Dann wär' da noch ein Problem
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Sonntag, 29. Mai 2016
Zur Premiere von Jordi Galcerans Schauspiel "Die Grönholm-Methode" am Landestheater Coburg kamen erschreckend wenige Zuschauer.
Die Firma ist überall und weiß alles. Nicht der Staat, wie wir früher fürchteten, sondern die globale (Finanz-)Wirtschaft ist zum tief in die individuellen Seelen hinein herrschenden System geworden. Entweder unterwirfst du dich - selbstverständlich auch in deinem Privatleben - ihren aufs Vorzivilisatorische zurückgeführten Prinzipien: Setz deine Interessen durch, egal wie, oder stirb. Dann kannst du teilhaben an Macht und Geld. Oder du verlierst deine Existenzgrundlage.
Jordi Galcerans derzeit viel gespieltes Schauspiel "Die Grönholm-Methode" führt diese Entwicklung eindringlich vor Augen: Vier Bewerber für einen hohen Managerposten werden von dem katalanischen Autor in ein Labor gesteckt, wo sie sich einem zynischen Auswahlverfahren unterwerfen müssen. Die vor nichts zurückschreckende Methode hat ein Psychologe der Firma, Grönholm, entwickelt.
Intensives Spiel
Für die Coburger Inszenierung von Gastregisseurin Alice Asper ließ der Bamberger Bühnenbildner Karlheinz Beer die dunkle Bühne des Großen Hauses drohend offen, darin ein nicht durchschaubares Kästchensystem von weißen Wänden, die keine Sicherheit bieten, da veränderlich. Das darüber schwebende, Erfolg und leichte Zukunft versprechende Mobile mit seinen pastelligen, abstrahierten Wolken ist der pure Hohn. Anne Riekhof, Thorsten Köhler, Nils Liebscher und Niklaus Scheibli sind in der stimmigen Personenführung von Alice Asper ein bestens funktionierendes Schauspielerquartett. Die vier stellen die unterschiedlichen Charaktere der Bewerber präzise heraus und wissen gleichzeitig subtil ein emotionales und psychologisch vertracktes Netz über die anderthalb pausenlosen Theaterstunden zu werfen, zwischen Zielstrebigkeit und persönlichen Schwächen, Täuschungen, Lügen, geradezu kriegerischen Methoden, wie sie durch die ominösen Anweisungen per blauen Briefen evoziert werden.
Das Lachen bleibt einem bei diesen in die Farce getriebenen Verfahren, die aber gar nicht weit entfernt sind vom mittlerweile überall Praktizierten, oft genug im Hals stecken.
Vor leeren Reihen
Kommen wir zum zentralen Problem dieser Produktion: Das Landestheater war zu dieser Schauspielpremiere erschreckend leer. Das Publikum in der Region scheint von vorne herein keine Lust mehr auf derlei Gegenwartstheater zu haben. Im Gegensatz zu weit über die Region hinaus anziehenden Musiktheaterproduktionen trifft das Coburger Schauspiel schon während der gesamten Spielzeit auf zunehmend alarmierendes Desinteresse. Obwohl die Produktionen im einzelnen nach wie vor gut gemacht sind. Liegt es am Zeittrend, an der Auswahl der Stücke, an der vom Rechnungshof im letzten Jahr verordneten deutlichen Erhöhung der Eintrittspreise? - Nach glücklichen Jahren ballen sich nun sehr schnell diverse Problem über dem Coburger Landestheater zusammen.
Die Produktion Landestheater Coburg: "Die Grönholm-Methode", Schauspiel von Jordi Galceran. Inszenierung Alice Asper, Bühnenbild und Kostüme Karlheinz Beer. Darsteller: Thorsten Köhler, Niklaus Scheibli, Anne Rieckhof, Nils Liebscher.
Weitere Vorstellungen 3., 15., 23. Juni, 19.30 Uhr, 5. Juni, 18 Uhr.
Der Autor Jordi Galceran Ferrer, geboren 1964 in Barcelona, studierte katalanische Philologie. Er schreibt sowohl auf Katalanisch als auch auf Spanisch und erhielt für seine Dramen zahlreiche Auszeichnungen. Neben seiner Tätigkeit als Dramatiker ist Galceran auch als Übersetzer und Journalist tätig. Seinen internationalen Durchbruch erlebte er mit dem Drama "Die Grönholm-Methode" (2003). Unter dem spanischen Titel "El método" wurde das Stück in der Regie von Marcelo Piñeyro 2005 auch verfilmt.