Coburgs mahnende Bausünden
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Donnerstag, 11. Oktober 2012
Die Altstadtfreunde erinnern an historische Gebäude, die den Coburgern im Weg waren.
Ein Abrisskalender, der seinem Namen alle Ehre macht. Die Altstadtfreunde Coburg haben ihn für 2013 auf den Markt gebracht - mit Bildern und Texten, die an Häuser und Gebäude erinnern, die von 1956 bis 2012 in Coburg abgerissen wurden.
Wie schreibt Michael Heinrich in seinem Vorwort: "Flair hat's schwer - manchmal". Der Vizepräsident der Hochschule, im Vorstand der Altstadtfreunde aktiv, engagiert sich mit Leidenschaft und Sachverstand für Architektur und Stadtplanung.
Was wäre eine Stadt ohne seine historische Architektur? Sie macht das Flair und die Wärme, "feiert gestalterische Werte wie Individualisierung, Lust am Ornament und Zitat, handwerkliche Solidität und raffinierte Silhouettenbildung".
"Die Coburger Gebäude in diesem Kalender standen irgendwann einmal irgendeinem Interesse im Wege", ist der Professor überzeugt. "Einige von ihnen wurden übereilt beseitigt, so dass eine sorgfältige Abwägung öffentlicher Interessen, und dies auch in der Öffentlichkeit, kaum stattfinden konnte. Bei anderen wurden nach teils heftiger öffentlicher Diskussion Tatsachen geschaffen. Bei wieder anderen schien der Aufwand nicht zu lohnen, oder es musste schnell eine pragmatische Lösung her. Aber: Weg ist weg."
Heinrich nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um schützenswerte Bausubstanz geht. In Coburg gebe es noch viele wertvolle Orte, denen ähnliche Schicksale blühen könnten, meint er.
Und deshalb gibt es auch diesen Kalender. Er soll das Bewusstsein der Bedeutung baulichen Erbes als Identitätsträger und Potential gleichermaßen wecken.
Vorsitzende Christa Minier und Rupert Appeltshauser, Mitglied bei den Altstadtfreunden, beschreiben die besondere Bewandtnis dieses Abrisskalenders: "Jeder Ratsch bringt uns um einen Monatsschritt in die Zukunft. Gleichzeitig eröffnet er einen Blick in die Vergangenheit, so wie Coburg einmal war."
Sie sprechen sarkastisch vom "alten Gehötsch", das weg musste und sie resümieren: Schöner geworden ist Coburg dadurch nicht. Was nicht heiße, dass die Spitzweg-Idylle zum romantischen Ideal der Stadtentwicklung erhoben werden soll. Eine Stadt müsse sich verändern, müsse lebendig bleiben. Sie wünschen sich intelligente und fanthasievolle Lösungen: "Mehr Birne also, und die Abrissbirne wird zunehmend außer Gebrauch geraten!"