Druckluft für mehr als 100 Länder
Autor: Matthias Litzlfelder
Coburg, Donnerstag, 05. Januar 2017
In Coburg sitzt einer der weltweit führenden Anbieter für Kompressoren: das bald hundert Jahre alte Unternehmen Kaeser - geführt in dritter Generation.
Es gibt Orte, da ist der Besucher nicht in der Stimmung, um Produkte aus fränkischer Produktion überhaupt wahrzunehmen. Der Behandlungsstuhl des Zahnarztes ist so ein Platz. Wenn der Doktor zum Bohrer greift, zieht sich bei den meisten Menschen eher der Magen zusammen.
Dabei ist dieser Bohrer nur imstande zu surren, weil sich zuvor etwas anderes verdichtet hat: die Luft, die den Bohrer antreibt. Druckluft, erzeugt von einem Kompressor - und dieser sehr wahrscheinlich in Oberfranken hergestellt.
Industrie und Bau
Die Firma Kaeser in Coburg ist einer der weltweit führenden Anbieter solcher Kompressoren und Druckluftsysteme. Zahnärzte spielen im Kundenstamm dabei eher eine Nebenrolle. Kaesers Druckluft treibt in erster Linie die Industrie an, mit großen Kompressor-Schränken. Daneben ist die Baubranche ein großer Abnehmer.Wer durch die Produktion auf der Bertelsdorfer Höhe in Coburg läuft, stößt gleich zu Beginn auf runde, schraubenförmige Teile aus geschliffenem Gusseisen. Sie sind das Herzstück für den Schraubenkompressor, das Hauptprodukt der Firma.
Technik in den USA gesehen
1973 war der Vater des heutigen Firmenchefs auf einer USA-Reise auf diese Technik gestoßen. Zuvor hatte das vom Großvater gegründete Unternehmen nur Kolbenkompressoren hergestellt, die nach dem Prinzip einer Fahrradpumpe arbeiteten, um die Luft zu verdichten. Neben Kältetrocknern, Filtern und Gebläsen wird diese Art von Kompressoren für kleine Handwerksbetriebe immer noch gefertigt. Gefragt sind aber vor allem die Schraubenkompressoren, wo zwei parallel angeordnete Schrauben (Rotoren) für die Verdichtung sorgen.
Mechanische Feinarbeiten
Gerade ist ein Mitarbeiter dabei, Haupt- und Nebenschraube in die Löcher des bereits gefertigten Metallgehäuses einzufügen. Ein Lastenkran hilft, die bis zu 300 Kilogramm schweren Teile zu heben. Bis dieser Teil der Fertigung ansteht, sind mechanische Feinarbeiten nötig. Die Rohteile aus Gusseisen werden maschinell gedreht, gefräst und auf verschiedene Weise geschliffen. Am Ende steht noch das Gewindeschneiden und Entgraten an.Die Kunst ist es, später im Metallblock den Abstand zwischen den Schrauben so gering wie möglich zu halten: 0,02 Millimeter. Sie müssen sich eng drehen, dürfen aber nicht schleifen.
Kaeser liefert solche Kompressoren in gelbem Gehäuse in die Industrieländer rund um den Globus. Der Exportanteil liegt bei 70 Prozent. "Die Unternehmen benötigen Druckluft ähnlich wie Strom, Öl oder Gas", sagt Thomas Kaeser, Geschäftsleiter und Gesellschafter des Coburger Unternehmens.
Anlagen werden geleast
Mehr als die Hälfte der 5500 Beschäftigten sind weltweit vor Ort in den Niederlassungen für Vertrieb und Service zuständig. "Sie brauchen jemanden, der vor Ort schnell zur Stelle ist und die Wartung einer Anlage übernimmt. Egal, ob im Bergbau in Chile oder auf einer Ölplattform im Pazifik", beschreibt Kaeser die Kundenwünsche.Seit einigen Jahren schon bietet das Familienunternehmen seinen Kunden an, nur noch für die Druckluft zu zahlen, die auch wirklich benötigt wird. Sie kaufen die Anlage nicht, sondern leasen sie. Kaeser kümmert sich um den Rest - und stellt immer die neuesten Anlagen. Dieses Contracting-Modell ist mehr und mehr gefragt.
300 Auszubildende
Im Rahmen von Industrie 4.0 werden solche Kaeser-Druckluftanlagen dabei immer vernetzter. Sie melden ständig Daten wie Temperatur oder Druck. Auffälligkeiten würden so bereits sehr frühzeitig erkannt, so dass Wartungseinsätze erfolgen könnten, noch bevor überhaupt ein Defekt auftrete, heißt es bei Kaeser.300 Auszubildende beschäftigt das Unternehmen aktuell. "Die brauchen wir auch, weil wir weiter wachsen", sagt Pressesprecherin Daniela Koehler.