Druckartikel: Die Max-Brose-Straße kommt: Live bei der Entscheidung im Stadtrat Coburg

Die Max-Brose-Straße kommt: Live bei der Entscheidung im Stadtrat Coburg


Autor: Simone Bastian

Coburg, Donnerstag, 21. Mai 2015

Heute wurde im Stadtrat darüber entscheiden, dass die Von-Schultes-Straße in die Max-Brose-Straße umbenannt wird. Unsere Reporter sind live vor Ort.
Warten auf die Entscheidung des Stadtrats Foto: Simone Bastian


Liveblog von der Stadtratssitzung in Coburg:


15:18 Uhr:

"Meine Hoffnung ist, dass mit der heutigen Mehrheitsentscheidung des Stadtrates auch eine Rückkehr zum normalen politischen Alltag in Coburg möglich ist", sagt Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD).
Vermutlich wird eine Straße im "Band der Wissenschaft" am ehemaligen Güterbahnhof nach dem Historiker und Archivar Johann Adolf von Schultes benannt, wenn das Gebiet erschlossen ist.
Nachfragen sind nach dem Statement nicht mehr zugelassen. Tessmer bedankt sich für die Aufmerksamkeit und geht.


15:12 Uhr:

Die Journalisten versammeln sich in der Regimentsstube. Auch Michael Stoschek ist gekommen. OB Tessmer will gleich ein Statement abgeben.


15:02 Uhr:

Alle Medienvertreter stürzen sich auf Michael Stoschek. Er zeigt sich erfreut über das Abstimmungsergebnis. Damit erfahre sein Großvater Max Brose eine verdiente Ehrung.
In wenigen Minuten will OB Tessmer noch eine Erklärung abgeben.


14:58 Uhr:

Namentliche Abstimmung 26:11 Stimmen für Max-Brose-Straße. Es wird also eine Max-Brose-Straße geben.


14:50 Uhr:

Nun geht"s weiter! René Hähnlein fehlt immer noch - angeblich wegen eines Justiztermins in Bamberg.

Gabriele Morper-Marr (SPD) stellt einen Geschäftsordnungs-Antrag und beantragt öffentliche Aussprache, da das Thema auch bislang schon öffentlich diskutiert wurde. Deshalb habe die Öffentlichkeit ein Anrecht darauf, zu hören, was die Stadträte denken. Wieder hält Amend die Gegenrede - es wurde bereits abgestimmt, und die Aussprache hat stattgefunden. Der Antrag wird mit 7 zu 30 abgelehnt.

Nun kommt der Antrag auf namentliche Abstimmung. Keine Gegenrede. Es sind fast alle dafür.


13.59 Uhr:

Nun beginnt im verschlossenen Saal die Diskussion. Die Spannung im Vorraum steigt.


13.48 Uhr:

Michael Stoschek ist eingetroffen. Aber immer noch tagt der Stadtrat hinter verschlossener Tür. Die Diskussion über die Max-Brose-Straße hat noch nicht begonnen.


13.36 Uhr:

Langsam füllt sich der Vorraum vom Rathaussaal. Etliche Journalisten sind da, auch der "Gurken-Gerald", eins der Coburger Originale ist eingetroffen. Laut der Auskunft von Stadtratsmitgliedern, die kurz mal die Sitzung verlassen, dauert es noch. Derzeit ist der Stadtrat bei Tagesordnungspunkt 5 in der nichtöffentlichen Sitzung. Die Diskussion über die Max-Brose-Straße steht unter Punkt 7.


13:12 Uhr:

Nun ist Sitzungspause - danach beginnt der nichtöffentliche Teil. Dort wird unter Punkt 7 diskutiert, ob man den Firmengründer Max Brose mit einem Straßennamen ehren soll. Brose gründete seine Firma 1908 in Berlin und siedelte nach dem Ersten Weltkrieg nach Coburg über, wo er mit Hilfe eines Partners das Metallwerk Hausknecht kaufte. Er engagierte sich auch politisch in seiner neuen Heimat, war in der Deutschen Volkspartei (DVP) und gehörte auch einige Jahre dem Coburger Stadtrat an (1924 bis 1927). Als die DVP aufs Reichsebene eine Koalition mit der SPD einging, löste sich der Coburger Ortsverband auf. Brose ging zuerst zur Nationalliberalen Landespartei Bayern und, als die sich 1927 auflöste, zur DNVP. 1933, einige Monate nach der "Machtergreifung" der Nazis, wurde er Mitglied der NSDAP.

Er war IHK-Präsident von 1933 bis 1941, ab 1938 Wehrwirtschaftsführer, und sein Werk beschäftigte Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter, weil es in die Rüstungsproduktion eingebunden war. Nach dem Krieg musste sich Brose, wie jeder männliche Deutsche über 18 Jahren, einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen, das heißt, er musste zunächst einen Fragbogen ausfüllen. Für viele blieb es dabei, wer aber in der Partei war, für den begann in der Regel ein Spruchkammerverfahren, bei dem untersucht wurde, wie weit der Betroffene ins Nazisystem verstrickt war. Laut Wikipedia fanden in der amerikanischen Besatzungszone, zu der Bayern gehörte, rund 900.000 Spruchkammerverfahren statt. Max Broses Verfahren endete 1949 mit der Einstufung "Mitläufer". Für seinen Enkel Michael Stoschek, den Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung von Brose-Fahrzeugteile, ist das so gut wie ein Freispruch. Denn die Akte enthält auch Zeugenbekundungen, wonach Brose einen Beschäftigten, der Kommunist war, vorm KZ bewahrte, oder dass er die Coburger Industriellen gegen Kriegsende aufforderte, Maschinen und Anlagen entgegen dem "Führerbefehl" nur vorübergehend unbrauchbar zu machen. Die Nazis hatten verlangt, dass alles zerstört werden solle, bevor es den Alliierten in die Hände fallen konnte.

