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Die Körpermacher aus Thann


Autor: Rainer Lutz

Thann, Sonntag, 29. Januar 2017

Bei der Dollbody Manufaktur in Thann werden Puppenkörper noch wie vor 100 Jahren hergestellt. Kunden in aller Welt wissen diese Handwerkskunst zu schätzen.
Alexander Meier betrachtet einen Puppenkörper, der von Helene Träger zum Stopfen vorbereitet wird. Foto: Rainer Lutz


Es ist über 100 Jahre her, dass Wildenheid der Ort der Puppenstopfer war. Im 19. Jahrhundert wurden dort die Körper für Puppen gemacht, die dann in Sonneberger Unternehmen Köpfe, Arme und Beine bekamen und von dort auf den Markt gingen. 21 Familien lebten früher von der Herstellung der Puppenkörper. Eine von ihnen war die heutige Familie Meier.

Jetzt ist sie die letzte, die noch immer genau so arbeitet wie damals. Inzwischen ist der Firmensitz von Wildenheid nach Thann verlagert und die Firma heißt ein wenig weltläufiger Dollbody Company.


Meier Puppenkörper aus über 100 Jahren sind noch oft an Puppen von Kämmerer & Reinhardt, König & Wernicke oder Armand Marseille zu finden. Alexander Meier führt das Unternehmen in fünfter Generation. In Handarbeit werden noch immer Puppenkörper hergestellt, die sich auf den ersten Blick nicht von denen unterscheiden, die sein Großvater gemacht hat. Das wissen Kunden in aller Welt zu schätzen.


Kleine Stückzahlen nach ganz speziellen Wünschen


Alexander Meier hat Abnehmer in Südafrika, Australien, den USA, England oder Spanien ebenso wie in Deutschland. Sie wissen, dass sie bei ihm auch kleine Stückzahlen nach speziellen Wünschen bestellen können. Und sie schätzen die Qualität der Puppenkörper aus Thann, wie die Auftragslage zeigt. Die Teile der Puppen, vom Stoff übers Garn bis zu Gelenken und kleinsten Federn, kauft Alexander Meier alle in der Region. Das ist ihm wichtig. Und es ist vor allem deswegen möglich, weil es noch eine ganze Reihe von Möbelherstellern hier gibt, die ähnliche Sachen brauchen.


Puppen zum Selbermachen


"Wir liefern auch viel an Online-Shops, die Puppen zum Selbermachen anbieten", verrät der Chef. Dass Kunden rund um den Globus das kleine Unternehmen mit gerade acht Mitarbeitern inklusive Chef mit Aufträgen eindecken, hat für Alexander Meier einen guten Grund: "Wir machen das, was die Leute in China nicht kriegen."
Bei so viel weltweitem Handel sollte Meier angesichts von Brexit und neuer US-Marktpolitik nervös werden.

Doch: "Es klingt vielleicht komisch, aber in Krisenzeiten verkaufen wir mehr als sonst." Möglicherweise suchen die Menschen angesichts des weltweiten Chaos nach etwas Beständigem, einem Relikt einer heilen Welt, einer Puppe eben.


Tatsächlich stellt Meiers Firma auch komplette Puppen her. Besondere Puppen. Sie dienen Lehr- oder Therapiezwecken. Wenn Krankenschwestern oder Hebammen in der Ausbildung den Umgang mit Babys üben, dann halten sie nicht selten eine Puppe im Arm, die in Thann handgefertigt wurde.


Und wenn sie nach ihrer Ausbildung angehende Eltern unterweisen, wie sie ihren Nachwuchs halten, tragen oder in die Badewanne setzen sollen, dann kommen wieder Puppen aus Thann ins Spiel. "Die haben auch extra das Gewicht, wie ein echtes Baby", erklärt Alexander Meier. Das spielt ebenfalls eine Rolle bei Tragepuppen, die benutzt werden, um Tragetücher oder -gestelle zu erproben, mit denen Eltern ihre Säuglinge am Körper tragen können.


Spezialfall Rebornpuppe

Die sogenannten Rebornpuppen haben nicht nur das Gewicht, sie sind so detailverliebt gemacht, dass sie auf den ersten Blick wirklich wie ein echtes Baby aussehen. Daher werden sie sogar bei Filmaufnahmen verwendet, wo kein lebendes Kind eingesetzt werden kann. Die Körper für solche Puppen kann Alexander Meier mit seinen Leuten natürlich selbst herstellen. Doch Arme, Beine und Kopf muss er zukaufen. Das ist nicht immer einfach. "Da muss ich halt nehmen, was gerade auf dem Markt ist. Aber für solche Puppen geht nicht jedes Gesicht", erklärt er.


Ideen hat der Puppenmacher reichlich, der eigentlich gelernter Toningenieur ist und früher mit Weltstars wie Tom Jones als Tonchef auf Tournee ging. Aber zurzeit ist die Auslastung der Dollbody Manufaktur so gewaltig, dass dafür wenig Spielraum bleibt.

Eine Anregung einer Kundin hat er aber trotzdem schon umgesetzt und fertigt, im Augenblick noch eher nebenbei, Schabracken für Pferde, die unter Sattel oder Zugzeug gelegt werden.


Wer weiß, vielleicht wird ja daraus mal ein weiteres Standbein für die Firma, wenn Puppen mal nicht mehr so gefragt sind. Bis dahin aber kommen noch jede Menge in Thann gefertigte Puppenkörper auf den Weltmarkt.