Der Coburger Schlachthof ist Geschichte
Autor: Oliver Schmidt
Coburg, Donnerstag, 18. Juli 2013
Das "Aus" für den städtischen Betrieb erfolgte am Donnerstag in großer Einmütigkeit - nur kurz drohte das Thema bereits in den Wahlkampf abzugleiten. Die betroffenen Schlachthof-Mitarbeiter saßen derweil schweigend im Publikum.
Nein, sie will sich jetzt lieber nicht öffentlich äußern, sagt die Frau und bittet um Verständnis. Sie wirkt traurig und auch ein wenig wehmütig, als sie kurz nach 15.45 Uhr aus dem Rathaus kommt. Oben im Sitzungssaal hatten sie und ihre Arbeitskollegen soeben mitverfolgt, wie der Stadtrat eine für sie äußerst weitreichende Entscheidung trifft: Der Schlachthof - und somit ihr Arbeitsplatz - wird für immer geschlossen. Beziehungsweise: Die vor wenigen Wochen von OB Norbert Kastner (SPD) verfügte "vorübergehende Schließung" geht nahtlos in einer dauerhafte über.
Nur SPD-Duo dagegen
Im Beschluss, der von dem 41-köpfigen Gremium bei nur zwei Gegenstimmen von Martin Lücke und Andreas Gehring (beide SPD) gefasst wurde, nimmt aber gerade auch die Zukunft der etwa 40 städtischen Schlachthof-Mitarbeiter einen großen Raum ein. So soll die Verwaltung bis zur September-Sitzung des Stadtrats ein Konzept vorlegen, wie das Personal eventuell anderweitig bei der Stadt eingesetzt werden kann. "Es gab schon viele Gespräche", sagte Kastner, und allen voran der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Nowak mahnte: "Die Stadt hat eine Vorbildfunktion als verantwortungsvoller Arbeitgeber. Es darf keine unnötigen Härten geben."
Ansonsten hatte die Diskussion im Stadtrat mehrere Stränge. Einer könnte überschrieben werden mit "Existenzielles". So machte Kastner deutlich, dass ein Schlachthofbetrieb ohne den Hauptmieter vollends unrentabel wäre; das jährliche Defizit von jetzt schon etwa 350 000 Euro würde auf gut 1,5 Millionen steigen. In diesem Punkt waren sich praktisch alle einig: Das kann sich die Stadt nicht leisten.
Ein weiterer Diskussionsstrang hatte mit der Aufarbeitung des Fleisch-Skandals zu tun. Jürgen Oehm (CSU) hatte bereits zu Beginn der Sitzung in einer umfassenden Anfrage direkt den Vorwurf geäußert, dass nicht die Stadt, sondern erst ein Team des Bayerischen Rundfunks die Missstände am Schlachthof aufgedeckt hat. "Es liegt in der Natur der Sache, dass mit krimineller Energie einhergehende Gesetzesverletzungen heimlich erfolgen", konterte Kastner. Der OB teilte aber auch mit, dass bereits im Dezember 2012 ein anonymer Brief im Rathaus eingegangen sei, der Anschuldigungen enthielt. Kastner war es aber auch ein Bedürfnis, klar zu stellen, dass im Fernsehen zunächst von einem "Gammelfleisch-Skandal ungeahnten Ausmaßes" die Rede war - tatsächlich spreche die Staatsanwaltschaft inzwischen von "geringen Mengen K3-Fleisch", die noch dazu nur "bis Februar 2013" vom Coburger Schlachthof aus wieder in den Warenverkehr gelangt seien.
Oehm, der in der Sitzung von einem "Mantel des Schweigens" sprach, der über dem Schlachthof ausgebreitet sei, sowie von "Nebel über dem Sumpf" , wurde sehr eindringlich von Kastner gewarnt, Schuldvorwürfe zu verteilen, ehe es Ermittlungsergebnisse gibt. Außerdem solle Oehm nicht aus politischen Gründen "Tatsachen verkehren." Ein Antrag von Friederike Werobèl auf Einrichtung eines Sonderausschusses - einer Art kommunalem Untersuchungsausschuss - wurde einstimmig in den Geschäftsgang verwiesen.
Dritter Diskussionsstrang war die Situation der heimischen Direktvermarkter und Metzger, wenn diese keinen Schlachthof mehr in ihrer Nähe haben. Friedrich Herdan (CSU) regte an, eine Übergangslösung zu finden, vielleicht sogar im jetzigen Schlachthof, ehe dann mittel- bis langfristig ein neuer (und deutlich kleinerer) Schlachthof auf Genossenschaftsbasis errichtet werden könnte. Die Idee mit dem genossenschaftlichen Schlachthof soll zwar unter Federführung des Regionalmanagements vorangetrieben werden, doch allen voran Norbert Kastner zeigte sich skeptisch: Bereits vor Jahren habe man Partner für den Schlachthof gesucht und keine finden können.
"Schluss mit dem Trübsal"
Über die Idee mit der Übergangslösung, vielleicht sogar im jetzigen Schlachthof, wunderte sich Thomas Nowak: Ausgerechnet die CSU schlage dies vor, wo doch die CSU bereits vor einer Woche neue Nutzungsmöglichkeiten für das Schlachthof- und Güterbahnhofareal präsentiert habe. Max Beyersdorf (CSU) griff das bejahend auf und sprach von einer "Riesen-Chance", die mit der Schließung des Schlachthofs verbunden sei. Immerhin handele es sich um eine "wertvolle Fläche". Deshalb lautete sein Appell: "Schluss mit dem Trübsal!" Nun, den Mitarbeitern des Schlachthofs dürfte das schwer gefallen sein, als fast alle Hände hoch gingen und das Kapitel "Coburger Schlachthof" für immer beendeten.