Das 100. war das Schicksalsjahr für Koch in Creidlitz
Autor: Simone Bastian
Creidlitz, Mittwoch, 17. Sept. 2014
Die Hermann Koch Europe GmbH feiert am Freitag in Creidlitz 100 Jahre Firmengeschichte. Vor einem Jahr sah es für das Unternehmen noch düster aus: Der Insolvenzantrag lag sozusagen schon in der Schublade.
Thiemo Hagedorn, München, gehörte zu einem Kreis von mittelständischen Unternehmern, die Produktionsstandorte in Deutschland erhalten und ausbauen wollen. Thiemo Hagedorn, Creidlitz, hat seit einem Jahr Gelegenheit, umzusetzen, was er forderte. Vor gut einem Jahr übernahm er die Anteile und die Geschäftsführung der Hermann-Koch-Gruppe in Creidlitz. Und musste retten: "Wenn wir nicht gekommen wären, dann hätte die Insolvenz gedroht." Der entsprechende Antrag sei schon vorbereitet gewesen. Doch Hagedorn und sein damaliger Co-Geschäftsführer Jörg Lux verzichteten darauf, ihn abzuschicken, obwohl sich die Firma "in einer schweren Schräglage" befunden habe. Nun kann Hagedorn vermelden, dass das inzwischen 100-jährige Unternehmen nun wieder auf ordentlichen Beinen stehe.
Das Unternehmen bildeten damals die Hermann Koch GmbH und das Tochterunternehmen Kunststofftechnik Straufhain GmbH.
Hagedorn sah bei der Übernahme vor allem die Chancen im Unternehmen: Eine gute Auftragslage, starke und gewachsene Kundenbeziehungen, keine Abhängigkeit von einem Großabnehmer. "Unser größter Kunde macht acht Prozent des Umsatzes aus."
Tagessätze wie ein Monatslohn
Ein großer Teil der finanziellen Nöte 2013 sei selbstverschuldet gewesen, sagt der geschäftsführende Gesellschafter: "Über eine Million Euro" sei damals für Berater ausgegeben worden, "und die haben Tagessätze wie ein Monatslohn unserer Werker". 2010 wies die Hermann Koch GmbH einen Umsatz von 20,5 Millionen Euro aus, der Gewinn lag bei einer halben Million Euro. Noch im März 2014 klagte einer dieser Berater ausstehende Honorare ein; der Prozess endete mit einem Vergleich.
Ohne die Hilfe der Mitarbeiter und Kunden wäre die Unternehmensrettung freilich nicht gelungen, räumt Hagedorn ein. Die Mitarbeiter akzeptierten, dass ihre Löhne gestaffelt ausgezahlt wurden - "den letzten Teil gab es einen Monat verzögert", die Lieferanten gewährten verlängerte Zahlungsziele. Außerdem setzte Hagedorn auf das Wissen der Mitarbeiter in der Produktion, was Verbesserungen bei Abläufen und Verfahren angeht. "Wir produzieren heute 20 Prozent mehr."
Demut und Dankbarkeit
Entlassen wurde aus betriebsbedingten Gründen niemand, und jetzt sucht die Hermann Koch Europe sogar neue Mitarbeiter. Entscheidende unternehmerische Weichenstellungen fielen allerdings schon vor Hagedorns Zeit: "Wir hatten keine eigene Produktentwicklung, wir haben gängige Designs nur nachgebaut, der Wettbewerb lief über den Preis", erzählt die Marketingleitern Melanie Krempel. Der damalige Geschäftsführer Christian Lützelrath richtete ein Entwicklerteam ein, suchte die Zusammenarbeit mit jungen Designern von der Coburger Hochschule. Es gab nicht nur neue Produkte, sondern auch ein neues Unternehmenslogo, um vom angestaubten Image wegzukommen. "Wir bewegen uns im Premiumsegment", betont Melanie Krempel. "Wir machen keine Massenprodukte." Die Größenordnungen in der Tiegelproduktion belaufen sich auf 10 000 bis 25 000 Stück, eine Großserie hat dann mal drei Millionen Stück - und dann sind es meist Lippenstifthalter.
"Es ist oft der gleiche Tiegel, aber unterschiedlich bedruckt oder sogar metallisiert", erläutert Hagedorn, der von Kunststoffspritzguss und der Fertigung von Behältern für Kosmetika überhaupt keine Ahnung hatte, als er in Creidlitz anfing. "Bis hin zu Swarowskisteinen und Lederimitat" reichen die Dekorationsmöglichkeiten für die Cremedosen.
Das Geld werde mit der Dekoration verdient, aber die Herstellung der Kunststoffbehälter - dickwandig, doppelwandig, einwandig - sei keinesfalls trivial, betont der Geschäftsführer. Da werden unterschiedliche Kunststoffe miteinander verarbeitet, die dickwandigen Gefäße müssen erst etwas in der Form abkühlen, bevor sie herausgenommen werden können, und wegen der relativ kleinen Serien müssen die Maschinen oft umgerüstet werden.
Hagedorn weiß das Wissen der oft langgedienten Mitarbeiter zu schätzen und geht oft während der Spät- und Nachtschichten durch die Produktionshallen, wie er erzählt. "Das ist sehr gewinnbringend", vor allem wegen des direkten Kontakts zu den "Werkern".
Die Mitarbeiter sollen im Mittelpunkt stehen, wenn am Freitagabend das 100. Firmenjubiläum gefeiert wird. "Demut und Dankbarkeit" empfinde er nach der Entwicklung des vergangenen Jahres, sagt Hagedorn. Es werde keine große Feier, denn die Rettung sei erst "weitgehend" gelungen. Doch es sei eine Basis geschaffen fürs nächste Jahrhundert.
Gemeinsames Interesse am Fortbestand
Ohne das Entgegenkommen der Beschäftigten wäre die Konsolidierung bei Hermann Koch nicht gelungen, sagt Geschäftsführer Thiemo Hagedorn. Mit im Boot war von Anfang an die Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie (IG BCE), die entsprechende Vereinbarungen für die Beschäftigten abschloss. Seppel Kraus, Bezirksleiter der IG BCE für Bayern, sieht das Unternehmen nun auf einem guten Weg. "Wir haben jetzt einen Unternehmer im Haus, der Interesse an dem Unternehmen hat, und beide Seiten haben Interesse am langfristigen Erhalt des Unternehmens", sagt er.
Die Beschäftigten seien immer nach Tarif bezahlt worden. Allerdings seien schon vor der Übernahme durch Hagedorn Zugeständnisse gemacht worden. Das Unternehmen habe sich schon länger in schwierigen Gewässern befunden, "und es ist das Übliche passiert, wenn Banken die Regie übernehmen", sagt Kraus. Friedrich Frisch wurde mehr oder weniger aus der Geschäftsführung seines Unternehmens gedrängt; 2008 kam Christian Lützenrath als Interims-Geschäftsführer. Für die Hermann-Koch-Gruppe sei das ein Glücksfall gewesen, sagt Kraus: "Er hat geholfen, dass das Unternehmen überlebt." Angekündigt wurden damals jedoch der Abbau von 25 Stellen, die Belegschaft verzichtete auf Weihnachtsgeld. Lützenrath ging im Sommer 2012.
2013 war das Unternehmen wieder in Schieflage. Mit Hagedorn sei die Wende gekommen, sagt Kraus "Es ist alles noch auf wackligen Füßen, und es sind noch viele Hausaufgaben zu machen, aber wir sind jetzt in der besten Situation der letzten fünf Jahre." Die Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter könnten sich nun wieder Alltagsthemen widmen wie Sonderschichten und Qualitätssicherung.
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