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"Du hast keine Chance. Nutze sie!"


Autor: Simone Bastian

Coburg, Freitag, 20. April 2018

Simone Lange ist die Gegenkandidatin von Andrea Nahles um den SPD-Vorsitz. Zwei Tage vor dem Parteitag macht sie in Coburg Station.
Simone Lange, Kandidatin für den SPD-Bundesvorsitz, absolvierte am Freitagabend in Rödental ihre einzige Veranstaltung in Bayern. Das machte den Abend auch für überregionale Medien interessant - am Sonntag entscheidet der Parteitag in Wiesbaden. Foto: Simone Bastian


Das Medieninteresse ist groß, und das der Genossen auch: Über 70 Anmeldungen registrierten die beiden SPD-Kreisvorsitzenden Stefan Sauerteig (Stadtverband Coburg) und Carsten Höllen (Landkreis-SPD) im Vorfeld, außerdem hatten sich Fernseh-Teams angekündigt. Simone Lange, die Frau, die anstelle von Andrea Nahles Vorsitzende der SPD werden will, absolviert an diesem Freitagabend ihren einzigen Auftritt in Bayern, im Gasthof Sauerteig in Rödental.
Am Sonntag findet in Wiesbaden der Parteitag statt, bei dem - so es nach dem Parteivorstand geht - Andrea Nahles zur SPD-Vorsitzenden gewählt wird. Simone Lange hat ihre Kandidatur im Februar aus Protest erklärt, wie sie in ihrer gut einstündigen Rede erzählt: Denn Nahles, noch kein Mitglied des Parteivorstands, sollte damals schon kommissarische Vorsitzende werden, obwohl das laut Parteisatzung gar nicht geht. "Wenn wir unsere Satzung nicht ernst nehmen, wie sollen uns dann andere ernst nehmen?" fragt Simone Lange in das aufmerksam und mucksmäuschenstill lauschende Publikum im vollbesetzten Saal.
Eine Alternative zu Andrea Nahles - das ist auch das, was Michael Busch will. "Eine ,Pippi-Langstrumpf-Auf-die-Fresse-Ätschi-bätschi-Vorsitzende‘ will ich nicht - und viele andere Mitglieder auch nicht", sagt der Landrat und Landtagskandidat. Natürlich sei es normal, dass der amtierende Vorstand einen Kandidaten vorschlägt, betont Busch. Aber zur innerparteilichen Demokratie gehöre die Möglichkeit einer Gegenkandidatur, und er sei froh, dass Simone Lange dieses Unterfangen auf sich nimmt. "Wäre ich 15 Jahre jünger, hätte ich das, was Simone Lange jetzt macht, selbst veranstaltet." So hat er sie eben nach Oberfranken gelotst, hat den letztmöglichen Termin bekommen. Noch am späten Abend fährt Simone Lange von Rödental weiter nach Frankfurt.
"Wenn ich Bundesvorsitzende bin", dieser Satz fällt mehrmals, als sie davon spricht , dass die SPD sich erneuern, wieder zu einem Programm finden müsse, das auch die Wähler überzeugt. Im dunkelblauen Hosenanzug und weißen Sneakern redet sie frei und konzentriert. Ihr Thema ist die Partei, die wieder Glaubwürdigkeit erlangen müsse. 18 Prozent Stimmenanteil sind keine schöne Perspektive, und Simone Lange, 15 Jahre Polizeibeamtin, diagnostiziert Angst in ihrer Partei vor dem weiteren Abrutschen.
Gegen diese Angst wolle sie angehen, sagt sie. Mitglieder sollten nicht nur zur großen Koalition und allen möglichen anderen Fragen gehört werden, sondern auch zu der, wer den Vorsitz übernehmen solle, fordert sie und erntet lauten Applaus. Die Parteimitglieder müssten "Ziele definieren". "Zeit für Gerechtigkeit", der Slogan, mit dem die SPD mit Martin Schulz in den Wahlkampf 2017 gegangen war, "ist kein Ziel, sondern ein Zustand, den ich erreiche, wenn ich die richtigen Ziele definiere und umsetze!" Über 50 Anfragen für Auftritte habe sie nach ihrer Kandidatur erhalten, 20 nahm sie wahr, erzählt sie. Für sie sind es Tests, ob sie die Stimmung in der Partei trifft.
Offenbar schon. "Du bist die personifizierte Hoffnungsträgerin", sagt Michael Busch nach ihrer Rede. Die Stimmen der oberfränkischen Genossen, die an diesem Freitagabend in den Gasthof Sauerteig gekommen waren, hätte sie wohl sicher. Aber von den Zuhörern sind nur drei zum Parteitag delegiert: Die beiden Kreisvorsitzenden Carsten Höllein und Stefan Sauerteig sowie Jonas Merzbacher, Bürgermeister in Gundelsheim im Landkreis Bamberg. Er erklärt schon vor Beginn des Abends, dass er für Simone Lange stimmen werde, Stefan Sauerteig und Carsten Höllein tun es hinterher.
Den Rückhalt ihrer Basis hätten sie: "Du bist die bessere Lösung für eine Erneuerung der SPD", sagt Gerhard Leerfeld, langjähriges Parteimitglied und Vorsitzender in Untersiemau. Michael Busch erinnert an seinen eigenen ersten Landratswahlkampf: "Du hast keine Chance. Nutze sie."