Ein Bild der Reue auf der Veste Coburg
Autor: Simone Bastian
Coburg, Freitag, 21. Juli 2017
Dürers Blatt zum "Gleichnis vom verlorenen Sohn" zeigt ein Dorf im Deutschland des 16. Jahrhunderts.
Diese Schweine geben nichts: Albrecht Dürer hat sie mit fast menschlichen Zügen ausgestattet, was Gemeinheit und Geiz angeht. Sogar die Ferkel scheinen den knieenden Mann auszulachen. Der Mann aber blickt über die Köpfe der Tiere hinweg in die Ferne, die heruntergekommene und verlassen wirkende Hofstatt scheint er nicht zu sehen, bestenfalls die Kirche im rechten Bildhintergrund. Der Mann, ein jüngerer Sohn, hat sich sein Erbe auszahlen lassen und alles durchgebracht. Nun muss er sich als Schweinehirt verdingen und hungert so sehr, dass er den Tieren das Futter neidet.
Hätte Alfred Dürer Comics gezeichnet, wäre dies vermutlich das dritte Blatt. Auf dem ersten hätten wir gesehen, wie der Sohn den Vater ums Erbe angeht und ausbezahlt wird. Auf dem zweiten wäre gezeigt worden, wie der junge Mann mit Wein, Weib und Gesang sein Geld verjubelt. Nun ist er arm und bereut: "Wie viel Tagelöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir und bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner!" So ist es nachzulesen im Lukasevangelium 15, 11-32.
Wie würde ein heutiger Comic ausgehen? Würde der Vater ihm einen Arbeitsplatz anbieten, aber genau darauf achten, dass der Sohn sich wohl verhält? Oder würde er ihn gleich wieder fortschicken? Der Vater, von dem das Gleichnis erzählt, heißt den Sohn willkommen, lässt ihn neu einkleiden und zur Feier des Tages das Mastkalb schlachten. " Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden." Das wäre Blatt Vier, aber die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende. Es gibt ja noch den braven Sohn, den Hoferben, der all die Jahre geschuftet hat und nicht mal einen Bock schlachten durfte, um mit seinen Freunden zu feiern. Der fühlt sich natürlich zurückgesetzt und gekränkt.
Das Gleichnis endet damit, dass der Vater den älteren Sohn beschwichtigt. Das wahre Leben weiß von genug braven Geschwistern, die das Gefühl hatten, dass die anderen mehr geliebt werden - obwohl oder weil sie nicht so brav sind. Eine sehr menschliche Geschichte, die der Evangelist Jesus da erzählen lässt. Sie illustriert natürlich Gottes Barmherzigkeit: Gott gibt keinen verloren, wenn er nur umkehrt und bereut. Damit müssen sich all die braven Söhne und Töchter bescheiden.
Vermutlich würde im wahren Leben der ältere Bruder den jüngeren in den Folgejahren knechten oder irgendwie durchfüttern. Wenn's gut läuft, hält die Läuterung des jüngeren an und er bleibt bescheiden und arbeitswillig. Wenn nicht, dann hat ihm die unversehene Gnade vollends den Charakter versaut, und der ältere Bruder muss damit klarkommen.
Dürers Bild zeigt den Tiefpunkt, den Moment der Reue und Buße und der Umkehr, kurz, den gottgefälligsten Moment. In der Landesausstellung hängt das Blatt, weil es zeigt, wie man sich ein Bauerndorf des 16. Jahrhunderts vorzustellen hat, weniger wegen des religiösen Kontextes. Die Häuser wirken solide, aber ärmlich. Ab manchen Stellen stehen noch Ruinen, und dazwischen liegt der Mist. Wenn das Dorf schönere Plätze hat, dann vielleicht bei der Kirche im Hintergrund oder an dem großen Baum. Aber dort wäre kein Platz für verarmte Söhne und für so schön gemeine Schweine. sb
Landesausstellung 2017
Allgemein Das Haus der Bayerischen Geschichte veranstaltet alljährlich eine große Ausstellung. In diesem Jahr ist Coburg der Schauplatz; aus Anlass von 500 Jahren Reformation lautet das Thema "Ritter, Bauern, Lutheraner" mit einem Schwerpunkt auf den gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Organisatorisch Die Ausstellung auf der Veste Coburg und in der Coburger Morizkirche läuft noch bis 5. November und ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. In der Morizkirche ist der Eintritt frei, in der Veste zahlen Erwachsene 12 Euro fürs Ticket. Mehr unter www.hdbg.de.
Serie Bis zum Ende der Ausstellung zeigt das Tageblatt jede Woche ein "Schaustück der Woche".