Coburger Schüler: "Man lernt die Heimat schätzen"
Autor: Simone Bastian
Coburg, Dienstag, 23. Dezember 2014
Wegzugehen, um neu zu Hause anzukommen: Austauschschüler erwerben vor allem Weltoffenheit und Selbstbewusstsein. Das zeigt auch das Beispiel von drei jungen Frauen aus Coburg.
Vanessa Schilling erlebte 2008 in den USA die Wahl von Barack Obama zum Präsidenten, Theresa Ambrosius ist so begeistert von ihrer Zeit als Austausch-Schülerin, dass sie sich nun ihrerseits um Jugendliche kümmert, die über ein Patenprogramm nach Deutschland kommen. Jasmin Friedel, die im Jahr 2004 mehrere Monate in Kearny (Missouri) verbrachte, ist inzwischen stellvertretende Vorsitzende von Partnership International in Deutschland, einer Organisation, die weltweit Gastschüler betreut.
Derzeit ist in Coburg Phillip Munoz zu betreuen. Der 18-Jährige Texaner mit kolumbianischen Wurzeln lebt bei Kerstin Friedel, der Mutter von Jasmin. Er ist bereits der dritte Gastschüler, den die Friedels aufnehmen, auch, weil Jasmin nach ihrer Rückkehr aus den USA die Eltern dazu drängte. "Es ist unwahrscheinlich spannend, immer wieder neue Kinder kennenzulernen", sagt Kerstin Friedel.
Wer einen Gastschüler aufnimmt, tut das auf eigene Kosten. Familienanschluss ist ausdrücklich gewünscht - und er ist das, was die ehemaligen Austauschteilnehmerinnen am meisten schätzen. Noch heute haben sie Kontakt zu ihren Gastfamilien, "und wenn man nach Wochen wieder einmal miteinander telefoniert, dann ist das, als habe man erst gestern miteinander gesprochen", schwärmt Vanessa Schilling.
"Ein neuer Bruder" sei Phil Munoz für sie, sagt Jasmin Schwämmlein. Er wird Weihnachten hier feiern, und auch das ist gewollt: Die Austausch-Schüler sollen knapp ein Jahr im fremden Land verbringen und all das mitmachen, was Gleichaltrige dort so erleben. "Er wird überall mitgeschleppt", sagt Kerstin Friedel lachend.
Aber sie und Simone Kohberg, die Mutter von Theresa Ambrosius, wissen auch, wie schwer es ist, sein Kind für ein Jahr ziehen zu lassen. "Man kriegt sie zurück - und sie sind mit einem Schlag erwachsen", sagt Simone Kohberg halb seufzend, halb lächelnd.
Phillip Munoz hat bereits einen Highschool-Abschluss in den USA und hätte auch schon einen Studienplatz gehabt. Doch dann erhielt er die Chance, sich für das Austauschprogramm des amerikanischen Kongresses zu bewerben. Vier Monate musste er warten, bis die Zusage kam; nur 300 junge Leute dürfen jedes Jahr auf Kosten des US-Kongresses nach Deutschland reisen.
Ausgewählt vom Bundestag
In Deutschland gibt es ein ähnliches Programm des Bundestags. Hier erhalten jährlich 360 Schüler die Chance, ein Jahr lang als Botschafter Deutschlands in den USA zu leben. Auch hier gibt es ein Bewerbungs- und Auswahlverfahren. Jasmin Friedel, Vanessa Schilling und Theresa Ambrosius durften über das Parlamentarische Patenschaftsprogramm (PPP) in die USA reisen.
Während deutsche Schüler in der Regel schon Englischkenntnisse vorweisen können, musste Phillip Munoz die Sprache erst einmal lernen. Aber das fiel im offensichtlich leicht. Er ist zweisprachig aufgewachsen (englisch und spanisch), weil seine Eltern aus Kolumbien stammen; als Schüler brachte er sich Französisch bei ("das hat sich so romantisch-elegant angehört"), und weil er eine türkische Schule besuchte, lernte er auch noch Türkisch. Nun könnte er sich vorstellen, in Deutschland zu bleiben und hier zu studieren.
Seine drei Austausch-Kolleginnen haben durch den Aufenthalt in der Fremde einen neuen Blick auf Daheim entwickelt. "Man lernt die Heimat schätzen, wie schön der Markt ist, das Fränkisch - aber auch das typisch deutsche wie Pünktlichkeit und Ehrlichkeit", sagt Theresa Ambrosius, und Jasmin Friedel ergänzt. "Es wird einem erst bewusst, was die deutsche Kultur bedeutet und was so toll an der Heimat ist."