Coburger Publikum erlebt faszinierenden Schostakowitsch-Abend
Autor: Jochen Berger
Coburg, Samstag, 16. Juli 2016
So wird das Eröffnungskonzert des neuen Festivals "Klanggrenzen" in der Coburger Reithalle zur faszinierenden Begegnung von Musik und Film.
Tag der Kontraste. Über diverse Nachrichtenportale verbreiten sich immer mehr Details über den gescheiterten Putsch-Versuch in der Türkei. Und während sich am späten Nachmittag die Gastronomen für den dritten Tag des Coburger Schlossplatzfestes rüsten, wartet nur wenige Meter weiter in der bestens besuchten Reithalle ein spannendes Programm zum Auftakt des Kammermusikfestivals "Klanggrenzen". "Russische Seele" lautet der Titel, hinter dem sich ein Thema von erschreckender Aktualität verbirgt.
Stalin-Diktatur
Es geht um Kunst und Politik, um Freiheit der Kunst und ihre Unterdrückung durch totalitäre Regime - vor Augen und Ohren geführt am Beispiel von Dmitri Schostakowitsch. Wie kann Musik überleben in Zeiten von Krieg und Diktatur? Wie kann ein Künstler, der von der Politik gegängelt, kontrolliert und bedroht wird, dennoch seine innere Freiheit bewahren? Davon handelt das Eröffnungskonzert des interdisziplinär ausgerichteten Festivals. Im Zentrum des Auftakt-Programms: Dmitri Schostakowitsch und sein Leben und Schaffen im Schatten der Stalin-Diktatur. Mit seinem Aramis-Trio hat Martin Emmerich, Konzertmeister im Philharmonischen Orchester des Landestheaters, als Initiator und Organisator des Festivals ein Konzept entwickelt, das die Musik mitten hinein holt ins Leben.
Auf Spurensuche zu Schostakowitsch
Denn gerade im Fall von Dmitri Schostakowitsch ist das künstlerische Schaffen überhaupt nicht zu trennen von den politischen Bedingungen, unter denen seine Kompositionen entstanden. Unter dem Druck der kommunistischen Diktatur entwickelte Schostakowitsch eine raffinierte Technik des Komponierens mit doppeltem Boden. Davon erzählt auch der ausschnittsweise vorgestellte Film "Dem kühlen Morgen entgegen", in dem sich Armin Müller-Stahl auf die Spurensuche zu Schostakowitsch begibt. Wie sehr sich im Schaffen von Schostakowitsch künstlerische Maskerade und packende Ausdruckswucht verbinden, wird in diesem Programm faszinierend deutlich.
Faszinierende Ausdruckskraft
Denn wenn das Aramis-Trio Schostakowitsch spielt, gibt es für die Zuhörer kein Entrinnen. Martin Emmerich an der Geige, der Cellist Heiner Reich und der Pianist Fabian Wankmüller haben sich derart intensiv mit Schostakowitsch und seinem 2. Klaviertrio und den sieben Romanzen op. 127 befasst, dass die Musik ihre ganze Ausdruckskraft auf fast schon verstörende Weise entfaltet.
Begeisterter Beifall
Beeindruckend, wie souverän das Aramis-Trio den Tonfall dieser Musik trifft, wie präzis selbst feinste klangliche Nuancen erfasst sind, wie das gesamte dynamische Spektrum vom zartesten Pianissimo in höchster Lage bis zum furiosen Fortissimo entfaltet wird. Gemeinsam mit der jederzeit einfühlsam gestaltenden Sopranistin Anna Gütter gelingt es dem Aramis-Trio, die sieben Romanzen wirklich als zusammenhängenden Zyklus zu interpretieren - aufrüttelnd und erhellend zugleich.
Schubert als Zugabe
Der Einstieg in diesen russischen Abend ist Sergej Rachmaninow gewidmet. Drei seiner Romanzen aus Opus 21, von Anna Gütter sorgfältig gestaltet, verblassen neben der Ausdrucksmacht von Schostakowitsch.
Mit begeistert ausdauerndem Beifall versucht sich das Publikum aus dem Bann von Schostakowitsch zu befreien. Als Zugabe erklingt ein musikalischer Ausblick auf das dritte Konzert des Festivals, das am Dienstag im Pfarrzentrum St. Augustin Schubert und Mahler gewidmet ist - der dritte Satz aus dem B-Dur-Klaviertrio Schuberts.
Kammermusik in dieser Intensität, mit dieser Sogwirkung hat Coburg schon lange nicht mehr gehört. Bereits nach diesem Auftakt ist klar: Das Festival Klanggrenzen ist eine vielversprechende Bereicherung des üppigen Coburger Kultur-Angebots.
Nach dieser eindringlichen Begegnung mit Schostakowitsch in der Reithalle warten dann draußen die lautstarke Feierfreude des Schlossplatzfest und die nächsten Neuigkeiten aus der Türkei, wo am Tag nach dem Putschversuch ganz ungeniert über die Wiedereinführung Todesstrafe nachgedacht wird.
Konzertkalender "Klanggrenzen 2016"
Dienstag, 19. Juli "Kontraste?!: Musik und Lesung" - Werke von Schubert und Mahler für Gesang und Klaviertrio (19.30 Uhr, Pfarrzentrum St. Augustin)
Mittwoch, 20. Juli "Crossover" - Arrangements aus Pop, Jazz, Chanson und Volksmusik für Blechbläserquintett (20 Uhr, "Leise am Markt")
Infos und Kartenbestellung unter www.klanggrenzen.de und in der Buchhandlung Riemann.
Unterstützer Kooperationspartner wie das Landestheater und die Hochschule Coburg und Sponsoren wie die HUK-Coburg, die VR-Bank Coburg, die Sparkasse Coburg-Lichtenfels und die Firma Brose.