Til Clemens und Sandra Krämer sanierten das einstige Bahnhofsgebäude Großheirath und erhielten Denkmalschutzmedaille und "Eiserne Rose" des Kreises Coburg.
Im Jahr 2001 fand die letzte Bahnfahrt auf der Strecke zwischen Coburg und Großheirath statt. Unter den Fahrgästen war auch Til Clemens. Für ihn war Großheirath Endstation und Start für die Erfüllung eines Lebenstraums zugleich, denn kurz vorher hatte er das ehemalige Bahnhofsgebäude von der letzten hier tätigen Bahnagentin erworben, die bis zuletzt die Schranken per Hand hoch- und runtergekurbelt und Fahrkarten verkauft hatte.
Was Til Clemens und Sandra Krämer in den vergangenen fast zwei Jahrzehnten aus dem Bahnhof gemacht haben, ist bewundernswert. Die einstige Wartehalle ist jetzt die Küche mit "Wow"-Effekt. Auf dem alten Küchenherd stehen gusseiserne und kupferne Töpfe, Kessel und Pfannen, das Interieur ist ein gelungener Mix aus originalen Zeitzeugnissen und modernen Gerätschaften. Und über allem thront eine große alte Bahnhofsuhr, die auch noch funktioniert, wenn denn die Zeiger wieder festgeschraubt sind. In der Schaltertür, die zum Wohnzimmer führt, ist noch das Fensterchen, durch das die Fahrkarten gereicht wurden.
Relikte einer vergangenen Zeit
Überall im Haus und auf dem umliegenden Gelände finden sich liebevoll gestaltete Relikte einer vergangenen Zeit. Wie die Übersichtskarte der königlich-preußischen Eisenbahndirektion von 1904, die kleinen Schnecken am Dachgiebel, der originale Brunnen, der noch Wasser spendet, oder die Splitterschutzzelle, die zu Kriegszeiten den Bahnbeamten Schutz vor Tieffliegern gaben.
Der ehemalige Bahnhof, ein zweigeschossiger Backsteinbau, war 1900 von den Preußischen Staatseisenbahnen, Direktion Erfurt, errichtet worden. Eröffnet wurde der Bahnhof, als die neue Strecke zwischen Creidlitz und Rossach eingeweiht wurde, die im Volksmund scherzhaft "Coburg-Rodach-Rom-Express" oder auch schlicht Itzgrundbahn genannt wurde.1984 wurde hier der Personen-, 2001 auch der Güterverkehr eingestellt. 2004 baute die Bahn die Schienen ab. Eine alte Postkarte von 1900 zeigt den Bahnhof nebst nebenstehendem Häuschen, das unter anderem drei Toiletten beherbergte, für Damen, Herren - und Beamte.
Til Clemens stammt aus dem Rheinland, studierte in Bayreuth Jura und blieb bei seinem Referendariat in Coburg hängen. Ein Altbau auf dem Lande, erzählt er, sei sein Traum gewesen, und als er auf das Bahnhofsgebäude in Großheirath stieß, war er von der ersten Minute an begeistert, auch wenn ein Kollege damals meinte, hier helfe nur noch die Abrissbirne.
Zwei Zimmer hatte sich Clemens zunächst einmal hergerichtet, werkelte mal hier, mal dort, ließ Installationen und Drainagen erneuern, und als dann 2005 Tochter Nele geboren wurde, wurde Volldampf gegeben. 2006 zog die kleine Familie in den Bahnhof ein.
Das war eine stressige Zeit, erinnert sich Sandra Krämer. Die Wochenenden sind fürs Bauen und Renovieren draufgegangen. "Til hat verputzt und ich geputzt", sagt sie lachend. Für Til Clemens, der Rechtsanwalt in Coburg ist, waren und sind diese handwerklichen Arbeiten eine wunderbare und kreative Abwechslung zu Paragrafen und Juristerei.
Es ist ein schönes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn ein altes Bahnhofsgebäude, was nicht mehr gebraucht wird, von fleißigen, sorgsamen und historisch verantwortungsbewußten Menschen einer neuen wohnlichen Nutzung zugeführt wird.
Wenn ich schreibe was passieren kann, so muß leider aber auch beklagt werden, daß die vom Paar Krämer/Dr.Clemens geleistete Arbeit an einem von der Bahn aufgegebenen Gebäude leider nicht den Regelfall darstellt. Wie häufig muß man es beim Fahren durch die Landschaft nämlich erleben, wie völlig ungenutzt ehemalige Bahnimmobilien daliegen - man braucht gar nicht weit zu fahren, um ein solches abschreckendes Beispiel am ehemaligen Komplex des vormaligen Bw Coburg zu sehen - und die verkommen und langsam aber sicher der Vergessenheit anheimfallen, weil weder die öffentliche Hand noch eine Privatperson willens und fähig sind, hieraus etwas zu entwickeln oder die zwar von oftmals eher zwielichtigen Personen für vergleichsweise wenig Geld aufgekauft wurden und nun als Schrottlagerplätze oder Müllhalden ein klägliches und erbarmungswürdiges Dasein führen, ohne das irgendeine Bauverwaltung diese schmählichen Umstände interessieren würden.
Was - so denke ich oft beim Anblick solcher desolaten Zustände - ist das eigentlich für eine Gesellschaft, die so mit ihrem kulturellen Erbe umgeht ? Was sind das für Menschen, die so respektlos die baulichen Leistungen vergangener Generationen betrachten ?
Was Frau Krämer und ihrem Partner Herrn Dr. Clemens am Beispiel des alten Bahnhofsgebäudes von Großheirath gelungen ist, ist wirklich beachtlich und es überrascht deshalb auch keineswegs, wenn diese Arbeit letztlich auch mit einem Preis ausgezeichnet wird. Es wäre gerade um den Erhalt der teilweise schönen und zudem noch solide gebauten Objekte wünschenswert, wenn mehr Menschen dem Beispiel der Frau Krämer und des Herrn Dr. Clemens folgten um neue Farbtupfer in die herrschende Architekturmonotonie zu bringen.
Also "Coburg-Rodach-Rom-Express" paßt schon mal gar nicht; früher hieß das Ganze einfach "Rodach-Rossach-Rom-Express" ...