Druckartikel: Der Hausmüll hat in Coburg Vorrang

Der Hausmüll hat in Coburg Vorrang


Autor: Simone Bastian

Neuses, Freitag, 03. August 2018

Das Müllheizkraftwerk hat ab Montag einen Anlieferstopp für Gewerbemüll verhängt. Die Maßnahme kann aber auch Privatleute treffen. Hier die Ursachen.
Kein Rauch, kein Feuer: Übers Wochenende steht das Müllheizkraftwerk in Coburg-Neuses still, weil auch der Kran einer Revision unterzogen wird. Mit dem Anlieferstopp für Gewerbemüll hat das aber nur bedingt zu tun.  Foto: Ulrike Nauer


Für zunächst zwei Wochen wird das Müllheizkraftwerk in Coburg-Neuses keinen Gewerbemüll mehr annehmen. "Hausmüll hat Vorrang", sagt Peter Baj, Werkleiter des Zweckverbands für Abfallwirtschaft in Nordwest-Oberfranken (ZAW). Diesem Verband haben die Landkreise Coburg, Kronach und Lichtenfels sowie die Stadt Coburg die Hausmüllbeseitigung übertragen. Denn darum müssen sich die kreisfreien Städte und Landkreise kümmern. Das Müllheizkraftwerk (MHKW) gehört dem ZAW.
Als Gewerbemüll zählt alles, was nicht mit dem Hausmüll angeliefert wird. Das gilt auch für Müll oder Sperrmüllstücke, die jemand selbst zum MHKW bringt. Deshalb bittet Peter Baj, mit solchen Anlieferungen vorläufig zu warten. Aber was sind die Gründe für den Engpass?
1. Die Revision. Die beiden Verbrennungslinien im MHKW werden jeden Sommer nacheinander einer Revision unterzogen. Ein Müllofen wird überprüft, der andere läuft so lange alleine, damit sich nicht zuviel Müll im Zwischendepot ansammelt. In diesem Jahr kommt dazu, dass auch der Kran geprüft wird, mit dem der Müll vom Bunker in die Verbrennungsanlage geschaufelt wird. Deshalb steht an diesem Wochenende das MHKW komplett still. Normalerweise laufen die Müllöfen sieben Tage die Woche durch.

2. Die Revision in Bamberg. Auch dort nutzt man den Sommer, um die Anlage zu überprüfen. Das tun viele MHKW, die, wie das Coburger, Fernwärme liefern. Die wird im Winter gebraucht, also müssen dann die Feuer brennen. Bamberg hätte Coburg aber während der Revision entlasten und einen Teil des Erlanger Mülls übernehmen sollen, der normalerweise in Coburg verfeuert wird. Viele kommunale Entsorger helfen sich auf diese Weise gegenseitig aus. Doch derzeit laufen überall Revisionen. "Wenn es bei einem Verzögerungen gibt, schlägt das durch", sagt Peter Baj. Denn:

3. Es gibt mehr Müll als früher. Das wiederum hat mehrere Ursachen. Zum einen nimmt China den Kunststoffmüll aus Europa nicht mehr ab. Da geht es laut Peter Baj um 750 000 Tonnen allein aus Deutschland, die jetzt anderweitig entsorgt werden müssen. Die Recyclingkapazitäten dafür seien nicht vorhanden, also werde vielfach der Weg in die Müllverbrennung gewählt. Vieles davon ist Gewerbemüll. Dessen Anteil am Aufkommen im Coburger MHKW ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen: Von rund 15 300 Tonnen im Jahr 2015 auf aktuell rund 23 000 Tonnen im Jahr. Das ist bei einer Kapazität von 120 000 Tonnen keine große Menge. Ursprünglich war das MHKW sogar für 40 000 Tonnen Gewerbemüll im Jahr vorgesehen. Aber dann kamen neue Gesetze, der Gewerbemüll durfte auch auf anderen Wegen entsorgt werden; der ZAW schloss Verträge mit Erlangen und anderen Landkreisen, die nun ihren Hausmüll in Coburg entsorgen. Die Kapazität ist eigentlich nicht mehr vorhanden.

4. Das Recycling. Kunststoff, zum Beispiel der Verpackungsmüll aus der gelben Tonne, soll eigentlich recycelt werden. Dass der Recyclingmarkt zusammengebrochen sei, wie Baj meint, will Vinzenz Schulte von der Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland (Itad) jedoch nicht bestätigen. Lediglich bei "Unternehmen, die keine langfristigen Verträge zur energetischen Verwertung ihrer Sortierreste haben, ist die Lage vermutlich angespannt". Kunststoffe werden in den Recyclinganlagen möglichst sortenrein getrennt. Aber viel davon lande zwecks "thermischer Verwertung" (=Verbrennung) in Zementfabriken, sagt Baj. "Für uns bleiben dann die Sortierreste", also das, was nicht recycelt werden könne und als Abfall deklariert werde. Das seien dann meist auch die problematischen Kunststoffe mit hoher Schadstoffbelastung.