Das Frauenärzte-Dilemma
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Montag, 19. April 2021
Einen Frauenarzt in Coburg zu finden, ist schwierig - obwohl die Region eigentlich als überversorgt gilt. Zwei Mütter erzählen...
Heike* fehlen die Worte. Dass der Raum Coburg nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung mit Frauenärzten überversorgt sein soll, kann sie nicht glauben. Die 42-Jährige ist mit ihrer Familie hierher gezogen. Einen Frauenarzt zu finden, war jedoch ein äußerst schwieriges Unterfangen.
"Nachdem ich in Coburg alle abtelefoniert hatte, bin ich letztlich im Landkreis in einer Frauenarztpraxis im Stil der 50er Jahre gelandet. Ich bin nicht anspruchsvoll. Das ist kein Problem", sagt sie. Aber für ihre 13-jährige Tochter sei ein Frauenarzt keine Option. "Sie möchte beim ersten Mal zu einer Frau. Das kann ich auch verstehen", betont sie. Doch gefunden hat sie bisher noch keine, die ihre Tochter aufnimmt. "Überall ist Aufnahmestopp. Lediglich die Töchter von Patientinnen werden behandelt", schildert Heike ihre Erfahrungen. Die Mutter ist froh, dass ihre Tochter noch ein bisschen Zeit hat. Nach Lichtenfels zu gehen, was ihr empfohlen wurde, sei eine letzte Alternative. Eigentlich möchte die Bad Rodacherin nicht so weit fahren.
Aus der Kartei geflogen
"Stinksauer" ist auch Katrin *. 30 Jahre lang war sie Patientin in einer Coburger Frauenarztpraxis. Nachdem ihr Arzt in Rente gegangen ist, war zunächst eine Nachfolgerin in der Gemeinschaftspraxis für sie da. "Doch als die ausgeschieden ist, flog ich aus der Kartei. Nur Schwangere und Krebspatientinnen wurden übernommen", erzählt Katrin. "Nicht nur ich stehe jetzt ohne Frauenarzt da, auch meine Schwester, meine Tante, meine Nichten und natürlich meine beiden Töchter, die nicht unterkommen." Die Gebärmutterhalsimpfung für die 15-Jährige habe sie jetzt schon beim Hausarzt machen lassen. Aber es werde langsam Zeit für einen Termin beim Frauenarzt.
Katrin ärgert das. Seit eineinhalb Jahren sucht sie verzweifelt. Sie telefoniert ab, fragt Arbeitskollegen und Bekannte. Sie hat sich auch schon an ihre Krankenkasse gewandt. Eine Mitarbeiterin schickte ihr daraufhin eine Liste mit allen Frauenärzten im Umkreis von 30 Kilometern. Daraufhin hat sie bei einer Ärztin in Hildburghausen angerufen. Doch ohne Erfolg. (Warum es so schwer ist, eine Termin zu bekommen, erklärt Regiomed in dem untenstehenden Text.)
Wir haben bei der Kassenärztlichen Vereinigung nachgefragt, wie es um den Bestand an Frauenärzten bestellt ist. Tatsächlich spricht Martin Eulitz, Pressesprecher der KVB, von einem Versorgungsgrad von 126,35 Prozent im Planungsbereich Kreisregion Coburg.
Unterstützung bei Terminvergabe
Auch "eine spürbar hohe Nachfrage für Termine bei Frauenärztinnen durch Mädchen und junge Frauen im Raum Coburg kann die Terminservicestelle der KVB nicht bestätigen", heißt es. Die KVB bietet unabhängig vom Alter Patientinnen zur Terminabstimmung die Unterstützung ihrer Terminservicestelle unter der Rufnummer 116117 an. Diese vermittelt entsprechend der Vorgaben des Gesetzgebers Termine bei Frauenärzten.
Was Wartezeiten in den Praxen angehet, kann die KVB keine Angaben machen. "Die Praxen organisieren das Terminmanagement kompetent in eigener Verantwortung. Bislang liegen uns allerdings keine Beschwerden über Engpässe und/ oder lange Wartezeiten bei der gynäkologischen Versorgung im Raum Coburg vor", schreibt Martin Eulitz.
*Heike und Katrin, die uns ihre Erfahrungen schilderten, möchten nicht mit ihrem Nachnamen genannt werden.
Ärzte befürchten: Fachkräftemangel wird sich weiterhin verschärfen
Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) liegt der Versorgungsgrad in der Kreisregion Coburg bei 126,35 Prozent und damit über dem Soll-Niveau. Wie kann es sein, dass Frauen trotzdem keinen Termin bekommen?
"Zu uns kommen nicht nur Patientinnen aus Coburg, sondern auch aus Thüringen und dem Landkreis Coburg, Lichtenfels, Kronach, Haßfurt. Viele haben bei sich vor Ort keinen Frauenarzt gefunden", berichtet die gynäkologische Praxis der Regiomed-Kliniken in Coburg.
Obwohl die Kassenärztliche Bundesversorgung (KBV) 2019 mit einer Reform neue Maßstäbe für die ärztliche Versorgung festgelegt hat. Dabei wurden demografische Veränderungen in der neuen Bedarfsberechnung berücksichtig. Diese regelt wie viele Ärzte es in der Region gibt und wie sie verteilt sind. Wenn ein bestimmter Wert überschritten ist, dürfen sich in der Regel keine weiteren Ärzte ansiedeln. Obwohl die Region Coburg auf dem Papier gut versorgt ist, haben Frauen Probleme in eine Kartei aufgenommen zu werden.
Gynäkologische Praxis bestätigt Problem
Regiomed bestätigt: "Wir haben aktuell eine Stelle frei, die neu besetzt werden müsste. Des Weiteren behandeln wir nicht nur Patientinnen aus Coburg, sondern auch aus anderen Kreisen. Diese sind in dem Planungsbereich nicht miterfasst. Ausnahmen bilden natürlich akute Notfälle." Die offene Stelle hatte auch direkte Folgen für bereits bestehende Patientinnen: "Aufgrund der angespannten Terminsituation konnten die Patientinnen leider nur teilweise übernommen werden. Es wurden hauptsächlich Schwangere und Onkologische Patienten unter laufender Therapie übernommen."
Regiomed sieht die Versorgung auf dem Land auch zukünftig kritisch: "Aus unserer Sicht wird sich der Fachkräftemangel insbesondere bei den niedergelassenen Fachärzten auf dem Land in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Eine Möglichkeit dem vorzubeugen wäre, dass Frauenärzte, die bisher ausschließlich in den Klinken arbeiten, teilweise auch ambulant tätig werden. Voraussetzung ist natürlich, dass auch hier ausreichend Kapazitäten vorhanden sind."