Coburger Theater: Die Schuld zieht ihre Kreise
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Sonntag, 08. Dezember 2019
Ödön von Horváts prophetischer Roman "Jugend ohne Gott" von 1937 wurde am Landestheater in einer packenden Spielfassung umgesetzt.
Ein Roman ins zeitlich begrenzte Format eines Theaterstückes gepresst, sagen wir 80 Minuten. Das ist immer ein Wagnis. Ödön von Horváths "Jugend ohne Gott" umfasst eine Fülle komplexer Gedanken, ausgetragen in den Geschehnissen um einen Lehrer in einem faschistisch aufrollenden System. Der Roman ist 1937 erschienen und wirkt im Rückblick prophetisch erschreckend.
Und er ist erschreckend aktuell, lässt die Frage aufkommen, wieweit gegenwärtig die "Verrohung" der Gesellschaft fortgeschritten ist, ihre Gleichschaltung, wenn auch auf anderen Wegen. Wie weit zieht sich der einzelne, die Mehrheit, heute aus der menschlichen, individuellen Verantwortung?
"Jugend ohne Gott" gibt es in einer Spielfassung des Autors Kristo Sagor. Was der intime Kenner von Horváths Roman auch erwarten und vermissen mag - und an das Kopfkino eines Lesers kommt kaum etwas heran: Das Landestheater Coburg hat jetzt eine Bühnenfassung verwirklicht, die in der Reithalle in ganz eigenem Format und eigener Ästhetik mit Wucht nahegeht.
"Jugend ohne Gott" in der Regie von Maike Bouschen, Absolventin der Theaterakademie August Everding und 2017 bereits mit "Jihad Baby" in Coburg beeindruckend, ist spannendes, politisch, gesellschaftlich und moralisch packendes "Junges Landestheater Coburg", das genauso alle höheren Altersgruppen betrifft.
Die 14-Jährigen im militärischen Zeltlager, aus dem ein Junge verschwindet, sind wie ihr Lehrer in der zeitlos entrückenden Ausstattung von Valentina Pino Reyes uniformiert, allerdings comicartig ironisierend. Gelb wallende Gummiperücken, pinkfarbene Akzentuierungen des Status, den jeder einnimmt in aller Marschiererei.
Maike Bouschen zitiert den ursprünglichen Zeithintergrund, erspart uns aber sowohl die oberflächliche Nazi-Folie wie die läppische Aktualisierung. Trotzdem, oder umso erschreckender werden manche Parallelen im Verhalten der jüngeren Generation wie der über sie wachenden Erwachsenen deutlich.
Sie schämen sich nicht
Und es werden dabei eben die existenziellen Grundfragen freigelegt. "Sie sind überzeugt, alles Denken ist ihnen verhasst", heißt es an einer Stelle. Und: "Sie schämen sich nicht." Was keineswegs nur auf die Jugendlichen gemünzt ist.