Das Bild des wahren Reformators in Coburg
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Donnerstag, 27. November 2014
Auf der Veste Coburg ist eine herausragende Neuerwerbung zu sehen, ein exemplarisches Bildnis-Relief Martin Luthers von Albert von Soest. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Cranachs Typisierung fortgesetzt wurde - mit nachhaltiger Wirkung bis heute.
Ausgesprochen lebendig und präsent blickt der Reformator in die Lutherstube auf der Veste Coburg - aus einer ganz besonderen Neuerwerbung der Kunstsammlungen: einem Bildnisrelief des in Lüneburg tätigen Albert von Soest (um 1520/25 - 1589), das Direktor Klaus We schenfelder ein "außergewöhnliches Zeugnis posthumer Luther-Verehrung" nennt. Das Porträt stammt aus Frankfurter Privatbesitz, es wurde 1990 in Stockholm erworben, angeblich aus schwedischem Adelsbesitz stammend.
Es handelt sich um ein sorgfältig und aufwändig gefasstes Relief in Cartapesta (Pappmaché). Der Bildschnitzer hatte sich auf die Herstellung von Arbeiten in dieser Technik spezialisiert.
Versehen mit sorgfältiger farbiger Fassung, teilweise sogar mit Vergoldung oder Lüsterfassung (Farblasur über Silberauflage). Erhalten sind nur drei Exemplare, von denen das Coburger das beste ist.
Luther im Fokus auch in Coburg
Warum kommt dieser Neuerwerbung so besondere Bedeutung zu? Zunächst also zum Hintergrund:
Martin Luther (1483 - 1546) rückt gegenwärtig auch in Coburg stark in den Fokus der Aufmerksamkeit. 1530 verbrachte der unter Reichsacht stehende Reformator fast ein halbes Jahr auf der Veste und arbeitete an seiner Bibelübersetzung. "Die Stadt Coburg fühlt sich mit dem Theologen und Reformator Martin Luther eng verbunden", heißt es in Infobroschüren und Internetauftritten der Stadt. Zudem läuft ja auch mit den anderen Lutherstädten die Bewerbung, die Luther-Gedenkstätten im Verbund als Unesco-Weltkulturerbe zu etablieren.
2017 jährt sich der Thesenanschlag zu Wittenberg zum 500. Mal, Anlass für zahlreiche Veranstaltungen im ganzen Luther-Lande. Die Kunstsammlungen der Veste haben 2017 die Ehre, Gastgeber für die Landesausstellung des Hauses der Baye rischen Geschichte zu sein. Sie wird sich dem Thema "Ritter, Bauern, Lutheraner" widmen.
Die Typisierung wirkt bis heute
Schon 2015 ist großes Cranach-Jahr. Des Jüngeren wird anlässlich des 500. Geburtstages in Thüringen und Bayern gedacht. Auf der Veste Coburg befindet sich wiederum ein bedeutender Schatz vor allem zu Vater Lucas Cranach, der mehrfach in Coburg war.
Ab April sollen also, korrespondierend zu den großen Ausstellungen zu Lucas Cranach dem Jüngeren in Thüringen, auf der Veste Coburg alle hier vorhandenen Cranachs präsentiert werden. "Wir werden deutlich machen, was wir alles haben", hatte Direktor Klaus Weschenfelder schon im Sommer selbstbewusst gegenüber dem Tageblatt angekündigt.
Vor allem aber hat Lucas Cranach d. Ä. mit seiner Werkstatt die Wahrnehmung Martin Luthers durch die Öffentlichkeit bis heute entscheidend geprägt, heute würde man sagen, er hat Luthers Image gestaltet. Ohne Cranachs Bilder hätte diese neue christliche Bewegung nie diesen Erfolg gehabt; da sind sich die Fachleute einig.
Die von Cranach typisierte Darstellung Luthers wurde von seinem Sohn in kongenialer Weise weitergeführt und als propagandistisches Mittel bis in die letzte Dorfkirche hinein eingesetzt, in einer Zeit, in der dem einzelnen Bild eine heute kaum mehr nachvollziehbare Bedeutung zukam.
Gerade auch in der nachreformatorischen Zeit, als es in Richtungsstreitigkeiten um die "wahre Lehre" ging, wurde Cranachs ikonisierte Bildfassung des Reformators unablässig reproduziert, mehr oder weniger gut ab- und nachgemalt.
Eines dieser Bilder von offensichtlich eingeschränkter Qualität, wohl um 1600 entstanden, das Luther Christus unmittelbar gegenüber stehend zeigt, zudem mit dem die Reformation beschützenden Kurfürsten Johann Friedrich links im Bild, befand sich im Depot auf der Veste. Klaus Weschenfelder ist es gelungen, über die Inventare nachzuweisen, dass dieses Bild lange Zeit in der Burgkapelle auf der Veste hing.
Weschenfelder hat es bewusst gegenüber der Neuerwerbung platziert, so wie das hochwertige Relief von Albert von Soest direkt korrespondiert mit dem Originalporträt an der Wand daneben, das Lucas Cranach d. Ä. um 1540 geschaffen hat.
Die Kunstsammlungen wollen gerade auch in diesem Verbund zeigen, wie Luthers Bild von den Cranachs "gemacht" wurde, wie ein Markenartikel etabliert und mit hohem Wiedererkennungswert verbreitet wurde.
In diesem konzentrierten kleinen Arrangement auf der Veste lässt sich etwas von der Kraft und der Bewegung erspüren, mit der eine Idee, ein Konzept, Glaube in der geistigen Welt einer Gesellschaft verankert werden.
Bildnis Martin Luthers von Albert von Soest (um 1520/25 - 1589), geschaffen zwischen 1552 und 1571. Das dem Werk zugrunde liegende Relief aus Buchsbaumholz wird im Staatlichen Museum Schwerin aufbewahrt. Von dieser Patrize wurde eine Matrize aus Ton hergestellt, von der wiederum die Abformung angefertigt wurde. Das Lutherbild existiert in zwei weiteren Versionen (Nationalmu seum Kopenhagen, evangelische Kirche in Stapel, Kreis Lüneburg), die aber beide bei weitem nicht in der Qualität der Coburger Fassung erhalten sind.
Die graphische Vorlage von Lucas Cranach dem Jüngeren wurde detailgetreu bis hin zu der auf der Stirn gezeigten Warze übernommen. In Hintergrund ist ein nicht näher bestimmbarer Kirchenbau zu sehen. Als Pendant hatte Albert von Soest einen "Christus Salvator" nach einem Holzschnitt Jacopo de Barbari geschaffen, von dem ein Cartapesta-Exemplar im Historischen Museum Stockholm erhalten ist. - Luther und Christus: mit dieser typischen Kombina tion sollte die Heiligmäßigkeit des Reformators zum Ausdruck gebracht werden.