Druckartikel: Die Unwetter des 9. Juli 1926 in Coburg

Die Unwetter des 9. Juli 1926 in Coburg


Autor: Redaktion

Coburg, Donnerstag, 07. Juli 2016

Nur wenige Tage nach den heftigen Gewittern krachte es im Coburger Osten: Wie das Tageblatt vor 90 Jahren über die Folgen berichtete.
Nur noch Schlamm: die Leopoldstraße nach dem Unwetter am Abend des 9. Juli 1926.


Im folgenden Originaltexte aus dem Tageblatt vom 10. Juli 1926 (Mittagausgabe). Geschildert werden die Ereignisse vom Abend zuvor.


"Unwetterkatastrophe auch in Coburg - eine Schreckensnacht für die Betroffenen"

Coburg, 10. Juli. Zu den zahlreichen im Deutschen Reiche von den Gewittern und Wolkenbrüchen schwer heimgesuchten Städten und Ortschaften gehörten nun leider auch unsere Stadt und die Dörfer der näheren Umgebung. Das Unheil brach gestern abend 10 Uhr herein, als ganz unerwartet ungeheure Wassermassen aus dem Probstgrund, Pilgramsrot und vom Eckardtsberg in das Tal fluteten. Auf der Brandensteinsebene und auf dem Festungsberg war ein Wolkenbruch niedergegangen. Das Wasser flutete mit großer Gewalt in die Straßen der östlichen Stadt, Steine, Erde, Balken und andere Dinge mit sich reißend und die Erdgeschosse der tieferliegenden Häuser unter Wasser setzend.
In der Leopoldstraße floss das Wasser über einen Meter hoch, die Bwohner zum Teil im Schlafe überraschend, sodass für manche Lebensgefahr bestand. Alle unteren Räume waren mit Wasser gefüllt, sodass die Möbelstücke umherschwammen.

Von den höher gelegenen Straßen stürzte die Flut über den Schlossplatz durch die Herrngasse nach der Innenstadt, sodass er Marktplatz kurze Zeit lang 40 Zentimenter hoch unter Wasser stand. Die Spitalgasse glich gegen halb elf Uhr abends einem See, und auch dort drang das Wasser an der westlichen Seite in die Läden und Kellerräume. Der Tresorraum der Commerz- und Privatbank stand zwei Meter hoch unter Wasser. (Anmerkung: Die Bank teilte zwei Tage später mit, dass nur der Kohlenkeller überflutet war. Der Tresorraum sei sicher gewesen.)

Die Angerbesucher flüchteten, als das Wasser durch die Ketschengasse-Angerstraße nach dem Gregoriusfestplatz flutete. Die sofort alarmierte Feuerwehr legte energisch Hand an, ebenso eine Abteilung der Landespolizei, die die ganze Nacht über den in Wassersnot befindlichen Bewohnern der Leopoldstraße m it der Kraft- und anderen Spritzen Hilfe zu leisten hatten. Im Erdgeschoss des Hauses Schlossplatz-Leopoldstraße war ein im Schlafe befindlicher junger Mann in Lebensgefahr geraten, er wurde von den im Feuerwehrdepot wohnenden Feuerwehrmännern, die sich mit dem Seil aus dem oberen Stockwerk herunterlassen mussten, gerettet, ebenso musste an anderer Stelle eine Frau geborgen werden.


"Glück im Unglück"

Leopoldstraße und Schlossplatz sehen furchtbar aus; an der Kurve beim Schlossplatz gegenüber den Arkaden hat das Wasser das Erdreich auf etwa sechs Meter Länge zum Teil über einen Meter tief aufgerissen, sodass die Leitungen bloß liegen. Der Schlossplatz war heute früh mit Steinen und Gerölle dicht bedeckt. Probstgrund und Pilgramsrot geben ebenfalls ein Bild der Verwüstung.

Besonders schlimm wütete das Wasser in Ketschendorf, und auch in den östlichen Orten des Coburger Landes ging es böse zu, wie aus der Tatsache zu entnehmen ist, dass der Zugverkehr auf der Strecke Hof-Steinach wegen Dammunterspülung eingestellt werden musste. Coburgs Bewohner haben ein Unwetter hinter sich, wie es die ältesten Leute hier noch nicht erlebt haben und wie ein solches auch in keiner Chronik verzeichnet ist. Aber Glück im Unglück gab es doch: Es ist kein Menschenleben zu beklagen.


