Die Waldorfpädagogik wird in Coburg gelebt
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Donnerstag, 31. Januar 2019
Wie ganzheitliches Lernen in der Rudolf Steiner Schule funktioniert und wo eine Kinder ein Feld bestellen und ihre Lehrerin Popcorn für ihre Schüler macht.
Der Biss ins Brötchen am Ende ist sehr wichtig. Voller Stolz kauen die Kinder das braun gebackene Roggenlaibchen - wohl wissend, dass sie es selbst waren, die es zu dem gemacht haben, was es ist: ein vollwertiges, regionales und biologisches Lebensmittel.
Wenn Kirsten Wagner über "ihre" Drittklässler spricht, wird es der ambitionierten Waldorfpädagogin warm ums Herz. Wir marschieren über den Innenhof der Callenberg Farm, auf dem Weg zum angesäten Feld, das schneegezuckert da liegt. "Im Sommer wird der Roggen von den Kindern geerntet, im Herbst gedroschen und in kleinen Kaffeemühlen gemahlen. Aus dem Mehl wird dann das Brötchen gebacken. Es ist wichtig mit den Jahreszeiten zu leben", betont die Pädagogin.
Drittklässler im Umbruch
"Um das neunte Lebensjahr durchleben die Kinder eine neue Entwicklungsphase. Sie entfremden sich von der Welt, beobachten genauer, fühlen sich verunsichert, manchmal einsam, haben Ängste", erläutert Kirsten Wagner. Die Waldorfschule , in der ehemaligen Musterfarm von Herzog Ernst beheimatet, setzt deshalb das praktische Arbeiten in der dritten Klasse auf den Lehrplan. "Wir schlagen eine Brücke zu der Welt, mit der sich die Kinder wieder verbinden, in dem sie kräftig zupacken."
An der Rudolf Steiner Schule Coburg ist das unter anderem Feldarbeit. Zwei Stücke Land hat die Schule gepachtet und bestellt. Kirsten Wagner erinnert sich noch gut, wie Leni andächtig über das Feld ging und die Roggenkörner darauf warf.
Denkt sie an das zweite Feld, kommt ihr Elias in den Sinn. Er entdeckte erstaunt den ersten Bewohner in dem Steinhaufen, den die Kinder aus den gesammelten Feldsteinen gebaut hatten: Die Spinne wurde zur Attraktion. "Lucius war es wichtig, eine Igelhöhle unten in den Haufen hinein zubauen", erzählt sie.
Genannt wird das die Ackerbauepoche, in der die Kinder Jahreszeiten, Wachstumsprozesse und den Wert der eigenen Hände Arbeit schätzen lernen. So zog beispielsweise Johann mit den anderen Kindern zusammen die Egge übers Feld.
Einmal pro Woche schauen die Kinder mit der Lehrerin auf die Felder. Es wird Tagebuch geführt und die Schüler schreiben kleine Aufsätze darüber. Den Drittklässlern begreifbar machen, was das alles mit ihnen selbst zu tun hat, darum geht es. "Beim Thema Getreide serviere ich schon auch mal selbst gemachtes Popcorn", lacht Kirsten Wagner.