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Ein blinder Frohnlacher kickt in der Bundesliga


Autor: Christoph Böger

Coburg, Donnerstag, 17. Oktober 2013

Der Frohnlacher Manuel Beck (26) ist blind. Er liebt den Fußball, geht selbst in der Bundesliga auf Torejagd und nahm die Herausforderung an, einen Bayernliga-Spielbericht für das Coburger Tageblatt zu schreiben. Sein Vater Siegfried überzeugte dabei als "Radioreporter".


Manuel Beck muss hinhören. Leise rasselnd rollt der Ball auf ihn zu. Er stoppt ihn, dribbelt los - und schreit laut "Voy". So warnt er seine Mitspieler, denn die sehen ihn genauso wenig wie er sie. Der Frohnlacher ist blind. Und er ist Fußball-verrückt.

Der 26-Jährige spielt nicht nur in der Blindenfußball-Bundesliga, sondern er schreibt seit kurzem auch Spielberichte für das Tageblatt. Doch der Reihe nach:

Manuel rennt weiter, schießt - doch der Ball landet im Aus. Die Feldspieler erfahren es erst, als der Schiedsrichter laut trillernd pfeift. Neben den beiden Torhütern ist der Referee der einzige auf dem Platz, der nicht blind ist. Wären im Ball nicht Metallschellen zwischen der Blase und der Außenhaut eingenäht, würden die Würzburger Kicker ihn gar nicht wahrnehmen. Beim VSV und BFW Würzburg spielt Manuel in der Blindenfußball-Bundesliga.

Wenn er und seine Partner kicken, dann stehen sie zweifelsohne unter größter Anspannung. Heftiges Atmen und manchmal auch ein Fluchen sind auf dem 20 mal 40 Meter großen Feld viel besser zu hören als auf einem normalen Platz.

Die Guides können sehen, stehen hinter dem Tor des Gegners und rufen Anweisungen, damit die Spieler überhaupt einen Angriff starten können. "10, 8, 6", schallt es, wenn sich Manuel dem gegnerischen Kasten nähert. Meterangaben. "Links" oder "Rechts", noch "zwei Gegenspieler" - alles wichtige Kommandos für den Blinden, schließlich soll ein "Schuss im Dunkeln" auch Sinn machen. Natürlich läuft ein Blindenfußball-Match nicht so flüssig wie ein Länderspiel mit Özil, Reus und Götze. Die Feldspieler treffen nicht jedes Mal den Ball. Nie wirkt es jedoch unbeholfen.

Mit zwölf Jahren erblindet

Manuel Beck ist im Alter von zwölf Jahren komplett erblindet. Er kam als sehbehindertes Kind mit "nur" zehn Prozent Sehkraft zur Welt. "Im Laufe der Jahre ist es immer weniger geworden."

Trotzdem seien zehn Prozent "sehr viel" gewesen: "Ich weiß wie Rot aussieht, ich kann mir Grün vorstellen. Das ist sehr wichtig." Wer blind geboren ist, für den sei es noch schwieriger, so Manuel, beim Fußball ein Ballgefühl zu entwickeln oder generell Dinge zu beurteilen.

Wer sich mit Manuel Beck unterhält, spürt sofort, dass er sein Schicksal längst angenommen hat und hervorragend damit umgeht. Sein sportlicher Ehrgeiz ist groß, seinen Humor hat er nie verloren. Und Manuel ist vor allem ein sehr wissbegieriger und intelligenter junger Mann. Er will eines Tages Sportmanager werden.

Der Bachelorstudent des Studiengangs Betriebswirtschaft und Sportmanagement an der Hochschule Heilbronn betätigt sich in seiner Freizeit als Teammanager des VSV und BFW Würzburg und engagiert sich seit einigen Monaten ehrenamtlich als Medienbeauftragter des Fußball-Bayernligisten VfL Frohnlach. In dieser Funktion hat er vor 14 Tagen seinen ersten Spielbericht für das Tageblatt geschrieben.

"Als mich Christoph Böger fragte, ob ich mir vorstellen könnte, den Bericht beim Heimspiel gegen den TSV Aubstadt zu schreiben, habe ich einen Moment gezögert und war mir nicht sicher. Doch dann hat er mich ermuntert und gemeint, dass ich das bestimmt hinbekomme." Und Manuels Premiere als Sportreporter klappte sofort:
Sein Vater Siegfried sitzt auf der Tribüne neben ihn und kommentiert das Spiel ähnlich wie ein Radioreporter - zwischen Vater und Sohn herrscht ohnehin blindes Vertrauen, nicht nur in diesen 90 Minuten. "Entscheidende Momente, beispielsweise wenn ein Tor fällt, lasse ich mir noch mal genau erklären", erklärt der 26-Jährige. Dann legt er sofort auf seinem Laptop los.

NVDA, Jaws und Screenreader

Die Software, die er benutze heißt NVDA oder Jaws. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Screenreader. Er nutzt aber auch sein iPhone oder sein iPad: "Da ist doch auf Apple-Geräten der Screenreader Voice-over vorinstalliert" - der Technikfreak kennt sich aus. Spracherkennung nutzt er ungern - "die ist oft zu schlecht".
Manuel kümmert sich auch um die offizielle Facebookseite des VfL Frohnlach und um die Stadionzeitung. Mit Trainingseinheiten an Schulen, Hochschulen oder im Rahmen anderer Veranstaltungen wie bei der Fußballfreizeit des Kreisjugendring Coburg in Rödental wirbt er für den Blindenfußball.

Traum: "Ein Spieltag in Coburg"

Sein Traum ist es, in Coburg einen Spieltag der Blindenfußball-Bundesliga auf die Beine zu stellen. Unterstützt wird er in seinen Bemühungen nicht nur von seinem Vater, wenn es um fußballerische Erläuterungen geht, sondern auch von seiner Mutter bei grafische Aufgaben, Auswahl von Bildern und Korrekturen von Texten.

Bei generellen oder speziellen Fragen, vor allem rund um den Fußball, gibt ihm außerdem sein Bruder Florian (35) stets telefonisch kompetent Auskunft, da der selbst lange Jahre aktiver Fußballer war und jetzt als Co-Trainer des SV Seligenporten in der Regionalliga Bayern im Einsatz ist. Wichtig ist Manuel Beck aber vor allem die Zusammenarbeit vor Ort: Beim VfL bildet er oft ein Team mit dem sportlichen Leiter Michael Werner, über ihn und über die damalige Vorsitzende Christina Schön entstand der Kontakt. "Mit dem Trainerteam und der Mannschaft funktioniert es super."

Übrigens: Manuel ist fest davon überzeugt, dass die junge VfL-Truppe ihre Negativserie heute mit einem Heimsieg gegen Selbitz beendet und auf jeden Fall den Klassenerhalt schafft.