Ketschendorfer Spinnerei vernichtet

Ketschendorf, 10. Juli. Wassernot. Unsere Gemeinde wurde gestern nacht von einer Katastrophe heimgesucht, wie das wohl noch nie der Fall war. Das von uns wegen seiner Hochwassergefahr so sehr gefürchtete Seidmannsdorfer Tal brachte gegen halb zehn Uhr Wasserfluten von solcher Gewalt, dass Menschenkraft und Menschenwerk ein Nichts dagegen war. Die Wollspinnerei von Gruner u. Sohn A. G., wo die strömende und reißende Flut den ersten Widerstand fand, wurde wohl am ärgsten in Mitleidenschaft gezogen. Der dort angerichtete Schaden lässt sich heute noch gar nicht abschätzen, sicher ist, dass er weit über die Hundertausend gehen wird. Das mit starkem Mauerwerk umgebene Maschinenhaus wurde stellenweise eingedrückt, die im Unterraum befindlichen wertvollen Spezial-Spinnermaschinen standen bis zu zwei Meter unter Wasser, sie sind vollständig verschlammt und versandet. Sie wieder herzustellen wird wohl Monate dauern, ebenso stand die große Dampfmaschine völlig unter Wasser. Der Hof gleicht einem Trümmerhaufen. Der Betrieb wird wohl auf unabsehbare Zeit geschlossen bleiben müssen. Im Dorfe selbst waren die tieferliegenden Häuser über einen Meter hoch überschwemmt, die Bewohner mussten ihr Hab und Gut in Stich lassen, an ein Herausschaffen war nicht zu denken. Man musste nur darauf bedacht sein, das Vieh in Sicherheit zu bringen. Trotz aller Aufopferung der alarmierten Feuerwehr und der Nachbarschaft ist doch recht viel Kleinvieh in den Wassermassen umgekommen beziehungsweise mit fortgeschwemmt worden. Frl. von Carlowitz sind vier Ziegen ertrunken, Herrn Korbmachermeister Staffel zwei Ziegen und ein Schwein. Gartenzäune und Mauern wurden einfach weggeschwemmt. Die Landstraße vom Ketschendorfer Hof ab bis in die Mitte des Dorfes direkt aufgewühlt. Was sonst noch alles fortgeschwemmt ist, lässt sich erst später übersehen. Vorläufig stehen fast alle Keller unter Wasser.

Ws einesteils uns bei Hochwassergefahr von der Itz zum Nutzen gereicht, ward uns diesmal zum Verhängnis, das Wasser staute sich an dem (Bahn-) Damm, der Durchlass konnte wenig abführen. Übrigens kam die Flut mit einer solchen Schnelle, dass die Bewohner völlig überrascht wurden. Ein Lobstrich gebührt unserer Feuerwehr unter ihrem Kommandanten, Herrn Ernst Trommer, die wackeren Feuerwehrleute scheuten Wasser nicht, bis an die Burst wateten sie darin, um Hilfe zu bringen und zu retten, was irgend erreichbar war. Ein Glück war es, dass das Licht nicht versagte, sonst wäre der Schaden noch größer geworden, als er ohnedem schon ist.


Stau am Bahndamm

Niederfüllbach, 10. Juli. In Wassersnot geriet heute nacht unser Ort. Gegen halb elf Uhr fluteten ungeheure Wassermassen durch das Füllbachtal, die Straßen, Wohnungen, Ställe und Scheunen unter Wasser setzend. Dadurch, dass sich das Wasser am Bahndamm staute, war der Stand ein besonders hoher. Die Feuerwehr leistete tatkräftig Hilfe. Gegen 4 Uhr morgens ging das Wasser zurück. Vieh ist nicht umgekommen.


Straßen metertief unter Wasser

Frohnlach, 10. Juli. Unwetterschaden. Das gestern abend über die hiesige Gegend hereingebrochene Gewitter richtete hier und in den Nachbardörfern großen Schaden an. Die Straßen in den Orten Frohnlach, Ebersdorf und Großgarnstadt standen metertief unter Wasser. Das Unwetter kam so plötzlich, dass innerhalb 10 Minuten in den Ställen stellenweise das Vieh bis an den Bauch im Wasser stand. Das Wasser führte Gartenzäune, Bauholz und an den Bächen liegendes Brennholz mit, sodass die Wiesen heute nur so damit besät sind. Die Eisenbahnlinie Ebersdorf-Weidhausen-Neustadt ist bei Frohnlach durch Dammbruch unterbrochen. In Grub sind die Straßen metertief ausgespült. Auch Brücken wurden vielerorts weggerissen. Von den Feldner und Wiesen sind ganze Flächen Mutterbodens samt der Frucht fortgeschwemmt. In Großgarnstadt stand das Wasser etwa einen Meter höher wie im Jahr 1873.


Hochwasser auch im Maintal

Lichtenfels, 10. Juli. Der Zugverkehr ist auf der Strecke Lichtenfels-Bamberg unterbrochen. Wie mitgeteilt wird, ist die Brücke bei Ebensfeld durch das Hochwasser teilweise eingestürzt.