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E-Autos und der Kampf um die Reichweite


Autor: Matthias Litzlfelder

Coburg, Donnerstag, 21. Juli 2016

Der Motor eines E-Autos erzeugt keine Abwärme. Zum Heizen muss die Batterie herhalten, auf Kosten der Reichweite. Aber es geht auch anders.
Armaturenbrett eines elektrisch angetriebenen BMW i3: Die Reichweite immer im Blick. Foto: Jan Woitas, dpa


Wenn heute über Elektroautos diskutiert wird, dann geht es in der Regel um zwei Punkte: Preis und Reichweite. Längst gibt es diverse Preis-Leistungs-Rankings. Wer mit dem Gedanken spielt, einen Wagen mit Elektromotor anzuschaffen, schaut unabhängig von neuen Kaufprämien genau hin, wie weit er mit diesem Wagen fahren kann.
Was viele nicht bedenken: Die versprochene Reichweite eines E-Fahrzeugs bezieht sich auf den Betrieb im Frühling. Im Winter verliert der Wagen deutlich an Reichweite. Das liegt nicht nur daran, dass die Kälte der Batterie zusetzt. Der Lithium-Ionen- Energiespender muss auch noch etwas anderes bewerkstelligen: das Heizen des Fahrzeuginneren.


Wo kriegen wir die Wärme her?

"Bei einem Verbrennungsmotor fällt dieser Energiebedarf kaum auf, denn dafür wird die Abwärme des Motors genutzt", erklärt Rainer Sonnenberger. "Beim Elektromotor muss die Batterie dafür herhalten, und das sorgt für erheblichen Verlust an Reichweite."

Sonnenberger arbeitet für den Autozulieferer Valeo in Bad Rodach (Landkreis Coburg). Der oberfränkische Standort des französischen Unternehmens mit vor Ort mehr als 800 Beschäftigten ist auf Klimasysteme spezialisiert. Doch die Frage im Hinblick auf das E-Auto lautete für Valeo: Wo kriegen wir die Wärme her?

Im 20 Kilometer entfernten Coburg beschäftigt sich an der dortigen Hochschule Professor Hartmut Gnuschke in seinem Ressort Kraftfahrzeugtechnik unter anderem mit thermodynamischen Prozessen. Auch ihn reizte das Thema. Es entstand eine Kooperation. "Entwicklung und Bau eines thermischen Kühlungssystems für E-Fahrzeuge" lautete das Gemeinschaftsprojekt. Neben Valeo und der Hochschule Coburg war auch BMW mit dabei, quasi als stiller Partner. "BMW hat uns die Hochvoltbatterie zur Verfügung gestellt", berichtet Gnuschke.


Von 2011 bis 2015 geforscht

Das war vor fünf Jahren. Inzwischen ist das von 2011 bis 2015 dauernde Forschungs- und Entwicklungsprojekt schon wieder beendet.

Studierende der Hochschule unternahmen bei Valeo in Bad Rodach Simulationen und Tests. Der Autozulieferer schaffte mit einem neuen Prüfstand für Hochvoltbatterien die nötige Umgebung für die Versuche. "Einige Masterarbeiten liefen über dieses Projekt. Parallel waren unsere Absolventen auch bei Valeo beschäftigt", schildert Hartmut Gnuschke die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.


Wärmepumpe im Motorraum

Die Beteiligten haben laut Sonnenberger und Gnuschke einen Weg gefunden, die Reichweite im Winter um zehn Prozent zu verlängern. Ihr Konzept für E-Fahrzeuge sieht vor, im Motorraum eine Wärmepumpe zu integrieren und die Schaltung der Ventile so zu steuern, dass die vorhandenen thermischen Kapazitäten genutzt werden können. So eine bisher ungenutzte Kapazität ist nach Aussage der Ingenieure die Wärme der Batterie, aufgeheizt durch die elektrische Ladung.

"Wir haben jetzt einen Prototypen, der funktioniert. Das Konzept steht", sagt Sonnenberger. Doch wer glaubt, dass ein funktionierendes System ausreicht, um demnächst in Serie zu gehen, der kennt die Konstellationen in der Branche nicht. Sonnenberger berichtet von unterschiedlichen Philosophien der Autohersteller. "An so einem Thema arbeiten natürlich zeitgleich auch andere." BMW habe für seinen i3 selbst ein eigenes System entwickelt.


Keine etablierte Lösung

Auch für Gnuschke ist der Umstand, dass das in Oberfranken entwickelte Konzept noch nicht nachgefragt wurde, alltäglich. "Das ist ein Themenbereich, der komplex ist und aktuell alle Hersteller beschäftigt", sagt der Coburger Professor. Im Markt gebe es keine etablierte Lösung.

Gnuschke sieht ein allgemeines Problem. Es gebe noch zu wenige Elektroautos und die Nachfrage nach ihnen sei bisher zu niedrig. "Damit die Hersteller mit einem bestimmten System in Serie gehen, sind höhere Stückzahlen notwendig."


Wie entwickeln sich Batterien?

Und noch etwas anderes ist laut Gnuschke entscheidend, ob das oberfränkische Thermo-Management von elektrifizierten Fahrzeugen in den nächsten Jahren in der Praxis genutzt wird. "Es kommt darauf an, wie sich die Reichweite von Batterien entwickelt. Wenn sich Batterien so verbessern, dass trotz Heizen immer noch genügend Kapazität für längere Strecken zur Verfügung steht, dann ist das Konzept unseres Gemeinschaftsprojektes natürlich nicht mehr ganz so interessant", erklärt der Professor. "Die Hersteller zögern deshalb und haben ein bisschen das Prinzip Hoffnung."


Neuer Prüfstand

Dennoch will Gnuschke mit seinen Mitarbeiter "weiter an dem Thema forschen". Und auch bei Valeo stehen die Vorteile im Vordergrund. "Wir haben dadurch in Bad Rodach eine Infrastruktur geschaffen, um künftig solche Systeme im Hochvoltbereich testen zu können", sagt Sonnenberger. "Mit dem neuen Prüfstand und unseren Erfahrungen aus dem Projekt E-Climate können wir jetzt die Autohersteller bei künftigen Systementwicklungen für E-Fahrzeuge unterstützen."


Wissenschaftstag der Metropolregion


Ort Der 10. Wissenschaftstag der Metropolregion Nürnberg findet am Freitag in Bayreuth auf dem Universitätsgelände statt. Er steht unter dem Motto "Innovationsfaktor Hochschule". Gastgeber dieser Netzwerkplattform sind die Stadt Bayreuth und die Uni Bayreuth.

Themen Die Fachvorträge am Nachmittag drehen sich um die Themen Energie, Mobilität, Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften sowie IT und Sensorik. Dabei geht es unter anderem um die Energie in der Zukunft oder die Mobilität von morgen.

E-Climate Insgesamt gibt es beim Wissenschaftstag 16 Fachvorträge, immer von zwei Referenten gemeinsam gestaltet. Rainer Sonnenberger (Valeo) und Professor Hartmut Gnuschke (Hochschule Coburg) berichten in ihrem Vortrag über das Projekt "Heizen und Kühlen von E-Fahrzeugen".

Ablauf Der Wissenschaftstag wird um 12.45 Uhr eröffnet. Anschließend folgt eine Podiumsdiskussion - Thema "Die Kunst der Vernetzung". Die Vorträge beginnen um 15 Uhr in den Hörsälen 17, 18, 24 und 25.