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Die Spielemacher aus Bad Rodach


Autor: Christian Pack

Bad Rodach, Mittwoch, 24. Sept. 2014

Bei der Firma Haba in Bad Rodach arbeitet auch ein Redaktions-Team "Spiel und Buch". Die Kreativ-Abteilung sichtet jedes Jahr etwa 800 externe Ideen - und erfindet auch selber Spiele.
In der Mittagspause spielt Miriam Koser (mitte) mit ihren Kolleginnen Christiane Hüpper (rechts) und Imke Storch unter anderem auch das Spiel "Feuerdrachen". Foto: Ronald Rinklef


Bei der Redaktion "Spiel und Buch" kommt mittags schon mal "Blokus" oder "Heckmeck" auf den Tisch. Das sind keine esoterischen Pausen-Übungen und auch keine exotischen Lebensmittel, sondern beliebte Brettspiele. Etwa drei bis vier mal pro Woche sitzen die Mitglieder des neunköpfigen Teams zur Mittagspause an dem runden Tisch in Sichtweite ihrer Schreibtische und lassen die Würfel fliegen. "Wir sind alle Spiel-Fans. Wir machen das sozusagen zur Entspannung", sagt Miriam Koser.

Koser ist Spiele-Redakteurin bei der Firma Haba. Wie ihre Kollegen ist die gebürtige Niederbayerin eine Quereinsteigerin, hat Kommunikations-Design studiert. "Eine spezielle Ausbildung zum Spiele-Redakteur gibt es nicht."
Das Team ist für die Spiele-, Bücher- und Puzzlewelt des Bad Rodacher Unternehmens verantwortlich.

Konkret heißt das unter anderem: eingesandte Ideen sichten, eine Auswahl treffen, Titel, Illustrationen, Figuren und Spielkarten skizzieren, illustrieren und entwickeln.

Die Redaktion "Spiel und Buch" ist in Bad Rodach (Landkreis Coburg) mit anderen Abteilungen in einem Großraumbüro untergebracht. Auf Vertrieb folgt der Einkauf, dann die Design- und zum Schluss die Spiele-Redaktion. Bereits auf dem Weg dorthin stapeln sich Stofftiere, Puppen, Lampen, Muster. In der Spiele-Abteilung herrscht dann, wie Koser es lachend ausdrückt, "das kreative Chaos".

Spielidee muss packen

Etwa 800 Vorschläge von externen Autoren gehen jedes Jahr bei Haba ein, unter anderem aus Frankreich, den USA und natürlich aus Deutschland. Die Spiel-Ideen, die teils sehr ausgereift sind, werden innerhalb des Teams genau unter die Lupe genommen. "Es kommt immer darauf an, dass uns die Spielidee packt." Ist dies der Fall, und kann das Konzept umgesetzt werden, wird das Spiel veröffentlicht. Wenn nicht, muss man den Autoren "schweren Herzens" absagen. Nur 30 bis 40 Kinderspiele werden in Bad Rodach jedes Jahr auf den Markt gebracht.

Koser und ihre Kollegen sichten, prüfen und testen aber nicht nur. Sie erfinden Spiele auch selbst. "Ohne Druck. Das würde den kreativen Prozess bremsen", betont sie. Die Redakteurin hat selbst schon eine Hand voll Spiele veröffentlicht. Unter anderem steht ihr Autorenname auf der Verpackung von "Badehase". Es erscheint im Herbst und ist ein Spiel für die ganz Kleinen. "Ich frage mich im Vorfeld immer: Was macht den Kindern Spaß, welches Thema kommt in ihrem Lebensumfeld vor oder was wollen die Eltern vielleicht spielerisch üben."

Prüfung in Testrunden

Die einzelnen Ideen fliegen Koser in Alltagssituationen zu, beispielsweise bei der Beobachtung von Kindern. "Deshalb habe ich immer ein kleines Notizbuch dabei." Dabei sei keineswegs sicher, dass eine Redakteurs-Idee auch umgesetzt wird. Der Kreativleiter des Teams hat das letzte Wort, und auch bei den hausinternen Vorschlägen wird in Testrunden geprüft, ob das Spiel Potenzial hat. Und natürlich muss auch immer aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten kalkuliert werden. "Manchmal zieht sich alles zwei Jahre hin. Das ist dann schon ein Getüftel. Wenn dann aber ein Spiel erscheint, vielleicht sogar das eigene, ist man schon auch etwas stolz."

