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Ein Amerikaner ohne Heimat


Autor: Christiane Lehmann

Ebersdorf, Dienstag, 06. November 2012

William Nelson lebt seit über 40 Jahren in Deutschland und hat sich mit seiner Familie im Coburger Land ein Zuhause geschaffen. Mit seiner Stimme will er Barack Obama eine zweite Chance geben.
Den kleinen Patrioten hat William Nelson zum Abschied  von  seinem Arbeitgeber, der  Hummel-Manufaktur, bekommen. Die beiden halten die amerikanische Flagge in Ebersdorf hoch. Foto: Christiane Lehmann


Im Herzen eher Republikaner, aber wenn es um die Präsidentschaftswahlen in den USA geht, ein Demokrat und Obama-Anhänger: William Nelson, gebürtiger Amerikaner, in Ebersdorf bei Coburg zu Hause.
Bis 9 Uhr muss heute sein Stimmzettel in seiner Heimatregion Rhode Island (USA) eintreffen, sonst verliert er seine Gültigkeit. Der 68-Jährige hat Briefwahl gemacht, wie in all den Jahren davor auch. Ob diesmal alles pünktlich klappt, weiß er nicht. Schließlich sei New York der große Postumschlagsort und inwieweit es da durch den Hurrikan "Sandy" zu Verspätungen kommt, kann er natürlich nicht sagen. "Aber ich vertraue einfach darauf", sagt der Optimist Nelson.


Unterlagen im Internet angefordert


Bereits Anfang Oktober erinnerte das amerikanische Konsulat in München die amerikanischen Staatsbürger in Bayern an ihre Wahlmöglichkeit und bot seine Hilfe bei der Versendung der Wahlzettel an. "Für mich war das kein Problem", sagt William Nelson. Er habe seine Unterlagen im Internet angefordert, ausgefüllt und weggeschickt. Im Normalfall dauert es eine Woche, bis die Post ankommt.
William Nelson kennt sich in diesen Dingen aus. Seit über 40 Jahren jettet er zwischen den Kontinenten. Als junger Soldat kam er 1966 nach Kassel. Stationiert war der spätere Fachoffizier auch in Frankfurt, München, Hof, Würzburg und schließlich in Coburg. Zwischendurch immer wieder: Maryland, Alabama, Texas, Utah.

Auch in Italien war Nelson zwei Jahre im Einsatz.
"Ein richtiges Heimatgefühl habe ich nicht", bedauert der Amerikaner heute immer noch. Dafür sei er einfach zu viel unterwegs gewesen. Seinen Kinder wollte er das ersparen. Ihnen wollte er eine Heimat, ein Zuhause schaffen.

Zuhause in Ebersdorf

Zusammen mit seiner Frau Natascha, die er ganz am Anfang seiner Zeit in Deutschland kennengelernt hat, ist die Familie in den 80er Jahren für immer nach Ebersdorf bei Coburg gezogen, wo sie ein Haus gebaut hat. Und auch, wenn sein Sohn heute mit seiner Familie in Texas lebe, verbinde er doch ein enges Heimatgefühl mit Ebersdorf - genau wie die Tochter, die in Weidhausen lebt.


Enger Kontakt zur Heimat


Sesshaft sind die Nelsons hier geworden und zu Hause fühlt sich Vater William auch eher in Deutschland als in den USA. Und dennoch liegt ihm die Zukunft seines Geburtslandes sehr am Herzen. Schließlich hält er engen Kontakt und fliegt mindestens einmal im Jahr in die Staaten. Seine Mutter und seine Geschwister leben immer noch in Rhode Island. Wenn es um die Wahl des US-Präsidenten geht, wählt er immer mit. "Ich informiere mich übers Internet, den Fernsehsender CNN und deutsche Tageszeitungen", sagt der ehemalige Marketingchef von Goebel. Er gibt zu, wegen der Wahlen nicht nachts um drei aufgestanden zu sein, um die Rededuelle zu verfolgen.

Obama braucht noch Zeit

Schon beim letzten Mal hat er Barack Obama gewählt, sagt er ganz offen. "Bush ist nicht mein Ding gewesen. Den habe ich nie gewählt!" Nelson hat bei Obama ein besseres Gefühl im Bauch. "Ich finde Obama hat gute Ideen und braucht einfach noch ein bisschen Zeit. Er konnte in der ersten Amtsperiode gar nicht alles schaffen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten Präsidenten in der zweiten oft aktiver sind und einfach machen, da sie ja keine Rücksicht mehr auf eine Wiederwahl nehmen müssen", ist Nelson überzeugt.
Ein anderer entscheidender Punkt für Obama ist dessen Überzeugung, große Weltprobleme nur gemeinsam mit der Nato und der UNO lösen zu können. Den Auftritt des Kandidaten Mitt Romney kommentiert Nelson so: "Die USA sollte aufhören, Weltpolizei zu spielen!"