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Die Geschichte eines Verbrechen als Coburger Musical-Premiere


Autor: Dr. Carolin Herrmann

Coburg, Sonntag, 15. März 2015

Taugt die Geschichte eines brutalen Verbrechens als Stoff für ein Musical? Stephen Dolginoffs "Thrill Me" verwandelt die Ermordung eines 14-jährigen Jungen in ein Bühnenstück, das in der Coburger Reithalle Premiere feierte.
Packendes Kammerspiel: Richard Loeb (Andreas Langsch, links) und Nathan Leopold (Manuel Dengler) in "Thrill Me". Stephen Dolginoffs Musical feierte Premiere in der Coburger Reithalle. Foto: Andrea Kremper


Eine extreme Geschichte. Ein extremes Stück Theater, für das die Bezeichnung "Musical" verharmlosend wirkt. Stephen Dolginoffs "Thrill me", Premiere am Samstag in der Reithalle, geht in mehrfacher Hinsicht an die Nieren. Die scheußliche Geschichte der Ermordung eines 14-jährigen Jungen durch zwei 18- und 19-Jährige 1924 im Bundesstaat Indiana, für die auch über 30 Jahre später kein nachvollziehbares Motiv zu finden war, hat der amerikanische Komponist in sehr "schöner" Musik nachvollzogen. Uraufführung 2003 in New York.


In der packenden Coburger Inszenierung durch Regieassistentin Constanze Weißknecht und in der mit wenigen Mitteln gleichzeitig wirkungsvoll variablen Ausstattung Susanne Wilczeks öffnet Dominik Tremel am Flügel den tiefgründigen emotionalen Raum für die äußeren und vor allem inneren Ereignisse um Nathan Leopold und Richard Loeb: dramatisch treibend, jazzig den

Herzrhythmus packend, in lyrischen, geradezu klassischen Passagen innehaltend. Im Rückblick lassen die jungen Mörder eingängig melodiös und verführerisch im Duett in ihre Seelen blicken. Das muss man als Zuschauer, fasziniert und entsetzt zugleich, aushalten.


Wir sehen dabei auf das, was dem Menschen in Auseinandersetzung mit sich selbst am meisten schaudert - oder schaudern lassen sollte: die Veranlagung zum puren Bösen.

Das absolut Böse

Richard Loeb (Andreas Langsch) in jugendlicher Allmachtsfantasie und Selbstübersteigerung giert nach immer weiterer Erregung im Verbrechen. Die Figur ist absolut eindimensional gezeichnet, was man der Inszenierung vorwerfen könnte, die gestisch durchaus auch subtiler agieren könnte. Doch die historischen Gerichtsakten brachten tatsächlich keine anderen Motive zutage.


Diesem Egomanen ist der sensible, kluge Nathan verfallen; er lässt sich endlos demütigen und geht doch immer weiter mit. In Manuel Denglers vielschichtiger Darstellung erkennen wir die Tragik einer bedingungslosen Liebe, die fehlgeleitet wird. Das absolut Gute, ausweglos geknüpft an das absolut Böse. Das Ringen dieser Grundmächte endet - realistisch. "Alle wollen Richard, doch keiner so wie ich". Dieses lapidare Sätzchen Nathans wird allerdings noch für eine überraschende Wende sorgen. Welche die Geschichte allerdings noch entsetzlicher wirken lässt.


Manuel Dengler und Andreas Langsch sind derzeit mit Gastverträgen in "Hair" verpflichtet. Beide sind gesanglich vielversprechende Begabungen, die mit ihren ausdrucksvollen Stimmfärbungen und ihrer souverän natürlichen Gesangsführung sehr suggestiv wirken. Wobei Manuel Dengler hier die Last der großen, in sich ja widersprüchlichen Partie zu tragen hat. Und sie meistert.



Die nächsten Termine



Stephen Dolginoff "Thrill Me" - 18., 24., 31. März, 20 Uhr, Theater in der Reithalle.