Eine Mehrheit des Stadtrats dürfte der Ansicht sein, dass das Lebenswerk Max Broses genügt, um über die Schattenseiten seiner Biografie hinwegzusehen. Eine Minderheit ist der Ansicht, dass jemand, der nachweisbar ins Nazi-System verstrickt war, nicht mit einem Straßennamen geehrt werden sollte, auch wenn er sich persönlich nichts zuschulden kommen ließ. Denn Coburg selbst hat in dieser Hinsicht eine problematische Vergangenheit: Es war die erste Stadt mit einer nationalsozialistischen Stadtratsmehrheit (1929) und einem Nazi als Erstem Bürgermeister (1931).


12.35 Uhr:

Coburg bietet den Gemeinden im Landkreis Dienstleistungen an: Lautertal und Großheirath wollen "auf dem Gebiet des Personenstandswesens", das ist das Standesamt, mit Coburg zusammenarbeiten. Die Gemeinderäte von Lautertal und Großheirath haben das schon beschlossen. Auch der Coburger Stadtrat muss einverstanden sein. Es gibt keine Gegenstimme gegen das "personenstandsrechtliche Kompetenzzentrum" (Dritter Bürgermeister Thomas Nowak, SPD) in Coburg. Für die Bürger in den genannten Gemeinden ändert sich nichts: Sie können weiterhin dort heiraten oder ihre Anträge abgeben.


12.26 Uhr:

Nun kommt normales Stadtratsgeschäft: Abschluss einer Planungsvereinbarung mit dem Wasserwirtschaftsamt über den Itzausbau zwischen Dammweg und Heilig-Kreuz-Straße. Die Stadt muss allein für die Planung 350.000 Euro zur Verfügung stellen. Martina Benzel-Weyh (Grüne) weist darauf hin, dass man sensibel mit dem Grün am Fluss umgehen solle. Stadtbauamtsleiter Karl Baier erwidert, dass der Stadtrat die Planungen am Ende ja auch genehmigen muss.

Zwischendurch fragt OB Tessmer, ob man ihn hören kann. Die Sprechanlage im Rathaussaal ist an ihren Grenzen, trotzdem ist hinten im Zuschauerbereich nicht alles zu verstehen.

Außerdem werden über- und außerplanmäßige Ausgaben des Haushaltsjahr 2013 genehmigt. Das sind reine Protokollentscheidungen: Nur, wenn diese Ausgaben genehmigt sind, kann das Haushaltsjahr 2013 abgeschlossen und geprüft werden.

Und: Hans-Heinrich Eidt (FDP) trifft ein.



12.19 Uhr:

Dann geht es sehr flott weiter. Vier Anträge landen einstimmig im Geschäftsgang, unter anderem der, das Projekt "Stolpersteine" fortzuführen. Mit den "Stolpersteinen" wird an Menschen erinnert, die in Coburg von Nazis misshandelt, inhaftiert, vertrieben oder deportiert und getötet wurden.

Außerdem beschließt der Stadtrat einstimmig, dass die Stadtverwaltung ein Konzept erarbeiten soll, wie die Coburger Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgearbeitet werden könnte.



12.15 Uhr:

Die Sitzung hat begonnen. Es fehlen entschuldigt die Stadtratsmitglieder Bettina Lesch-Lasaridis (SPD), Max Beyersdorf (CSU), Hans-Heinrich Ulmann (CSB). Hans-Heinrich Eidt (FDP) und René Hähnlein (Linke/SBC) werden noch erwartet. Somit fehlen aus dem bislang bekannten Befürworter-Lager gleich vier Stadträte.

Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD) beantwortet zunächst eine umfangreiche Anfrage von vier Stadtratsmitgliedern von drei Grünen- und einem SPD-Mitglied. "Mit der Straßenumbenennung soll nicht die Firma Brose Fahrzeugteile geehrt werden, sondern die Person Max Brose als Förderer des öffentlichen Wohls".

Ein Geschäftsordnungsantrag, auch die Diskussion über die Straßenumbenennung öffentlich zu führen, scheitert mit 12 zu 24 Stimmen. Aus der SPD-Fraktion stimmt nur Thomas Nowak dagegen. Beantragt hatte das Petra Schneider (SPD). Die Gegenrede hält Gerhard Amend (CSB): Wenn es um Ehrungen geht, ist es so geregelt, dass es nichtöffentlich zu behandeln ist. Es gehe dabei um das Persönlichkeitsrecht, und "das gilt auch nach dem Tode fort". Deshalb müsse eine solche Ehrung, in diesem Fall die Straßenumbenennung, nichtöffentlich zu führen. "Sonst wäre eine offene Aussprache, auch über Fehlverhalten, nicht möglich."


12:03 Uhr:

Es haben sich einige Gegendemonstranten gegen eine Max-Brose-Straße versammelt, darunter Jürgen Apfel, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Coburg. Ihm gegenüber stehen Mitglieder mit Schildern "IG Metaller bei Brose für Max-Brose-Straße". Auch Michael Stoschek, der Vorsitzende der Gesellschafter-Versammlung von Brose-Fahrzeugteile, zeigte sich bei den Demonstranten für eine Max-Brose-Straße und wurde mit Beifall begrüßt.