Die Sehnsucht des Anselm Grün
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Donnerstag, 29. November 2018
Der Benediktinerpater Anselm Grün zeigte in der Morizkirche, welch heilsame Wirkung in den christlichen Festen steckt. Man muss sie nur zulassen.
Was wollen die Leute von Anselm Grün? Am Mittwoch füllte er die Morizkirche. Was tut der Geistliche? Er tut, was er tun soll, predigen. Auch im gesundheitlich angeschlagenen Alter von 73 Jahren noch immer intensiv und so oft er kann, und schriftlich hat er es seit 40 Jahren in über 300 Büchern getan.
Katholik in einem Luther-Gotteshaus? Spielte keinerlei Rolle, so wie in der Praxis, an der Basis, im Leben selbst viele der unterschiedlichen Interpretationen keine Rolle mehr spielen. Sonst hätte ihn das Evangelische Bildungswerk nicht gerade dahin eingeladen, wo Luther höchstselbst so einiges von sich gegeben hat. Dessen Predigten erhielt Anselm Grün als Dank für seinen Coburg-Besuch.
Ist der Benediktinerpater und langjährige Wirtschaftsmanager der Abtei Münsterschwarzach ein Heilsbringer, wie ihn die Menschen heute mehr denn je brauchen und suchen? Aber ja doch, wenn man ihn lässt. Sich selbst produzieren, das tut er allerdings nicht. Er predigt gehaltvoll, also mit viel Information und dann Ausdeutung im christlichen Sinne. Den Kick der Überraschung, des Außergewöhnlichen, der Erleuchtung, den bringt er allerdings nicht (mehr).
Weil er nämlich sehr, sehr erfolgreich war mit seiner Botschaft und jetzt sehr viele seine Methode praktizieren. Also gilt ihm zu Recht Verehrung. Schon vor dem einstündigen Vortrag musste Pater Anselm in der Morizkirche zahlreiche mitgebrachte Bücher signieren.
Was sagte Grün nun speziell diesmal in Coburg, denn er war ja nicht zum ersten Mal hier? Er wendete die von ihm für die christliche Lehre erschlossene Erklärungsmethode auf den Jahreslauf der Feste an. Schon lange in vorchristlicher Zeit aus dem Kreislauf der Natur als Akt der Zivilisation entwickelt, bewahrt und vermittelt er "Bilder der Seele", die heilen können, wenn man sich ihnen ernsthaft zuwendet.
Bilder und Symbole wirken
Dahinter steht unter anderem die Lehre Carl Gustav Jungs (1875 - 1961), der versuchte, analytisch in die Tiefe der Psyche zu gelangen und dabei die Wirkungsweise von "Archetypen", Symbolen und Bildern erklärte. Grün verband diese Methoden der Erkenntnis mit (fernöstlichen) Meditationspraktiken, wies also auch Wege der Anwendung.
Auch Anselm Grün ist in seiner psychologisch argumentierenden Vorgehensweise nicht unumstritten. Dass er Psychologie, andere Religionen, sogar Praktiken des Schamanismus zumindest ernsthaft prüft, wird ihm durchaus vorgeworfen. Da es Grün aber auf seiner Suche nach neuen spirituellen Impulsen gelang, eine zweifelsohne hilfreiche Seite der christlichen Lehre zu erschließen, blieben ihm stärkere Ausschläge des katholischen "Systems" erspart. Deshalb ist es ja so bedeutend und wurde auch von Dieter Stößlein, dem theologischen Referenten des Evangelischen Bildungswerkes, einführend zitiert, dass Papst Franziskus heuer Anselm Grüns Buch "Lebensmitte als geistliche Aufgabe" gerade dem kirchlichen Personal als Lektüre empfahl.