Deutscher Berlinale-Beitrag: Entscheidung über Tod und Leben
Autor: Berthold Köhler
Berlin, Montag, 15. Februar 2016
Taugt das Thema Spät-Abtreibung für die Leinwand? Mit "24 Wochen" liefert das deutsche Kino einen gewichtigen Berlinale-Beitrag.
Nur ein Beitrag im Wettbewerb. Die quantitativ schwache Präsenz des deutschen Films bei den 66. Internationalen Filmfestspielen war unbestritten ein Thema in den ersten Festivaltagen. Jetzt, wo "24 Wochen" gelaufen ist, sind die kritischen Stimmen leiser geworden. Denn lieber einen richtig guten deutschen Film wie "24 Wochen" gesehen, als drei, vier mittelmäßige bis schlechte - wie leider schon viel zu oft bei der Berlinale.
"24 Stunden", der Hochschul-Abschlussfilm der gebürtigen Erfurterin Anne Zora Berrached, ist allerdings kein leicht verdauliches Stück Kino. Julia Jentsch ("Sophie Scholl - die letzten Tage") und der zu Unrecht als Serien-Klamaukist belächelte Bjarne Mädel ("Stromberg", "Mord mit Aussicht") spielen ein Vorzeige-Paar aus der Promibranche: Astrid ist als Comedian auf dem aufsteigenden Ast, ihr Freund Markus betreut sie als Manager. Sie haben ein traumhaftes Leben, bei dem selbst Astrids Schwangerschaft nicht stört. Nein: Sie ist gut, weil man damit so schön Comedy-Programm machen kann. Als sich jedoch bei Untersuchungen herausstellt, dass Astrids Kind schwerstbehindert auf die Welt kommen wird, steht das Paar vor der Entscheidung über Leben und Tod des Ungeborenen.
Berracheds phasenweise kaum erträglich nahes Drama tut gut daran, zum komplexen Thema der Spät-Abtreibungen keine explizite Stellung zu beziehen. Der Film zeigt ein Paar in einer Extremsituation, bei der es niemals eine richtige oder falsche Entscheidung geben wird. Da leidet man mit. Und das muss auch so sein. Das Schicksal geht dem Zuschauer auch deshalb nahe, weil die beiden Hauptdarsteller exzellent spielen und in jeder Sekunde glaubwürdig und lebensnah wirken.
Beginn eines Imagewandels?
Kommt dies bei der schon mehrfach in Berlin bejubelten Jentsch in ihrer freilich dankbaren (weil schmerzhaften) Rolle wenig überraschend, so könnte Bjarne Mädels Rolle in "24 Wochen" der Beginn eines karrierefördernden Imagewandels werden. Ob der Film in die Kinos kommt oder ausschließlich im Fernsehen zu sehen sein wird, steht noch in den Sternen. Eine wenig überraschende Auszeichnung für "24 Wochen" im Rahmen des Berlinale-Wettbewerbes wäre da sicher mehr als nur ein Fingerzeig in Richtung Kino-Leinwand.
"Jeder stirbt für sich allein"
Eher verhalten waren dagegen die Reaktion auf das Kriegsdrama "Jeder stirbt für sich allein", lose angelehnt an das schon mehrfach verfilmte gleichnamige Hans-Fallada-Buch. Emma Thompson und Brendan Gleeson ("Braveheart") spielen das Ehepaar Anna und Otto Quangel, das nach dem Tot seines Sohnes an der Front mit selbstgeschriebenen Postkarten Stimmung gegen das Hitler-Regime macht. Die Quangels hießen in Wirklichkeit Otto und Elise Hampel. Sie wurden nach zwei Jahren Kampf im Widerstand erwischt und 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Das könnte eine Grundlage für großes Kino sein.Das wird es aber nicht. Es ist eben alles ein bisschen klischeehaft und Hollywood-like, was der aus der Schweiz stammende Regisseur, Vincent Perez, seinem Zuschauer da serviert. Sogar eine Schauspiel-Ikone wie die mehrfache Oscar-Preisträgerin Emma Thompson wirkt als desillusionierte Mutter seltsam eindimensional. Immerhin - große Namen ebnen den Weg ins Kino: "Jeder stirbt für sich allein" (oder: "Alone in Berlin", wie der Originaltitel heißt) wird ab Anfang September in Deutschland zu sehen sein.