Druckartikel: Der Mörder holt Rückerts Schriften

Der Mörder holt Rückerts Schriften


Autor: Dr. Carolin Herrmann

Coburg, Mittwoch, 03. August 2016

Hat uns im Gedächtnisjahr nicht noch ein Rückert-Krimi gefehlt? Ein fränkisch bekennender Westfale hat ihn geschrieben. Er spielt in Erlangen und Coburg.
Dort unten, im schönen, vom heute in Neuses lebenden Ehepaar Rückert rekonstruierten Garten Friedrich Rückerts wird der Gärtner gefunden, mit der Schaufel erschlagen in Johannes Wilkes Rückert-Krimi. Oben in des Dichters Studierstube fehlen wertvolle Schriften. Foto: Carolin Herrmann


Wer ist der Mensch, der für Friedrich Rückerts Schriften über Leichen geht? Erst die brave Frau Apeldoorn in der Alten Universitätsbibliothek von Erlangen, der das alte Hälschen zugedrückt worden war. Dann der Gärtner auf dem Anwesen Friedrich Rückerts in Neuses bei Coburg; den hatte der Mörder mit der Schaufel erwischt. Nun auch noch der Archivar Doktor Rudolf in Schweinfurt. Von der Bibliothekstreppe gestürzt. Entwendet worden waren jeweils wertvolle Originalhandschriften des Dichters und genialen Übersetzers, unveröffentlichte, was den Verlust umso schmerzhafter für die Wissenschaft macht.
Ein Rückert-Krimi! Das fehlte uns noch in diesem Rückert-Jahr, in dem wir uns besonders beschäftigen mit dem 1788 in Schweinfurt geboren, in Erlangen lehrenden und von 1840 bis zu seinem Tod 1866 in Neuses bei Coburg lebenden Dichter.

Verfasst hat den Krimi der aus dem Ruhrpott stammende, seit 25 Jahren aber als bekennender Wahlfranke in Erlangen lebende Johannes Wilkes, eigentlich Mediziner, aber auch Verfasser populärer Sachbücher und allerlei Sonstigem.
Um das Urteil gleich fränkisch-effektiv voraus zu nehmen: Basst scho. - Was Ihnen dann zu wenig ist. Na, also:
Johannes Wilkes hat geschickt einen amüsanten Kriminalroman gebastelt, der im heutigen Fränkischen spielt, aber um das im 19. Jahrhundert sehr geachtete, zu Unrecht später als unbedachter Rundumdichter abgetane Sprachgenie kreist. Wilkes lässt auf lockere und eingängige Weise Wissen über Friedrich Rückert einfließen. Und immer wieder sogar mal ein nahe gehendes Gedicht.
A Thriller is "Der Fall Rückert" ned, aber ein weiterer Beitrag zur psychischen Selbstvergewisserung und Bestätigung, welche die Franken in ihrem eher trockenen Humor auffällig häufig in Form von Kriminalromanen betreiben. Dass die Ergründung des typisch fränkischen Lebensgefühls in diesem Fall durch einen geborenen Westfalen erfolgt - das kann nur heiter werden.


Fränkisches, wie es Spaß macht

Im Fall Rückert ermittelt Kommissar "Mütze", der mit seinem Lebenspartner Karl-Dieter jetzt in Erlangen lebt. Das alltägliche Miteinander des ungleichen Paares interessiert mindestens so sehr wie die Suche nach dem Mörder, die viel Raum lässt für die süffisante Beschreibung des heutigen Lebens in Erlangen, aber auch nach Schweinfurt und intensiv nach Coburg führt, ins Rückert-Haus in Neuses. Zum Showdown kommt es schließlich in der Coburger Landesbibliothek.
Mütze ist männlich-markanter, bekennender Ruhrpott-Prolet, Karl-Dieter der gebildete Schöngeist. Am Erlanger Theater wirkt Karl-Dieter als Bühnenbildner so erfolgreich, dass bei der Premiere von Shakespeares "Sturm" ein Teil des Publikums seekrank wurde, worauf man bei den folgenden Aufführungen Kotztüten verteilen musste.
Für seine leidende Borussen-Seele braucht Mütze den Austausch mit seinem Computer-Fachmann Big-Chip, ein Glubberer. Zwa in an Weckla lindern Mützes Sehnsucht nach einer ordentlichen Currywurst.
Eine emotionale Rolle spielt auch Karl-Dieters das Sprechen verweigernder Wellensittich Mickey, der sich in die Riesenwelle um seine Stange stürzt, wenn ein neuerlicher Mord ansteht. Selbstverständlich ist es Karl-Dieter, der beim Rückert-Lesen auf die entscheidende Spur stößt.
Mit drolligen Einfällen, vorsichtigem Sarkasmus und der Verweigerung modischer Hektik im Erzählen löst Johannes Wilkes nicht nur die "ver-rückerte" Mordserie. Wir nehmen amüsiert Anteil am Leben zwei er sympathischer Typen, die ein Paar wie jedes andere sind. Und lassen uns dabei unnere eichene frängische Ard gefallen. Vorgeführt von einem schnoddrigen, aber wohlwollenden Westfalen.

Johannes Wilkes: Der Fall Rückert. Kriminalroman. Ars Vivendi Verlag Cadolzburg, 272 Seiten, 12,90 Euro.


Johannes Wilkes, Jahrgang 1961, wurde in Dortmund geboren, als der Pott noch rauchte. Er studierte Medizin in München. Seit mehr als 25 Jahren ist er bekennender Wahlfranke und führt in Erlangen eine sozialpsychiatrische Praxis. Neben populären Sachbüchern sind von ihm auch belletristische Werke erschienen. Das Frankenland hat seit Langem einen festen Platz in seinem Repertoire. Zuletzt erschien "Das kleine Franken-Buch" (2014) im Ars Vivendi V