Druckartikel: Die Rosenau, das verschwundene Reich

Die Rosenau, das verschwundene Reich


Autor: Rainer Lutz

Rödental, Dienstag, 07. Januar 2014

Wie die Rosenau zu dem Ruf kommt, ein verschwundenes Reich zu sein, und warum es nicht so schlimm ist, wenn das Buch darüber nicht unter dem Weihnachtsbaum lag.
Für einen britischen Historiker steht Schloss Rosenau in einer Reihe mit verschwundenen Reichen Europas von der UdSSR bis Ruthenien. Er brachte ein Buch über "Das vergessene Europa" heraus, das an Queen Victorias Zeit in Franken erinnert. Foto: Rainer Lutz


Byzanz? Weg! UdSSR? Auch nicht mehr da. Ruthenien? Verschwunden, ehe es überhaupt richtig da war. Alt Clud? Da streiten sich die Wissenschaftler gar, ob es überhaupt je da war. Rosenau? Was, Rosenau? Tatsächlich taucht dieser Name auf in dem Buch "Verschwundene Reiche" von Norman Davies. Und tatsächlich handelt es sich um DIE Rosenau, unsere halt, die Rosenau bei Unterwohlsbach in Rödental.

Der britische Geschichtsprofessor Norman Davies hat ein fast 1000 Seiten umfassendes Buch geschrieben, über Reiche, die es nicht mehr gibt. Verschwundene Reiche eben. Dekorativ ist der Wälzer allemal. Er verdient es, durchaus, auf einem extra Tischchen in der Bibliothek präsentiert zu werden. Und auch das Thema ist ein interessantes.

Geheimnisvolle Regentschaften in Schottland kommen darin vor, über die kaum einer was weiß. Aber eben auch Reiche wie die einstige Sowjetunion, über die viel bekannt ist, weshalb das Kapitel im Geschichtswälzer von Davies eher mager ausfällt.

Aber die Rosenau als Reich, noch dazu als verschwundenes? Grad vorhin war sie noch dort, wo sie schon immer war. Weil Königin Victoria wohl eine Zeit lang England von hier aus regiert habe, sieht der Autor die Rosenau eingereiht in den Kreis der Reiche, über die er historisch Interessierte möglichst umfassend informieren möchte.
Eine Pflichtlektüre also für jeden Herzogtümler, Royalisten, Adelsfan, für jeden Coburger? Die Verflechtungen des Coburger Adels, die Davies eingehend beackert, mögen stimmen. Dass Coburg, die kleine Stadt an den südlichen Ausläufern des Thüringer Waldes (heute) hauptsächlich von der Holzwirtschaft lebt, stimmt nicht. Wenn an anderer Stelle Slowenien mit der Slowakei und der Dnjepr mit dem Dnjestr verwechselt wird, mag das an der Übersetzung liegen oder nicht - es sind Tiefschläge gegen das Vertrauen in die gesamte gigantische Arbeit, die in dem Buch steckt.

Vielleicht sollte, wer sich für "Verschwundene Reiche" interessiert, die englische Originalausgabe zur Ansicht kommen lassen und vor allem den Teil über die Rosenau genau studieren. Schafft das ausreichend Vertrauen, kann das Buch eine fesselnde Lektüre für einen romantisch angehauchten Geschichtsfreund sein, vielleicht ein paar Anregungen für zu planende Bildungsreisen geben oder einfach gut unterhalten.

Ansonsten muss man sich die Investition von knapp 40 Euro für die deutsche Übersetzung schon überlegen. Die Rosenau dagegen ist immer einen Besuch wert, ganz für sich allein betrachtet. Wenn dabei im Hinterkopf noch so ein wenig herumgeistert, dass von hier einst ein wenig Weltpolitik ausging, ja Weltgeschichte geschrieben wurde, dann kann es den Besuch nur noch ein wenig schöner machen.

Der Autor

Norman Davies wurde 1939 in Bolton, Lancashire, (England) ist ein britischer Historiker, der unter anderem auch in Polen Geschichtsforschung betrieb. Er wurde vor allem mit umfangreichen Gesamtdarstellungen zur Geschichte Europas, bekannt. Davies studierte am Magdalen College der University of Oxford Geschichte. Ab 1971 lehrte Davies osteuropäische Geschichte an der University of London. Von 1985 bis 1996 als ordentlicher Professor. Davies lehrte außerdem als Gastprofessor an zahlreichen Universitäten weltweit. Seit 1996 ist er emeritiert und Fellow am Wolfson College in Oxford.