Auch wenn die bunte Spielewelt Miriam Koser täglich von morgens bis abends einnimmt: Nach Feierabend nimmt das Würfel-Fieber bei der Redakteurin keineswegs ab. "Ich spiele auch privat recht viel. Ich denke, man muss für das Thema leben." Freunde und Bekannte seien zunächst immer erstaunt und gespannt, wenn sie von Kosers Beruf erfahren. "Da werden dann schon die Ohren gespitzt", sagt Koser, die sich einen Berufswechsel in der nächsten Zeit nicht vorstellen kann. "Ich bin einfach sehr gerne hier."

Die Firma Haba

Im April 1938 gründen Eugen Habermaaß und Anton Engel eine Fabrik für feine Holzwaren, die später "Habermaaß & Co.” heißt, und gemeinsam mit Karl Wehrfritz die Firma "Wehrfritz & Co." Die Firma produziert Spielwaren, Möbel, Accessoires und Außenspielgeräte. Insgesamt sind derzeit 1900 Mitarbeiter angestellt. Jedes Jahr investiert das Unternehmen 1,3 Millionen Euro in die Aus- und Fortbildung.

Das Spiel "Feuerdrachen"

Große Freude bei Haba: Das Brettspiel "Feuerdrachen" von Carlo Emanuele Lanzavecchia hat den "Deutschen Spielepreis" in der Kategorie "Bestes Kinderspiel 2014" gewonnen. Bei dem Spiel für zwei bis vier Spieler ab fünf Jahren werden Spieler zu Drachenreitern und begeben sich auf eine abenteuerliche Reise rund um den gefährlichen Vulkan Rubino. Wenn er ausbricht, gibt er funkelnde, rote Drachenrubine frei. Ziel ist es, die Rubine einzusammeln und seinen Feuerdrachen damit unbesiegbar zu machen. Damit dies gelingt, sind vor allem taktisches Geschick und Würfelglück gefragt.
Der "Deutsche Spielepreis" basiert auf der Auswertung aller abgegebenen Stimmen von Spielern, Journalisten, Fachgeschäften etc. durch ein unabhängiges Institut. Seit 1990 wird er jährlich vom Friedhelm Merz Verlag bei den Internationalen Spieletagen in Essen verliehen (in diesem Jahr ab dem 16. Oktober). Das Spiel "Feuerdrachen" kostet 29.95 Euro.

Das Spiel "Russian Railroads"

Gewinner des Hauptpreises und Träger des "Deutschen Spiele-Preises 2014" ist das Spiel "Russian Railroads". Es gewann in der Kategorie "Bestes Familien- und Erwachsenenspiel". Das Eisenbahnspiel ist für erfahrene Vielspieler, die sich in eine detailverliebte Eisenbahnwelt begeben, dabei Schienen im alten Russland legen und beim Studium des 24-Seiten-Regelwerks auf den Geschmack kommen. "Russian Railroads" kostet circ a 38 Euro.
Gewinner des "Deutschen Spiele-Preises 2014" für das Spiel mit der vorbildlichen Regel ist "Abluxxen" von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling (Ravensburger Spieleverlag).

Beruf: Spiele-Autor

Rund 350 Autoren sind in der Spiele-Autoren-Zunft (SAZ), einem internationalen Zusammenschluss von Spieleautoren, organisiert. Etwa 250 von ihnen haben bereits ein Spiel veröffentlicht, 150 mindestens drei Spiele. Allerdings arbeiten nur circa 25 Autoren "hauptberuflich" als Entwickler, können also davon leben. Hinzu kommen etwa 15 Autoren, die gleichzeitig als Verleger ihres eigenen Kleinverlags tätig sind. "Viele Spiele erscheinen heute in recht kleinen Auflagen im unteren vierstelligen Bereich. Die Chancen, vom Spiele-Erfinden zu leben, ist daher eher gering", sagt Aaron Haag von der Spiele-Autoren-Zunft. Erst wenn ein Spiel für einen Preis wie "Spiel des Jahres" nominiert wird oder ihn gewinnt, könne auch eine Auflage im sechsstelligen Bereich erreicht werden, in ganz wenigen Fällen auch darüber hinaus. "Um vom Spieleerfinden leben zu können, sollten jährlich mindestens 50 000 Spiele eines Autors verkauft werden", rechnet Haag vor.