"Der Glöckner" von Coburg: Tanz der Leidenschaft endet tödlich
Autor: Jochen Berger
Coburg, Samstag, 12. März 2022
Wie Victor Hugos Roman "Der Glöckner von Notre-Dame" am Landestheater Coburg zum umjubelten Ballettabend wird. Und warum russische Musik dabei eine sehr wichtige Rolle spielt.
Diese Geschichte führt ins Verderben - unweigerlich. Denn die Geschichte eines verkrüppelten Mannes, der sich rettungslos in eine junge, schöne Frau verliebt, ist ein Klassiker gescheiterter (Nicht-)Beziehungen. Die Geschichte des Glöckners Quasimodo und der jungen Esmeralda führt auch in Mark McClains Choreographie am Landestheater Coburg mit erschreckender Unausweichlichkeit in den Abgrund.
Diese Geschichte einer unmöglichen Liebe wird in McClains tänzerischer Übersetzung zur eindringlich getanzten Bildergeschichte, die in jeder Szene, in jeder Begegnung sofort verständlich wirkt und doch nie plakativ gerät. Mark McClains Tanzsprache, unübersehbar an klassischen Vorbildern geschult, aber ebenso unübersehbar um ein prägnantes eigenes Vokabular erweitert - in Victor Hugos "Glöckner" hat sie ihr perfekt passendes Thema gefunden.
Die Geschichte zweier Außenseiter
Der hässliche Glöckner und die lebensfroh tanzende junge Frau sind die Protagonisten einer Geschichte, die Mark McClain ganz aus den Emotionen heraus erzählt. Dass Quasimodo (Sylvain Guillot) und Esmeralda (Mireia Martinez Pineda) beide gesellschaftliche Außenseiter sind, nimmt McClain nicht als Vorwand, Victor Hugos Roman von 1831 als sozialkritische Anklage hinzubiegen.
Ihr Außenseitertum ist vielmehr nur der Hintergrund - die Folie, vor der sich Quasimodos unmögliche Liebe abspielt. Passend dazu die Ausstattung, die Ana Tasic entworfen hat. Tasic, die auch für Händels "Alcina" die Ausstattung geschaffen hatte, setzt bei den Kostümen auf farbenprächtige Wirkungen und sorgt zudem immer wieder für prägnante Unterstützung bei der Charakterisierung der Figuren.
Eifersüchtiger Priester
Das gilt für den eifersüchtig verliebten Priester Claude Frollo (Takashi Yamamoto) ebenso wie für den gleichfalls in Esmeralda verliebten Hauptmann Phöbus (Guilherme Correia Carola). Wie dieser Glöckner seine körperlichen Einschränkungen mit einer schwarzen Krücke und der von Liebe entzündeten Leidenschaft tanzend überwindet - das gestaltet Sylvain Guillot mit berührender Eindringlichkeit.
Opulente Massenszenen
Dass Sylvain Guillot als Tänzer bis kurz vor der Probenzeit die Bedeutung einer Gehhilfe am eigenen Leib ganz unmittelbar erfahren hat, muss das Premierenpublikum gar nicht wissen - auch wenn diese zusätzliche Herausforderung die darstellerische Umsetzung vielleicht sogar noch intensiviert hat.
Dieser Abend lebt vom kontrastreichen Wechselspiel solistisch getanzter Szenen und opulent angelegter Massenszenen, die das Coburger Ballett-Ensemble spannungsvoll und ausdrucksstark lebendig werden lässt. "Der Glöckner von Notre-Dame" erzählt die Geschichte einer unerfüllbaren, einer unmöglichen Liebe - äußerlich gesehen angesiedelt in längst vergangenen Zeiten, im Grunde aber eine zeitlos aktuell anmutende Geschichte.