Coburger wollen keine schweigende Mehrheit sein
Autor: Rainer Lutz
Coburg, Sonntag, 09. März 2014
Die Bürgerinitiativen, die sich gegen die geplanten Großprojekte in der Region stellen, riefen zur Kundgebung auf dem Gelände des Landratsamts. Hunderte Bürger kamen, um ihrem Unmut Luft zu machen.
Sie wollen nicht die schweigende Mehrheit sein, sondern eine "kritische Masse". Deshalb kamen wohl gut 800 Bürger gestern zur Großkundgebung mehrerer Bürgerinitiativen auf den Parkplatz des Landratsamts. Dabei wollen die Gegner von Flugplatz, Werrabahn und Höchststromleitung, nicht als "Neinsager" gelten, wie Gerd Heinlein betonte, der die Kundgebung moderierte. Es gehe vielmehr um ein "Ja" zu klügeren Lösungen.
Für "Demo-Stimmung" sorgte als erster Redner Klaus Kummert. Der Lautertaler wetterte engagiert gegen die IHK und ihr auf veralteten Grundlagen basierendes Gutachten zur Möglichkeit, durch das enge Tal eine Bahnstrecke zu bauen. Er erinnerte daran, dass die ehemalige Strecke entwidmet ist und daher auch nicht von einer Reaktivierung gesprochen werden kann. Für ihn steht vor allem fest: "Wir wollen keine Bahnlinie durch das Gemeindegebiet von Lautertal, Punkt!"
Gerd Heinlein ist der Meinung, dass Fahrgäste viel schonender und kostengünstiger mit einem Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs auf der Straße befördert werden könnten.
Flugplatz
"Solche Tricks haben die nötig!", schimpfte Christine Pötsch-Lauer. Sie meinte damit die Befürworter eines neuen Verkehrslandeplatzes bei Wiesenfeld. Diese haben sich den Namen der Homepage der Initiative "Bürger für ihre Region" in anderen Schreibweisen gesichert, damit Internetnutzer, die nach der Seite der Gegner suchen, auf der Homepage der Befürworter landen.
Von den Politikern der Region fühlen sich die Flugplatzgegner im Stich gelassen. Habe Landrat Michael Busch (SPD) sich vor der letzten Wahl noch klar gegen das Projekt ausgesprochen, verweise er nun auf das beschlossene Planfeststellungsverfahren. Sein Gegenkandidat von der CSU, Rainer Mattern, beziehe auch nicht klar Stellung. Gegenüber unserer Zeitung hatte Mattern allerdings erklärt, dass er auf der Grundlage derzeitiger Erkenntnisse nicht für eine Verlegung des Flugplatzes stimmen könne. Ein klares "Nein" zum Flugplatz gibt es jedoch nur vom Kandidaten der ÖDP, Christoph Raabs.
Dass inzwischen nicht mehr eine Start- und Landebahn von 1800 sondern nur noch von 1200 Metern geplant sein soll, stellt nach Ansicht von Christine Pötsch-Lauer "Den Wunsch nach einem Neubau noch irrsinniger dar." Die Behauptung der IHK in Coburg, der Freistaat werde den Neubau mit 50 Prozent Förderung unterstützen, habe sich auf Anfrage beim zuständigen Ministerium als Lüge entpuppt. Dass eine Ausnahmegenehmigung für den weiteren Betrieb des Platzes auf der Brandensteinsebene von der Planung und dem Bau eines neuen Platzes abhänge, sei ebenso falsch. Daher könnten sich die Kommunalpolitiker nicht aus der Verantwortung stehlen. Es sei vielmehr ihre Entscheidung, die Zustimmung zu einem Planfeststellungsverfahren zurückzuziehen und eine Finanzierung der Bau- und laufenden Kosten für einen Flugplatz abzulehnen.
Wut über die Stromtrasse
"Die geplanten Gleichstromleitungen sind Wünsche der Netzbetreiber. Sie verdienen ihr Geld damit. Aber es wurde weder eine quantitative Begründung dafür geliefert noch wurde nachgewiesen, dass diese Trassen wirklich für die Energiewende gebraucht werden", sagte Anette Martin als Sprecherin der Initiativen gegen die 380-kV-Leitung von der Küste durch das Coburger Land.Nach wie vor sind die Gegner überzeugt, dass dezentrale Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen, Windkraft und Solarenergie, die Leitung überflüssig machen kann. Über diese solle vielmehr "dreckiger" Kohlestrom oder Atomstrom aus Russland "gehandelt" werden.
Waltraud Deutschmann zitierte aus ihrem Einwand gegen die Trasse im Zuge des Planfeststellungsverfahrens. Damit gab sie eindringlich wieder, was Bürger bewegt, die wie sie aufs Land gezogen sind, um saubere Umwelt zu suchen und nun feststellen müssen, dass diese verbaut wird.
Hoffnung setzen die Trassengegner nun noch in das Bundesverfassungsgericht. Dort liegt eine Beschwerde vor gegen die rechtliche Grundlage bei Entscheidungen über die Leitungsplanung in Deutschland". Die Bundesregierung hatte per Gesetz die Leitung für notwendig erklärt und die Möglichkeit zur Klage dagegen stark eingeschränkt. Die Entscheidung steht noch aus. Aber die Zeit drängt, denn die Trasse soll bereits 2015 fertig werden.
Bis dahin muss die von Gerd Heinlein beschworene "kritische Masse" von Gegnern bewegt werden, denn in Ostbayern habe sich gezeigt, dass ausreichend deutlicher Widerstand etwas erreichen kann.