiger zeigt ein Foto, auf dem es so aussieht, als würde das Eichhörnchen einen Einkaufwagen schieben. Um die Nager anzulocken, haben Claudia und er Erdnüsse in den kleinen Wagen und sich auf die Lauer gelegt. "Wir haben damit gerechnet, dass die Eichhörnchen von rechts oder links kommen", erzählt er, "doch plötzlich kam eines von hinten und hat sich so über den Wagen gebeugt, dass es den Anschein erweckt hat, als würde es ihn tatsächlich schieben."
In exakt diesem flüchtigen Moment drückt Hartmut Neidiger den Auslöser und fängt einen fast menschlichen Moment ein - Szenen, die Tierfreunde faszinieren. Jedes Jahr bringt der Selbstständige einen Kalender nur mit seinen Aufnahmen der Eichhörnchen heraus. Den für 2022 hat er schon 50 Mal verkauft.
Reich wird er alleine von den Kalendern nicht. Doch die Eichhörnchen-Schnappschüsse sichern in Pandemiezeiten die Existenz. Seit Corona das Land im Griff hat, sind die einzigartigen Schnappschüsse der pelzigen Baumkletterer zum festen Standbein für Hartmut Neidiger geworden, der seine Karriere als Hochzeitsfotograf begonnen hat. "Aktuell gibt es keine großen Hochzeiten und Veranstaltungen, also habe ich mich inzwischen mehr auf Natur- und Tierfotografie spezialisiert, erklärt der 59-Jährige, der von zu Hause aus auch einen Online-Shop und verschiedene Webseiten betreibt.