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Coburgs Beschaffer vom Dienst


Autor: Simone Bastian

Coburg, Montag, 07. August 2017

Die "Zentrale Beschaffungsstelle" kümmert sich um alles, was für die Stadt Coburg gut und teuer ist.
Drei der vier von der zentralen Beschaffungsstelle in der Stadtverwaltung (von links): Gerald Hellmuth, Heike Döhler und Kai Bartlau. Simone Bastian


Die Stadt Coburg hat Marktmacht: Sie baut, saniert, hält ihre Gebäude instand, sie braucht für ihre Schulen, Ämter und öffentliche Einrichtungen Dinge wie Toilettenpapier, Bleistifte, Putzmittel und Computer, sie kauft Feuerwehrautos und Traktoren und hat gerade Angebote eingeholt für eine "Versenkungsanlage" im Krematorium.

Viele dieser Einkäufe und Dienstleistungen muss die Stadt öffentlich ausschreiben. Für alles, was mehr als 10 000 Euro kostet, ist seit 1. November 2014 die "Zentrale Beschaffungsstelle" in der Stadt zuständig. "Wir kümmern uns nicht darum, was beschafft wird, sondern wie es beschafft werden muss", sagt Gerald Hellmuth, der Leiter des vierköpfigen Teams. Jeder der vier hat nebenbei noch andere Aufgaben in der Stadtverwaltung - Hellmuth zum Beispiel kümmert sich auch um das Bauinvestitionscontrolling, Kai Bartlau ist auch im Fahrdienst tätig, Heike Döhler im Personal- und Organisationsamt.

Keiner von ihnen hat eine juristische Ausbildung. Trotzdem müssen sie sich mit Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Direktiven auseinandersetzen, die regeln, wie eine Ausschreibung zu erfolgen hat. "Jemand wollte mal all diese Vorschriften zählen und hat bei über 800 damit aufgehört", sagt Gerald Hellmuth.

Ein Verstoß gegen Vergaberichtlinien kann teuer werden: Der Freistaat sei schnell dabei, Fördermittel zurückzufordern, erläutert Hellweg. Außerdem könne bei großen Verstößen die EU ein Verfahren gegen das Mitgliedsland einleiten und Strafen verhängen. Die können bis in den zweistelligen Millionenbereich gehen, sagt Hellmuth. Aber auch auf nationaler und regionaler Ebene befassen sich Verwaltungsgerichte und eigens eingerichtete Kammern mit Verstößen gegen das Vergaberecht. "Drei bis fünf Urteile gibt es wöchentlich allein in Deutschland", erzählt Hellmuth.

Klagen kommen meist von den unterlegenen Bietern. Selbst, wenn sie nicht Recht bekommen, verzögern Einsprüche oder Klagen die fraglichen Projekte: So musste der Landkreis Coburg im vergangenen Sommer die Angebote zum Bau der Kreisstraße CO 13 erneut sichten und werten, weil ein Bieter ein Nachprüfungsverfahren bei der zuständigen Vergabekammer in Ansbach beantragt hatte.

So etwas soll der Stadt nicht passieren - das war einer der Gründe, eine zentrale Beschaffungsstelle einzurichten. Erste Überlegungen wurden noch unter Alt-Oberbürgermeister Norbert Kastner angestellt, berichtet Hellmuth. Eingerichtet wurde die Stelle dann zum 1. November 2014. Seitdem hat sie Aufträge in Höhe von über 16 Millionen Euro vergeben, wobei 9,5 Millionen Euro auf Bauprojekte entfallen. Da waren große Objekte dabei wie die neue Dreifachsporthalle an der Karchestraße und die Ernst-Faber-Brücke. Demnächst will die Stadt den Auftrag für Planung und Bau der Interimsspielstätte fürs Landestheater vergeben. "Dafür haben wir Beratung durch externe Juristen, weil es ein sehr komplexes Verfahren ist", erläutert Hellmuth.

Es sei keineswegs so, dass bei öffentlichen Ausschreibungen immer der zum Zuge komme, der am wenigsten verlangt. Die Stadt kann sehr genaue Vorgaben machen, was ein Bieter nachweisen muss: Dass seine Mitarbeiter korrekt bezahlt werden, zum Beispiel, oder dass keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit verwendet werden. "Wir haben schon Verträge nicht geschlossen, weil der Bieter nicht nachweisen konnte, dass er seinen tariflichen und gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt", sagt Hellmuth. Sogar die Kohlendioxid-Bilanz kann ein Kriterium sein. Ein hoher CO 2 -Ausstoß durch lange Transportwege lässt sich in Form von Kosten darstellen - ein Vorteil für lokale Anbieter, die diese Kosten nicht haben. "Das Spiel ist legitim", sagt Hellmuth. "Nachhaltiges Wirtschaften liegt mir wirklich am Herzen." Aber ob er so ausschreiben soll, entscheidet "die Politik", also der zuständige Senat oder der Stadtrat.


Baustelle geräumt

Hellmuth und seine Kollegen wachen auch darüber, ob die vereinbarten Leistungen eingehalten werden, zum Beispiel die korrekte Bezahlung der Beschäftigten am Bau. "Ich hab schon mal den Zoll eine Baustelle räumen lassen. Da waren Ungarn für 2,30 Euro die Stunde beschäftigt. Das mache ich jederzeit wieder", sagt Hellmuth grimmig.

Dass große Städte wie München oder Nürnberg zentrale Beschaffungs- oder Vergabestellen haben, ist nicht weiter ungewöhnlich. Bei den kleineren Städten sei Coburg jedoch Vorreiter, sagt Hellmuth. Seine Expertise ist inzwischen gefragt: Vor Kurzem hielten die Coburger einen Workshop im Heimatministerium für Regionalmanagement-Stellen.
Auch aus den umgebenden Städte und Landkreisen kommen immer wieder ratsuchende Anfragen. Hellmuth, der selbst im Landkreis Haßberge und in der gleichen Gemeinde wie Landrat Wilhelm Schneider wohnt, wurde auch von dort schon um Rat gefragt. Manchmal wollen auch Handwerker wissen, ob ein Verfahren andernorts wirklich korrekt läuft.
Hellmuths Ansicht nach werden Vergaben ohne Experten bald nicht mehr möglich sein - und für die kleinen Kommunen sei das kaum zu leisten. "Inzwischen gibt es auch eine Vergabestatistikverordnung. Jeder Auftrag über 25 000 Euro ist zu melden. Und das soll jemand in einer kleinen Kommune nebenbei machen?"
Hinzu kommt, dass ab 2018 die Vergabe öffentlicher Aufträge nur noch auf elektronischem Wege erfolgen darf. Gleichzeitig wollen und sollen Stadt und Landkreis Coburg sicherstellen, dass auch kleine Handwerksbetriebe sich noch ans Ausschreibungen beteiligen können. Deshalb stellen Stadt und Landkreis derzeit Überlegungen an, eine gemeinsame Vergabeplattform zu schaffen. Sogar über eine interkommunale Zusammenarbeit in diesem Bereich werde nachgedacht, sagt Dieter Pillmann, Pressesprecher des Landkreises. Dann könnte die Zentrale Beschaffungsstelle der Stadt auch für den Landkreis und andere Gemeinden tätig werden.