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Drogensucht und Hirnschaden: Coburger Schläger muss in die Psychiatrie


Autor: Katja Nauer

LKR Coburg, Freitag, 07. Juli 2017

Ein Junkie, Dealer und Schläger hat laut einem Gutachter als Baby einen Hirnschaden erlitten und ist nur vermindert schuldfähig.
Im August hatte der nun verurteilte Schläger einem Bekannten das Gesicht richtiggehend zu Brei geschlagen. Er muss nun in die Psychiatrie, der Gutachter hält ihn für gefährlich.  Symbolfoto: Christopher Schulz


Er kommt scheinbar mit niemanden zurecht: Am ersten Verhandlungstag machte er seinem Bewährungshelfer und den Behörden Vorhaltungen, sie hätten ihm unter anderem bei der Wohnungssuche nicht geholfen. Am dritten Verhandlungstag griff der 27-jährige Angeklagte schließlich seinen Pflichtverteidiger Christian Müller und den Vorsitzenden Richter am Landgericht, Christoph Gillot, an. "Ich habe zu diesem Rechtsanwalt kein Vertrauen", sagte er. Er habe sich einen anderen Anwalt gewünscht, der Richter sei seiner Bitte aber nicht nachgekommen. "Ich hatte keine freie Wahl, ich wurde unter Druck gesetzt." Dem Richter warf er weiterhin vor, sich nicht intensiv genug um "Entlastungszeugen" bemüht zu haben.

Dagegen verwahrte sich der Vorsitzende: Nach dem Beschleunigungsgrundsatz sei er verpflichtet, so schnell wie möglich zu verhandeln, erklärte er. Die Zeugen, die alle der Betäubungsmittelszene angehören und die wegen weiterer Delikte von der Polizei gesucht werden, waren teilweise erst kurzfristig von dem Angeklagten benannt worden.


Interpol und Ankara

Intensive Nachforschungen vonseiten des Gerichts waren deshalb vergebens: Eine Zeugin ließ der Richter von der Polizei über Nacht, einen Zeugen bei der Großmutter suchen, ein Geschädigter sollte gar über Interpol sowie mittels eines Rechtshilfeersuchens an die Deutsche Botschaft in Ankara ausfindig gemacht werden.

Auch den psychologischen Gutachter, der den mehrfach vorbestraften und inhaftierten Mann bereits zweimal untersucht hatte, lehnte der Angeklagte anfänglich ab. Schließlich erklärte er sich doch bereit, sich in einer Pause einer Untersuchung zu unterziehen. Gegen einen Polizeibeamten erhob er ebenfalls Vorwürfe: Dieser sei mit ihm nicht angemessen umgegangen, sagte der 27-Jährige. So hätte ihm der Polizist bei einer Befragung in einer Spielothek mehrfach seine Kappe vom Kopf gewischt.

Schlussendlich soll sich auch die Coburger Betäubungsmittelszene gegen den Mann verschworen haben: "Die Zeugen kommen daher und sagen aus, ich hätte keine Drogen konsumiert. Aber meine Drogeneinnahme hat im Wesentlichen dazu beigetragen, dass ich so ausgerastet bin", erklärte er.

Einer dieser "Ausraster" ließ ihn im August 2016 das Gesicht eines Bekannten richtiggehend zu Brei schlagen: Das Opfer erlitt multiple Gesichtsbrüche wie den Bruch der Augenhöhle, der Augenhöhlenwand, des Jochbeins und des Unterkiefers. Ein anderer Mann erlitt bei massiven Faustschlägen gegen Kopf und Oberkörper eine Rippenfraktur. Die Staatsanwaltschaft erhob deshalb unter anderem Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung.

Der Mann hatte mehrfach mitgeteilt, regelmäßig mit Drogen zu dealen und hochgradig abhängig zu sein. Er konsumiere Opiate wie Crystal Meth und Fentanyl, gab er an, und hoffe, über eine vom Gericht angeordnete Therapie Hilfe zu bekommen. Doch ein objektiver Beweis für seinen exzessiven Drogenkonsum - der Mann wollte sich teilweise mehrfach täglich eine Spritze gesetzt haben - fand sich laut dem zuständigen Gutachter bisher nicht. Ein Abhängigkeitssyndrom könne nicht sicher nachgewiesen werden, sagte der psychiatrische Sachverständige, Cornelis Stadtland, aus München. Er sprach von einem Drogenproblem und Mischkonsum verschiedener illegaler Substanzen: "Die genauen Dosierungen und Zusammensetzungen werden wir wohl nicht herausfinden."


Labilität und Reizbarkeit

Er bescheinigte dem Angeklagten eine umfangreiche psychiatrische Vorgeschichte, eine organische Persönlichkeitsstörung, emotionale Labilität und Reizbarkeit und unkontrollierte Ausbrüche von Wut und Aggressionen. Schon im Alter von neun Monaten sei bei dem 27-Jährigen ein frühkindlicher Hirnschaden attestiert worden. Auch die Eltern und Geschwister hätten psychiatrische Erkrankungen. "Mit der Kombination aus wahrscheinlichem Hirnschaden bei der Geburt, fehlender medizinischer Behandlung, familiärer Belastung und Suchterkrankungen haben wir alle Risikofaktoren zusammen", sagte der Gutachter. "Der Angeklagte erhielt in seinem Leben ein intensives Programm an Fördermaßnahmen, denen kein dauerhafter Erfolg beschieden war."


Gutachter: Gefährlich

Stadtland hielt den Mann für schuldunfähig und empfahl die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, weil der 27-jährige Hobby-Boxer unter einer krankhaften seelischen Störung leide und gefährlich sei. "Es gibt eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass es in Zukunft zu ähnlichen, aber noch schwereren Delikten kommen kann."

Das Gericht verurteilte den Mann wegen gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von insgesamt sechs Jahren. Dabei berücksichtigten die Richter ein früheres Urteil des Amtsgerichtes aus dem Jahr 2016. Zudem wurde die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.