Coburgs vergessenes Erbe
Autor: Redaktion.
Coburg, Dienstag, 24. Juni 2014
Repräsentative Industriebauten zeugen vom wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt im 19. Jahrhundert. Eine Ausstellung im Juli rückt diese wenig beachteten Schätze der Baukultur in den Mittelpunkt.
Coburg ist reich an eindrucksvollen Baudenkmälern. Die Veste und die Ehrenburg, die Morizkirche und das Rathaus, das Landestheater und das Bürglaßschlösschen - sie alle zeugen von der wechselvollen historischen Vergangenheit der Stadt. Für eines aber ist die einstige Residenzstadt sicher nicht bekannt: für einen übermäßigen Reichtum an Industriebauten. Schornsteine und Fabrikhallen, so scheint es, vertragen sich nicht so recht mit dem Selbstverständnis der meisten Coburger. Industriekultur? - Das ist doch wohl eher die Angelegenheit vermeintlich gesichtsloser Städte im Ruhrgebiet oder im Saarland, gleichbedeutend mit Staub, Schmutz und fehlender Geschichte.
Ganz so einfach ist die Sache freilich nicht. Denn auch an der bis dahin beschaulichen kleinen Residenzstadt ging die Industrialisierung des 19.
Eine Fabrik wie ein Schloss
Ein Gang durch die Stadt öffnet den Blick für die einstige Vielfalt an Gewerben, aber eben auch für die baulichen Hinterlassenschaften des wirtschaftlichen Aufschwungs im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. In der Kasernenstraße etwa, nur wenige Schritte von der Heilig-Kreuz-Kirche entfernt, erhebt sich ein neubarocker Prachtbau, der auf den ersten Blick wie ein Schloss anmutet. Tatsächlich aber handelt es sich bei dem Gebäude um die ehemalige Mechanische Weberei J. P. M. Forkel, deren Vorderhaus 1907 durch den Architekten Georg Kempf neu errichtet wurde. Es ist ein ganz typischer Bau aus dem Zeitalter der Industrialisierung - nicht zweckmäßig und fern der Innenstadt auf die grüne Wiese gebaut, sondern in repräsentativen Formen mitten im Herzen der Stadt errichtet.
Einer der bekanntesten Baumeister des Coburger Jugendstils verewigte sich unweit des Bahnhofes in der Raststraße. August Berger schuf hier 1908 den Neubau der Fahrradfabrik Greif & Schlick - ein monumentaler, strenger Jugendstilbau, der in ganz Coburg ohne Vergleichsbeispiel ist. Nach dem Konkurs des traditionsreichen Unternehmens übernahm die Firma HUK den Komplex und baute ihn denkmalgerecht zu einem Bürohaus um.
Auch ein anderes Industriedenkmal erfuhr in jüngerer Vergangenheit eine sinnvolle Umnutzung. Die ehemalige Miederwarenfabrik Escora an der Rosenauer Straße wurde zwischenzeitlich saniert und als Esco-Park wieder einer gewerblichen Nutzung zugeführt. Auch sie ist ein Bau des Coburger Jugendstils, errichtet durch Paul Schaarschmidt im Jahre 1914. Das Escora-Gebäude zeichnet sich dabei mehr noch als die frühere Fahrradfabrik Greif & Schlick durch einen enormen Detailreichtum aus - der aufwendig gestaltete Zaun entlang der Rosenauer Straße zählt ebenso zu den künstlerischen Zutaten Schaarschmidts wie auch die Reliefs an der Fassade mit Allegorien des Handels.
Doch nicht immer behandelten die Coburger ihr industrielles Erbe so pfleglich wie im Fall der Escora oder auch des ehemaligen Hofbrauhauses, welches heute von der Fachhochschule genutzt wird.
Opfer der Abrissbirne
Viel zu viele Industriedenkmäler im Schatten der Veste fielen noch in jüngerer Vergangenheit der Abrissbirne zum Opfer - erinnert sei beispielsweise an die neubarocken Firmengebäude der Porzellanfabriken Creidlitz, die nach dem Konkurs des Unternehmens noch Mitte der 1990er Jahre abgebrochen wurden. Heute erhebt sich an ihrer Stelle ein gesichtsloser Baumarkt, an die industrielle Vergangenheit des Geländes erinnert den Besucher nichts mehr.
Die Ausstellung
An das industrielle Erbe Coburgs erinnert eine Ausstellung, die unter dem Titel "Tradition & Innovation. Coburger Erfolgsgeschichten" vom 5. bis 11. Juli in den ehemaligen Räumen der Firma Gardinen Zapf (Ketschengasse 28) zu sehen sein wird. In Zusammenarbeit mit der Initiative Stadtmuseum Coburg wird sie von den Altstadtfreunden Coburg anlässlich ihres fünfjährigen Bestehens durchgeführt.