Der Muppberg reizt auch als kleines Gebirge
Autor: Rainer Lutz
Neustadt, Freitag, 16. August 2013
Dieter Seyfarth und Siegfried Vetter sind oft in den Alpen unterwegs. Aber sie wissen auch ihren Neustadter Hausberg zu schätzen und sind immer gern am Muppberg anzutreffen.
"Am Muppberg kann man vier oder fünf Stunden wandern und es wird nie langweilig", sagt Dieter Seyfarth, hebt seinen Rucksack auf die Schultern und schreitet voran, um seine Behauptung umgehend zu beweisen.
Er hat seinen Wanderfreund Siegfried Vetter mitgebracht. "Wir haben schon als Jugendliche gegeneinander Fußball gespielt. Und heute sind wir Wanderfreunde", sagt der und grinst. Feinde waren sie auch als Fußballer nie - obwohl damals in Neustadt hochklassiger Fußball gespielt wurde. Jetzt sind die beiden im Ruhestand, Mitglieder im Alpenverein und oft genug im Hochgebirge unterwegs. Zwischendurch aber immer gern in ihrer Heimat und heute eben geht es auf den Muppberg, den Hausberg der Neustadter.
Gleich nach dem Start an der Thüringisch-Fränkischen Begegnungsstätte macht Dieter Seyfarth auf Zeugen der Grenze und ihres Falls aufmerksam. Schlagbaum, Mauerstück und Gedenkstein für die Amerikanischen Verbände, die die Grenze sicherten: "Das gehört alles raus an die Gebrannte Brücke", findet Dieter ("...also unter Wanderern ist man per Du"). Dort wo sich heute Neustadt und Sonneberg berühren, stießen früher die Machtblöcke von Ost und West zusammen, wurde mit Bau und Fall der tödlichen Grenze Weltgeschichte geschrieben.
Auf dem Weg hinauf liegt die Ottilienkapelle. "Es gab früher eine Wallfahrtskapelle oben auf dem Berg, die der heiligen Ottilia gewidmet war, erinnert Dieter an die Ursprünge der katholischen Kirche in Neustadt. Schlicht sei die neue, aber interessant.
Dann ist auch schon der Waldsaum erreicht, kommen wir kurz darauf am alten Wasserwerk vorbei. Das Bauwerk aus den 20ern, das längst nicht mehr genutzt wird, wirkt ein wenig düster. Es dient heute als Unterstand. Man erreicht aber die Stadt schnell genug, falls ein Unwetter kommt und einem das Wasserwerk nicht ganz geheuer ist.
"Auf den breiteren und bekannteren Wegen, trifft man immer Spaziergänger, Mountainbiker oder Wanderer", sagt Dieter und biegt deswegen zeitig auf einen schmaleren Pfad ab, der uns zu den "Drei Buchen" führt. Ein Platz, den die meisten Neustadter kennen, auch wenn nur noch eine Buche steht. Die beiden anderen sind wohl einem Unwetter zum Opfer gefallen.
Gedanken an "alte Zeiten"
Immer wieder sind es die "alten Zeiten", an die Dieter und Siegfried bei dieser Tour erinnern. "Früher konnten nicht viele Leute im Urlaub verreisen, sie haben mehr in der Heimat unternommen", sagt Dieter und die beiden schwärmen von den vielen Gaststätten, die es früher gab, und in denen "immer was los" gewesen sei. Man traf sich, redete miteinander und konsumierte offenbar genug, um auch die Wirtsleute leben zu lassen. "Aber die Leute kamen auch auf den Berg, um Picknick zu machen oder ein wenig auszuspannen", beschreibt Dieter das Leben in Neustadt in den 50er und 60er Jahren.
So erreichen wir die Sprungschanze. Die Hütte für die Sprungrichter steht noch, es gibt noch die Schneise im Wald und den angeböschten Auslauf für die Skispringer, die hier einst mutig herunter sausten. "Weiter als 39 Meter konnte man hier nicht springen, glaube ich", sagt Siegfried. Da war die Schanze in Mönchröden ein anderes Kaliber. Doch auch dort gibt es kein Skispringen mehr.
