Dunkelrot für Cranach und die anderen
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Mittwoch, 25. März 2015
Die Kunstsammlungen der Veste wollen sich sinnfälliger und den heutigen Sehgewohnheiten gemäß präsentieren. Jetzt erstrahlt die altdeutsche Sammlung in neuem Raum und neuem Licht. Erstmals wird die bedeutende Coburger Cranach-Sammlung konzentriert gezeigt.
Ein ganz neues Erlebnis. Die Schätze der Kunstsammlungen auf der Veste Coburg, die Cranachs, das Gandersheimer Evangeliar - sie wurden seit Jahrzehnten den jährlich an die 100 000 Besuchern präsentiert. Allerdings bei weitem nicht so, wie sie ab jetzt herausgehoben wahrnehmbar sind, effektvoll inszeniert, in ihrer Schönheit und historischen Bedeutung weit intensiver erfassbar:
Die Kunstsammlungen befinden sich in einem Prozess grundsätzlicher Überarbeitung. Pünktlich zum Cranach-Jahr wurde jetzt die altdeutsche Sammlung mit ihrem Cranach-Schwerpunkt als erstes Kapitel neu präsentiert. Die gedeckte Batterie mit Artillerieausstellung und die historische Glassammlung werden folgen. "Die Besucher haben heute andere Sehgewohnheiten und Bedürfnisse als Ende der 80er Jahre, als die Sammlungen in der bisherigen Form eingerichtet wurden", erklärt Direktor Klaus We schenfelder die Motivation für die umfangreichen Maßnahmen, die nur mit finanzieller Unterstützung der HUK und weiterer Sponsoren finanzierbar sind. 750 000 Euro - eine vergleichsweise bescheidene Summe - wurden für dieses erste Kapitel benötigt, 20 Prozent kommen aus eigenem Etat.
Früher standen eher die Räumlichkeiten der Veste im Blickpunkt, die Sammlungen wurden gehäuft und konzentriert darin aufbewahrt. Jetzt hat der Gemündaer Innenarchitekt Josef Starkl neue Blickachsen entwickelt, in dunklem Rot gefasste Räume im Raum geschaffen, in denen einzelne Objekte mit entsprechender Lichtkonzeption viel intensiver und wie aus mystischem Dunkel gehoben werden.
Besondere Ausstrahlung
Den Gothaer Sammlungen auf Schloss Friedenstein hat diese Vorgehensweise in den letzten Jahren deutliche Besucherzu wächse gebracht. Auch in Coburg können sich die Kunstinteressierten jetzt der hervorgehobenen Ausstrahlung vieler bedeutender Objekte hingeben, Grünewalds "Abendmahl", dem wohl kostbarsten Exponat der Kunstsammlungen etwa, in dem die Apostel nicht mehr als Typen, sondern als dramatisch in Beziehung tretende Indivi duen dargestellt sind. Oder Christus und elf Apostel in tönerner Ausführung. Und natürlich den wunderbaren Cranachs, den befremdlichen Charakteren im "Ungleichen Paar", der nach ihrer Schändung Selbstmord verübenden Lukretia in mehreren Varianten, die besten Porträts Cranachs.
Darüber hinaus aber werden die Kunstwerke thematisch neu in Beziehung gesetzt. Jetzt geht es in überschaubaren Kapiteln um die Funktionen der Bildwerke im Wandel der Zeit, nämlich vom späten Mittelalter bis in die Reformation. Spannend und reizvoll ab- und in Texttafeln und Touchscreen-Stationen nachlesbar ist jetzt der religiöse und politische, der geistesgeschichtliche Wandel in die Neuzeit.
Es geht in einzelnen Kapiteln und Räumen um Motivtraditionen und neue Themen im Zeitalter des Humanismus, um Kulturtransfer, um die Hofkunst von Lucas Cranach dem Älteren (1472 - 1553), der 1506 auf der Veste während des Hoflagers seines Kurfürsten in Coburg die Wände der Großen Hofstube ausschmückte, woran jetzt eine stimmungsvolle Projektion erinnert. Es geht um den Wandel der Porträtkunst bis sich dann die Reformation intensiv in der Kunst spiegelt.
Mystische Vertiefung ins Leid
Wir stehen im Aufgang der Steinernen Kemenate zunächst vor den ungemein eindrucksvollen Holzskulpturen zweier hoher Madonnenfiguren und den spätmittelalterlichen Resten eines Coburger Altares sowie den Reli eftafeln des Mönchrödener Altars. Wir treten der riesigen Coburger Pietá von 1360/70 gegenüber, einem der ältesten Vesperbilder der europäischen Kunstgeschichte, Anfang des 20. Jahrhunderts zufällig in Scheuerfeld wiederentdeckt. Hier ging es, wie auch in dem kahlköpfigen Kruzifixus von 1460, um die Vermittlung des Leidens aus dem Geist der Mystik.
Diese Bildwelten öffnen sich unter italienischem Einfluss. Die Cranachs bringen ganz neue motivische Bildschöpfungen, bis dann im Auftrag der Reforma tion die religiös-politische Aussage propagandistisch in den Vordergrund tritt, Luther und sein Mitstreiter Georg III. von Anhalt (1507 - 1553) von Lucas Cranach dem Jüngeren (1515 - 1586) beispielsweise lebensgroß dargestellt werden, in einem Format, das vorher allenfalls dem höchsten Herrscher galt.
Als zweiter Beitrag zum Cranach-Jahr, nach der Eröffnung der Grafikausstellung, sind in diesem umfassenderen Zusammenhang nun die Coburger Cranach-Gemälde eindrucksvoll zusammengezogen. Aus der bedeutenden, 40 Objekte umfassenden Coburger Sammlung treten hier jetzt 27 in ihren geschichtlichen Zusammenhang, sind stärker in ihrem Verhältnis zur Politik ausgestellt. Direktor Weschenfelder will zudem bis Anfang 2018 seinen Cranach-Bestandskatalog veröffentlichen.
Kunstsammlungen der Veste Coburg: Kunst - Religion - Politik. Bilder und ihre Funktionen im Wandel. Neugestaltung der altdeutschen Sammlung mit Cranach-Schwerpunkt in der Steinernen Kemenate. Die historischen Bestände der Kunstsammlungen der Veste Coburg und die 2003 erworbenen Werke aus der Schweinfurter Sammlung Schäfer zeigen ein differenziertes und spannendes Bild von der spätmittelalterlichen Frömmigkeit über Aspekte des Kulturtransfers im frühen 16. Jahrhundert bis ins Zeitalter der Reformation anhand der herausragenden Bestände der Veste Coburg an Malerei, Skulptur, Münzen, Medaillen und Kunsthandwerk.
Öffnungszeiten Heute von 13 bis 16 Uhr, ab morgen täglich 9.30 bis 17 Uhr