Coburgs königliches Privileg
Autor: Simone Bastian
Coburg, Freitag, 28. Sept. 2018
Eine zufällig wieder aufgefundene Urkunde belegt, wie eng das Verhältnis des Coburger Herzogshauses zur Stadt war.
Die Sache, um die es geht, klingt simpel: Die Stadt Coburg darf für Trauerfeiern auf dem Glockenbergfriedhof das Vestibül des herzoglichen Mausoleums nutzen. Das wurde 1860 in einer Urkunde so festgehalten. Im Deutsch der damaligen Zeit klingt das etwas gestelzter: "Demnach ist es Unser Wille, dass das vor der eigentlichen Begräbniskapelle befindliche Vestibül insofern dem allgemeinen Nutzen der Stadt Coburg diene, als bei allen in dem Friedhof stattfindenden Beerdigungen, Leichenbegleitungen der Eintritt in dieses Vestibül - sofern dasselbe nicht gerade für ein fürstliches Leichenbegräbnis in Anspruch genommen ist - zum Zweck der Abhaltung und Anhörung von Begräbnisreden gestattet sein soll."
Das Besondere an dieser Urkunde: Sie ist von fünf Mitgliedern des Herzogshauses unterzeichnet, vier davon stehen für die damaligen Linien des Hauses Sachsen-Coburg-Gotha: Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha als Chef des Stammhauses, Prinzgemahl Albert als Oberhaupt von Saxe-Coburg in England (heute Haus Windsor), König Leopold I. für die belgische Linie und August von Sachsen-Coburg und Gotha für die Kohary-Linie. Die fünfte Unterzeichnerin ist Victoire Herzogin von Kent, die Mutter von Queen Victoria, Alberts Gemahlin.
Damit diese fünf Persönlichkeiten alle unterzeichnen konnten, reiste das Schriftstück quer durch Europa: Von Gotha , wo Herzog Ernst II. am 5. März 1860 unterschrieben hatte, nach Laeken (Belgien, 15. März) zu Leopold I, König der Belgier. Dann über den Ärmelkanal nach Osborne, zu Albert (20. März), von da zu Victoire nach Frogmore (21. März) und schließlich einmal quer durch Europa nach Wien zu August (4. April).
Wie das Schriftstück transportiert wurde, ist nicht überliefert. Überraschend dürfte es für die Stadt damals nicht gewesen sein. Das Mausoleum war bewusst so errichtet worden, dass die Vorhalle (das Vestibül) für solche Feiern genutzt werden konnte. Denn auf dem damals "neuen" Friedhof gab es noch keine geeigneten Gebäude. Das erste, was die Stadt errichtete, war das Wohnhaus der Friedhofsgärtner, die Aussegnungshalle von Louis Martinet folgte erst 1865.
Von da an wurde das Mausoleum vermutlich nicht mehr genutzt. Aber man erinnerte sich an die Urkunde: 1953 und 1968 wurden an der Aussegnungshalle Renovierungen vorgenommen. Unter Berufung auf die Urkunde von 1860 teilte die Stadt damals jeweils der Herzoglichen Hauptverwaltung mit, dass das Mausoleum für Trauerfeiern in Anspruch genommen werde. Es steht ohnehin auf städtischem Grund: 1925 stellte der Stadtrat zu Coburg fest, dass hier ein Erbbaurecht bestehe.
Auch in den zurückliegenden drei Jahren fanden Trauerfeiern im Mausoleum statt, weil die Aussegnungshalle umgebaut und saniert wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Dachboden ausgemistet, und dabei fand sich in einem Ordner übers Mausoleum die bedeutsame Urkunde
Sie wurde nun dem Stadtarchiv übergeben, wo sie konservatorisch behandelt werden soll, wie Kulturamtsleiter Klaus Anderlik sagte. Der Ordner mit dem Schriftverkehr in Sachen Mausoleum birgt aber noch andere interessante Geschichten: 1950 bot die Herzogliche Hauptverwaltung das Mausoleum der Stadt an. Die hätte es auch übernommen, wollte es aber vorher instandgesetzt haben, da die Stadt dann künftig für den Unterhalt zuständig gewesen. Die Kosten für die Sanierung wurden auf rund 24000 DM geschätzt. Davon hätte die Herzogliche Hauptverwaltung 11200 DM übernehmen sollen. Dieser Betrag war aber offenbar zu hoch: Mit Schreiben vom 8. Dezember 1950 teilte der Generaldirektor der Herzoglichen Hauptverwaltung mit, dass diese nicht in der Lage sei, "die angegebenen Aufwendungen zur Beseitigung der Schäden am Mausoleum zu bewirken". Die notwendigsten Reparaturarbeiten werde die Herzogliche Hauptverwaltung im darauffolgenden Frühjahr vornehmen lassen.