Dann wurde er der Vogelfänger in Coburg
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Mittwoch, 17. Juli 2019
Manche können nicht anders, doch für viele Darsteller war es nicht leicht, sich für das Theater zu entscheiden. Zum Beispiel Marvin Zobel, Bariton am Landestheater.
"Isch Vojellfänger bin begkannt...Der Vogelfänger aus Mozarts "Zauberflöte", der Marvin Zobel in der - bleiben wir freundlich - umstrittenen Coburger Inszenierung. Bei der letzten Vorstellung in der vergangenen Woche, da hat er einfach losgelegt, auf Rheinisch. Was ihm Regisseur Philipp Westerbarkei verboten hatte; passte dessen Meinung nach nicht zum Konzept. Doch in der letzten Aufführung einer Produktion, da erlauben sich die Darsteller schon mal das eine oder andere. Nicht darin liegt Mut.
"Dass ich in jedem Moment vom Hochdeutschen in den Dialekt umdenken musste, wo man manche Dinge ganz anders sagt, das war hart", denkt Marvin Zobel an die Herausforderung. "Ich hab' wahnsinnige Konzentration gebraucht. Aber ich hab' bis zum Schluss durchgehalten." Da grinst er auf seine gewinnende Art, breit, sich des Momentes bewusst und dabei ruhig bleibend. "Aber eigentlich war das nicht mutig. Das war tollkühn."
Marvin Zobel, der in der neu en Intendanz von Bernhard Loges neue Bariton am Landestheater, dringt bei der Frage, was mutiges Verhalten für Bühnendarsteller bedeutet, sofort in jenen Bereich vor, der nur im Moment einer Live-Aufführung entstehen kann, im lebendigen Miteinander von Darstellern und Zuschauerresonanz. Bei noch so akribischer Inszenierung und Einstudierung passiert an jedem Abend etwas Eigenes.
Auf dem Weg zur intensivsten Darstellung mag es Sänger, Schauspieler, Musiker (bisweilen) reizen, weiter zu gehen, sich in der Identifikation, der Vergegenwärtigung dessen, was geistig und seelisch gemeint ist, und der Übertragung der inneren Geschehnisse auf den Zuschauer, noch weiter an den Rand zu wagen. Dazu gehört Mut, da droht neben Jubel und Befriedigung genauso der Absturz, der persönliche, dass sich der Darsteller psychisch, seelisch "Dingen" aussetzt, die ihn selbst in Frage stellen, ihn gefährden.
Marvin Zobel und sein rheinischer Papageno-Naturbursche, das war wohl eher ein technisch gewagter Spaß. Doch der spätberufene Sänger ist auch ein Beispiel für die Herausforderung, mit der das Abenteuer Kunst für den einzelnen verbunden sein kann, für die Bereitschaft zum Wagnis, zum Loslassen, zum Sprung ins Unbekannte.
Marvin Zobel hat erst mit 26 Jahren ernsthaft angefangen zu singen. Er ist Physiotherapeut, wollte immer Medizin studieren, hat dann BWL studiert. "Ich habe Gesang gehasst, vor allem klassischen. Man versteht die ganze Zeit kein Wort. Blöde Leute auf der Bühne, die blöd rumstehen, um ihre Töne zu stützen." Kurz gesagt, er hatte da von der Kunst, vom Theatererlebnis noch gar nichts verstanden.
Er wollte doch etwas anderes
Marvins Mutter ist engagierte Laiensängerin. Es war deren Lehrerin, Csilla Zentai, die ihm in den Ohren lag, seit er etwa 20 war. Da hatte er so zum Spaß bei einer Familienfeier mit seiner Mutter ein Duett gesungen. Irgendwann hatte die Lehrerin ihn so weit, dass sie ihm etwas zeigen durfte. "Es war die körperliche Erfahrung beim Singen, die hat mich verblüfft", erinnert sich Marvin Zobel. Zentai hat ihn ein bisschen unterrichtet und ihn fast gezwungen, bei verschiedenen Hochschulen vorzusingen. "Es war irre, ich wurde überall genommen."