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Der Tankstellenräuber in Coburg gibt Rätsel auf


Autor: Oliver Schmidt

Coburg, Montag, 19. Mai 2014

Eine Sachverständige beschreibt den 20 Jahre alten Angeklagten als "Tagträumer". Doch welche Rolle spielte beim Überfall seine Drogensucht? Der Prozess am Landgericht zieht sich deshalb in die Länge.
Auch dieses Foto aus der Überwachungskamera hat geholfen, den Überfall auf die Tankstelle in der Bamberger Straße schnell aufzuklären. Die beiden Täter sind jetzt wegen schweren Raubs angeklagt. Foto: Polizei


Eigentlich sollten am Montag, dem dritten Verhandlungstag, bereits die Plädoyers gesprochen werden und - im Idealfall - vielleicht auch schon das Urteil. Doch der Prozess gegen zwei junge Männer, die im Oktober 2013 eine Tankstelle in Coburg überfallen haben, verzögert sich. Allerdings nicht wegen der kleinen Panne, die am Montagmorgen passiert ist, sondern weil schlichtweg noch weitere Zeugen gehört werden sollen.

Vorsitzender Richter Gerhard Amend will sich vor allem ein noch genaueres Bild von dem angeklagten 20-Jährigen aus Seßlach machen. Bei ihm besteht - im Gegensatz zum 26 Jahre alten Mittäter aus dem Landkreis Lichtenfels - die Chance, dass er noch nach dem (etwas milderen) Jugendstrafrecht verurteilt werden könnte. Außerdem behauptet der 20-Jährige, dass er ein massives Drogenproblem habe, was ebenfalls strafmildernde Folgen haben könnte. Doch Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein hatte am ersten Verhandlungstag Zweifel an einem Suchtproblem geäußert.

Ergebnis von Haarprobe

Aufschluss sollte deshalb nun eine Haarprobe geben. Das Ergebnis wurde am Montag präsentiert - und brachte nur bedingt Aufschluss. Ein regelmäßiger Konsum von Crystal Speed etwa, so hieß es, sei seit etwa fünf Monaten denkbar.

Mehr Informationen zum Zustand und zur Persönlichkeit des 20-Jährigen ergaben sich durch zwei Gutachten, die ebenfalls gestern vorgestellt wurden. So berichtete eine Sachverständige, dass der vaterlos aufgewachsene Angeklagte nach dem Auszug aus der Wohnung seiner Mutter binnen drei Monaten "schlagartig abgestürzt" sei. Er habe zwar Pläne gehabt, in Rödental einen Club mit Shisha-Bar zu eröffnen. Doch letztlich sei bei dem 20-Jährigen vieles nur "Show" und "Imponiergehabe". Er weise "deutliche Reiferückstände" auf, weshalb ihrer Meinung nach noch das Jugendstrafrecht angewendet werden könne.

Die Sachverständige bezeichnete den 20-Jährigen als "Tagträumer." Ihm fehle es an Realitätssinn, und er fühle sich "zu Besserem berufen". Wobei etwas "Besseres" nicht unbedingt etwas Legales sein muss. Denn: "Er würde sich gerne als erfolgreichen Kriminellen sehen." Zumal er Straftaten durchaus als etwas "Tolles" ansehe, mit dem er prahlen könne.

Genau dieses Verhaltensmuster war es ja auch, das dem 20-Jährigen im vergangenen Herbst zum Verhängnis wurde: Denn gegenüber einem Bekannten hatte er mit dem Überfall geprahlt. Der Bekannte informierte die Polizei. Die beiden jungen Männer wurden festgenommen. Sie waren auch sofort geständig.

Warten auf den Angeklagten

Seitdem sitzen die beiden in Untersuchungshaft; der eine in Kronach, der andere in Bamberg. Und damit zur Panne: Der in Bamberg einsitzende 26-Jährige war zum Verhandlungsbeginn um 9 Uhr nicht da. Es stellte sich heraus, dass man in der Justizvollzugsanstalt (JVA) den Termin vergessen hat. Deshalb erlaubte sich Gerhard Amend auch einen ganz besonderen Hinweis, als er den Montag, 26. Mai, 9 Uhr, als Termin für den vierten Verhandlungstag bekanntgab: "Die Vorführbeamten notieren sich das bitte ganz genau!" Grundsätzlich gab sich Amend aber gelassen: "Früher hätte ich geschimpft - aber jetzt bin ich kurz vor der Pensionierung..."

Sehr viel mehr ärgerte er sich da schon über die widersprüchlichen Aussagen des 20-Jährigen, speziell zum Drogenkonsum, den er erst lange nach der Festnahme eingeräumt hat. Genau deshalb möchte Gerhard Amend auch weitere Zeugen vernehmen, unter anderem die behandelnde Ärztin in der JVA.


Der Überfall

Nachdem sie ihr Auto an einer anderen Tankstelle aufgetankt hatten, fuhren der 20-jährige Seßlacher und der 26-Jährige aus dem Landkreis Lichtenfels am Abend des 2. Oktober 2013 in den Coburger Süden. Sie stellten ihr Fahrzeug unweit der Tankstelle in der Bamberger Straße ab und beobachteten diese von einem Gebüsch aus. Als sie sicher waren, dass außer dem Tankstellenangestellten niemand mehr darin war, maskierten sie sich und betraten mit erhobener Waffe und dem Satz "das ist ein Überfall" die Tankstelle. Während einer der Täter 800 Euro aus der Kasse plünderte, bedrohte der andere den Angestellten. Anschließend flüchteten sie und griffen sich dabei noch zwei Schokoriegel.