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Open-Air-Sommer: Der Graf verneigt sich vor Coburg


Autor: Bettina Knauth

Coburg, Sonntag, 14. August 2016

Der zweite Besuch von "Unheilig" in Coburg ist voraussichtlich auch der letzte. Es wurde ein schöner Abschiedsabend.
"Ihr seid der absolute Hammer, Freunde": Der Graf lobt sein Publikum. Alle Fotos: Barbara Herbst


"Es ist Zeit zu gehen": Ein letztes Mal war am Samstagabend die Aachener Band Unheilig um den "Grafen" in Coburg zu hören. Über 9500 Fans pilgerten zum Schlossplatz und freuten sich auf ein grandioses Abschiedskonzert.

So wie Heidi Friedel, für die Unheilig "Musik für jede Lebenslage" bereithält. 2015 reiste sie bereits nach Samnaun (Schweiz) zu einem vermeintlich letzten Konzert der Band. "Drei Jahre lang haben mich die Lieder des Grafen auf meinem langen Weg durch eine schwere Zeit begleitet", berichtet die Bayreutherin, die mit drei Freunden nach Coburg gekommen ist. "Wer ganz tief unten ist", zeigt sich Friedel überzeugt, "der kann durch diese Musik Kraft schöpfen.

"Ehrlich" und "authentisch" seien die Texte und der Sänger, der sich nur "der Graf" nennt , sagen die Fans. Vom ersten Moment an, als der Mann im schwarzen Anzug nach einem Countdown mit einem Sprung die Bühne entert, hat er das Publikum "in der wunderschönen Stadt Coburg" voll im Griff. Nein, nicht "Als wär's das erste Mal". Der Schlossplatz ist ihm in guter Erinnerung von seinem Auftritt vor fünf Jahren: "Was für eine Kulisse, da könnt ihr echt stolz drauf sein", lobt der Rheinländer das Ambiente. Und selbst wenn es dieses Mal weniger Fans sind, tut das der Stimmung keinen Abbruch.


Deutsche Texte

Hans-Jürgen und Birgit Seuß sind aus Amberg zu ihrem dritten Unheilig-Konzert angereist. Während er von der "tollen Bühnenshow" schwärmt, freut sie sich, dass der Graf in seiner Muttersprache singt. "Da verstehe ich auch mal was." Gerade diese sentimentalen Texte gehen den Menschen mitten ins Herz. Wie "Geboren um zu leben", in dem der Frontmann den Tod eines Freundes verarbeitet. Oder "Unter meiner Flagge": "So ein Dankeschön an die eigene Mutter präsentiert nicht jeder", meint Brigitte Neubauer aus Schweinfurt.

Nach 75 Minuten stimmt der Mann mit der markanten Stimme, die Unheilig-Fahne schwenkend, "Zeit zu gehen" an. Die Zeilen sind Programm an diesem Abend. Wie "Einmal noch wollen wir Eure Stimmen hören, einmal noch Eure Hände sehen": Immer wieder fordert der Graf zum Mitsingen und Mitschwenken auf, sein Jackett hat er bereits beim vierten Lied ausgezogen. Bei "So wie Du warst" stimmen die Fans mit ein, beim Greifen nach den Sternen wird "der schönste Chor der Welt" immer lauter. Der Graf verteilt reihenweise Küsschen ins Publikum, tänzelt leichtfüßig über die Bühne und schwingt auch mal die Hüften. "Könnt Ihr noch?" Diese Frage, schon nach einer Stunde gestellt, war rein rhetorisch. Das in seinen Ohren "wahnsinnige, laute Publikum" will mehr, die Fans möchten weiter gemeinsam Abschied mit der Band feiern. "Ihr seid der absolute Hammer, Freunde", lobt der Graf. Nicht nur bei "Für mich soll's rote Rosen regnen" dominiert Rot die mit weißen Stumpenkerzen dekorierte Bühne. Diabilder und Filmsequenzen untermalen im Hintergrund das Thema der jeweiligen Lieder. "Ihr habt mich fertig gemacht", gesteht der Sänger nach dem besungenen Rosenregen.

"Ihr habt uns mit Applaus getragen": Unheilig verbindet offensichtlich Generationen. Etliche Fans haben ihre Kinder mitgebracht, andere ihre Eltern. Bei Corinna und Margot Czaplinski aus Rödental ist Mama Margot der größere Fan. "Power, Genuss und Sinnlichkeit" verbindet sie mit dem Grafen. Die Tochter schätzt es, dass der Musiker "auf dem Boden geblieben" ist. Elke und Maik Helfrich hoffen, auch eines Tages ihren Kindern noch das Erlebnis von Unheilig live gönnen zu können. Selbst ihr siebenjähriger Sohn Magnus, den sie daheim in Ilmenau gelassen haben, ist bereits mit dem Graf-Virus infiziert. Magnus Oma Heidi schenkten sie die Konzertkarte zum Geburtstag.


Große Gefühle

"Doch nichts im Leben ist unendlich": Die Fans äußern großes Bedauern, zeigen aber auch Verständnis, ja Respekt für den Abschied des Grafen. Mehrere Fans, wie die Helfrichs oder Peggy und Matthias aus Meiningen, haben bereits das Abschiedskonzert in Erfurt besucht und sich Tickets für den Schlussakkord am 10. September in Köln gesichert. Mit "Mein Leben ist die Freiheit" präsentiert Unheilig auch ein neues Lied. Ob der Frontmann bereits vorausblickt, wenn er singt: "Frei will ich sein, ich will die Welt erleben"?

"Irgendwann kommt der Graf wieder", ist sich Birgit Bauer aus Schweinfurt sicher, während ihr Mann Werner, auf dessen T-Shirt "Auf ewig" steht, glaubt der Sänger stehe zu seinem Wort. Dabei brauche er die Sprache der Musik, wie der Graf zum Schluss des Konzerts gesteht. Worte allein reichen dem Mann nicht, der als Kind stark stotterte, besonders bei großer Aufregung oder bei der Wehmut im Angesicht des Abschieds.

"Lasst uns zusammen Abschied feiern und im Herzen für alle Zeit zusammen stehen": Mit dem letzten Lied "Der Vorhang fällt" endet nach knapp zwei Stunden das Unheilig-Konzert. Im Vorprogramm unterhielten Be One, Staubkind und Schandmaul. Live soll der Graf mit seinen Mannen nach den letzten sieben Etappen der Abschiedstour nicht mehr zu sehen sein. "Doch die CDs bleiben uns", tröstet sich Corinna Czaplinski. Am 4. November erscheint das letzte Album "Von Mensch zu Mensch" als "großes Dankeschön" an die Fans, wie der Graf "mit einem weinenden Auge" zum Abschied aus Coburg verkündete. "Doch das lachende Auge freut sich von Herzen auf die ganze Familie", gesteht der Songwriter. Und so bleiben nicht nur "all die schönen Bilder" dieses lauen Sommerabends auf dem gut gefüllten Schlossplatz, sondern vor allem die gefühlvollen Lieder von Unheilig.