Dekanatskirchentag in Seßlach beleuchtet die Gesellschaft
Autor: Martin Koch
Seßlach, Montag, 18. Juni 2018
Kirche, Politik und Gesellschaft harmonieren nicht zwangsläufig. Das wurde beim Dekanatskirchentag in Seßlach deutlich.
"Suchet der Stadt Bestes - Christsein heute!" Dieses Motto, im ersten Teil aus dem Buch des Propheten Jeremia entnommen, war das Leitthema beim Dekanatskirchentag des Dekanates Michelau in der Stadt Seßlach im Landkreis Coburg. Der Dekanatskirchentag war inhaltlich geprägt vom Miteinander von Kirche, Politik und Gesellschaft, das nicht zwangsläufig immer harmonisch sein muss. Insbesondere konnte Altbischof Axel Noack aus seinen Erfahrungen als evangelischer Pfarrer in der einstigen Deutschen Demokratischen Republik ganz andere Erfahrungen beschreiben, die den Christen im Nordwesten Oberfrankens nicht unbedingt geläufig sind.
Die katholische Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer in Seßlach war am Sonntag beim Festgottesdienst zum Dekanatskirchentag brechend voll. Ein Szenenspiel der Evangelischen Jugend führte in die Zeit der babylonischen Gefangenschaft des Volkes Israel, etwa ein halbes Jahrtausend vor der Geburt Jesu Christi. Ein imaginärer Fernsehsender interviewte einige Israeliten, es war schon die zweite Generation in Gefangenschaft. Sie schienen sich mit ihrer Situation abgefunden zu haben. Propheten und Heilsverkünder meldeten sich zu Wort. Einen echten Ruck gab es nicht.
DDR-Biografie
"Wir sind etwas vorbelastet beim Hören auf diesen Text", sagte Bischof Noack in seiner Predigt. Die Zurückhaltung der gefangenen Israeliten erinnerte ihn an das Christsein in der DDR. Seine Frage: "Wie viel Widerstand und wie viel Anpassung sind notwendig?" Er blickte in die (ost-)deutsche Gegenwart. "Das Flüchtlingsthema entzweie Familien. "Wir haben auch heute recht verschiedene Propheten mit unterschiedlichen Botschaften", sagte der Bischof. Der Festgottesdienst wurde vom Posaunenchor Heilgersdorf, vom Dekanatskantor Klaus Bormann an der Orgel und von der Dekanatsband musikalisch ausgestaltet. Grußworte sprachen der Seßlacher Bürgermeister Martin Mittag und Elmar Butterhof vom katholischen Pfarrgemeinderat Seßlach.Bischof Axel Noack ist 1949 in Biesnitz bei Görlitz auf die Welt gekommen. Von 1997 bis 2009 war er zunächst Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und später der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Sein Dienstsitz war der Dom in Magdeburg, geweiht den Heiligen Mauritius und Katharina. Er verweigerte in der DDR den Wehrdienst und durfte deshalb nicht Mathematik studieren. Nach dem Abitur machte er eine Schlosserlehre. Er studierte Theologie an der Kirchlichen Hochschule in Naumburg und war unter anderem Pfarrer in Merseburg und in Wolfen. Seit 2009 ist Axel Noack Professor für Kirchengeschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
In der Podiumsdiskussion nach dem Gottesdienst betonte Noack, dass der Staat die Pflicht habe, das Gemeinwohl zu sichern. Dekanin Stefanie Ott-Frühwald beklagte den schwindenden Zusammenhalt in der Gesellschaft. Da stimmte auch der Lichtenfelser Landrat Christian Meißner zu: "Wir haben eine Verinselung in unserer Gesellschaft", sagte er, "das ist eher frustrierend als inspirierend."
"Es schiebt sich das Parteisein vor das Christsein"
Pfarrer Christian Frühwald, derzeit Pfarrer in Bad Rodach und zu Bischof Noacks Zeiten Konsistorialrat in der einstigen Kirchenprovinz Sachsen, stellte fest, dass die Angst der Deutschen wachse. "Man muss versuchen, so wenig Ungerechtigkeit wie möglich entstehen zu lassen", sagte die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner. Sie wies dabei auf die Mütterrente hin, die ein wichtiger Nachteilsausgleich. Mit einer eher moderaten Rhetorik mahnte Zeulner eine Lösung zum Thema Migration an. Der Coburger Landrat Michael Busch sagte: "Europa muss sich in der Frage von Migration und Flucht einig sein." Er wundere sich, sagte Busch, warum die CSU nicht einmal zwei Wochen warten könne, bis sich klarere Konturen zur Lösung der Migrationsfrage abzeichnen könnten. "Es schiebt sich das Parteisein vor das Christsein", sagte Bischof Noack mit kritischem Blick auf einige bekennende Christen in der Politik.Und dann ging es um ein Spannungsfeld zwischen Sozialpolitik und Lokalpolitik. Die Landräte Meißner und Busch stehen ja auch in der politischen Verantwortung für den Klinikverbund Regiomed. Konfliktfelder sind dabei die Personalnot und schwierige Tariffragen. Christian Meißner bekannte: "Sowohl Michael Busch als auch ich, wir fühlen uns nicht wohl, wenn sich unsere Beschäftigten nicht wohl fühlen. Wir wünschen uns, dass kräftig für uns gebetet wird."