"Wir sind jetzt auf dem Schlangenweg", erklärt Dieter als wir einen schmalen Pfad entlang gehen, der sich am Hang entlang - ja - eben "schlängelt". Es ist der obere, also gibt es auch einen unteren Schlangenweg, doch dahin kommen wir später.
Immer wieder kommen wir an Quellen vorbei, an Gedenksteinen und Ruheplätzen. Viele haben sich schon verdient gemacht um den Muppberg und seinen Ausbau zu einem echten Naherholungsgebiet. Dieter erinnert an den Förster Arthur Florschütz. Der hat wohl um 1870 viele Wege und Aussichtspunkte anlegen lassen.
Solche Punkte spielten später eine besondere Rolle. "Vor der Wende waren ständig amerikanische Soldaten hier oben", sagt Dieter. Wie jeder, der an der Grenze aufgewachsen ist, hat er so seine Erinnerungen an die "Amis". Am Sonneberger Blick standen oft Panzer. "Die hatten eine richtige Hütte hier und konnten die Grenze bei Sonneberg beobachten", weiß er. "Als Kinder hatten wir noch manchmal ein bisschen Angst." Später suchten die Jugendlichen den Kontakt zu den Amerikanern. Schließlich gab es ab und an ein Päckchen Kaugummi oder etwas von der Truppenverpflegung.
Drei Pavillons
Am "Breiten Weg" passieren wir den "Holzpavillon". Es ist einer von dreien am Muppberg. Rast machen wir erst am Freundschaftspavillon. In den 20ern gebaut, war er nach dem Krieg verschwunden. Erst 1999 fanden sich einige Freunde des Muppbergs aus verschiedenen Vereinen zusammen und errichteten ihn neu. Ein guter Platz für eine Stärkung aus dem Rucksack.
"Das ist der Max-Oskar-Arnold-Weg", zeigt Dieter in Richtung Dickicht. "Neustadt wirbt unter anderem mit diesem Wanderweg. Da sollte er wirklich mal wieder frei geschnitten werden", meint er. Wir kommen aber durch. Erreichen Ortlebquelle, Linder Ruh und eben den Sonneberger Blick. Der lässt leider wenig Blick in Richtung der Nachbarstadt zu. Ein paar Bäume zu fällen, sollte hier möglich sein, die Aussicht wäre es wert. "Wenn ich früher einen stressigen Bürotag hatte, dann bin ich oft hier oben rauf gekommen und ein paar Stunden zügig gewandert. Danach ist man wieder ein neuer Mensch", schwärmt Dieter. Auch zum Waldlauf sei er oft am Berg unterwegs gewesen. Heute ist er immer noch oft hier oben, auch wenn er pensioniert ist. Der Muppberg ist deswegen noch genauso schön.
Wenig später stehen wir vor der Arnoldhütte, die von vielen Neustadtern auch noch immer Schutzhütte genannt wird. Das war sie am Anfang auch. Heute ist sie ein Ausflugslokal, aber leider gerade heute geschlossen. "Montag und Dienstag ist Ruhetag. Sonst ist von 12 bis 20 Uhr geöffnet", sagt Dieter und es klingt, als wünschte er sich längere Öffnungszeiten. Auch der Prinzregenten-Turm, von dem der Blick weit ins Land reicht, ist zu. Den Schlüssel bekäme man in der Hütte, wenn sie geöffnet hätte.
So wird es nichts mit der Einkehr und wir steigen hinab zum Steinpavillon. "Die Stützmauern hier an der Straße wurden alle vom Reichsarbeitsdienst in den 30er Jahren angelegt", erklärt Dieter. Inzwischen müsste einiges erneuert werden. Doch je mehr am Berg geschaffen wurde, desto schwieriger ist es zu erhalten. Vereine wie Bergfreunde '70, Verschönerungsverein und Alpenverein helfen inzwischen zusammen. Doch die Zahl derer, die ehrenamtlich arbeitet, um die vielen Anlagen am Berg zu pflegen, wird kleiner.
Als wir schließlich wieder auf dem Schützenplatz stehen, muss Dieters Behauptung vom Start als bewiesen angesehen werden: "Am Muppberg kann man stundenlang wandern, ohne dass es langweilig wird."