Coburger Preisträger laden zum Essen ein
Autor: Helke Renner
Coburg, Montag, 30. November 2015
Die Bezirksregierung hat den Integrationspreis 2015 der türkisch-islamischen Gemeinde Ditip Yeni Camii in Coburg verliehen. Wie gerechtfertigt der ist, hat die Frauengruppe der Gemeinde auf appetitliche Weise bewiesen.
Der Preis ist für solche Initiativen gedacht, die sich erfolgreich dafür einsetzen, dass Menschen mit ausländischen Wurzeln in der Region Fuß fassen können und Einheimische mit fremden Kulturen vertraut gemacht werden. Wie sieht das in der Praxis aus? Die Frauengruppe der Ditip-Gemeinde weiß aus Erfahrung, wie verbindend gemeinsames Essen sein kann. Also hatten sie die Idee, für Flüchtlingsfrauen, die schon seit September in der Moschee in der Viktoriastraße in deutscher Sprache unterrichtet werden, aber auch für Einheimische zu kochen. Im Awo-Mehrgenerationenhaus am Bürglaßschlösschen setzten sie diese Idee in die Tat um.
Auf dem Speiseplan stehen an diesem Tag rote Linsensuppe, gefüllte Weinblätter und Auberginen, Reis, Salat und Baklava. Birsel Birinci, Zeynep Atesli, Derya Sarikaya und Hatice Birinci servieren dieses Vier-Gänge-Menü den Mittagsgästen, die jeden Tag in den Treff am Bürglaßschlösschen kommen, aber auch Frauen, die offensichtlich noch fremd hier sind.
Traurige Gedanken an die Heimat
Birsel Birinci bekommt Gänsehaut, wenn sie daran denkt, was diese Frauen durchgemacht haben, die sie vom Unterricht in der Moschee kennt. "Wenn man sie danach fragt, was sie erlebt haben, werden sie still und traurig." Die Frauen sind mit ihren Familien aus ihrer Heimat vor dem Krieg geflüchtet und kommen aus Syrien, Somalia, Aserbaidschan, Äthiopien und aus dem Irak. "Momentan betreuen wir 22 Frauen", erzählt Birsel Birinci. Sie und Sevgi Sari wollen ihnen so schnell wie möglich all das beibringen, was sie am nötigsten für die Verständigung in ihrem neuen Umfeld brauchen. Dabei werden sie vom Jobcenter der Stadt unterstützt.Doch neben dem Beherrschen der deutschen Sprache wünschen sich die Flüchtlinge vor allem Kontakt zu Coburgern. Mit einem gemeinsamen Essen könnte ein Anfang gemacht werden, sind die Frauen der Ditip-Gemeinde überzeugt. "Sie sind auf uns zugekommen und haben um Unterstützung gebeten", erzählt Rainer Klein, Integrationsbeauftragter der Stadt.
Und weil er schon lange vorhat, das Mehrgenerationenhaus bei der türkisch-islamischen Gemeinde bekannter zu machen, wandte er sich an die Leiterin der Awo-Einrichtung, Liane Blietzsch. "Vielleicht gelingt es uns ja auch, die türkischen Seniorinnen und Senioren mit den Angeboten hierher ins Haus zu locken."
Kennenlernen über den Magen
Eine Chance, Barrieren abzubauen, sieht Rainer Klein darin, sich über die Kochkünste besser kennenzulernen. Also haben die türkischen Frauen sich ans Kochen gemacht. Und nun ist es so weit. Zu den Gästen gehören Strife Ibzahimli, Qaida Telscasi und Lamiye Mamedova aus Aserbaidschan. Für sie ist die türkische Küche nichts Neues, die gibt es auch bei ihnen zu Hause. Vor drei Monaten sind sie mit ihren Familien nach Coburg gekommen und fühlen sich hier sehr wohl, wie sie sagen, und würden gern bleiben. Doch zunächst wollen sie die deutsche Sprache erlernen und Kontakte aufbauen. Das wünschen sich auch Haffeza Nfees und Entesar Hamdi aus Syrien sowie Farhya Mohud-Sodal aus Somalia. Noch haben sie Probleme, ihre Namen so zu schreiben, dass ein Deutscher sie lesen kann. Aber sie sind entschlossen zu lernen.Gleich in der Nähe der Küche sitzen Wolfgang Troeder und Gerhard Schallenberg. Sie kommen regelmäßig ins Mehrgenerationenhaus zum Mittagessen. Diesmal freuen sie sich auf die türkischen Gerichte. Warum haben sie sich nicht zu den Flüchtlingsfrauen gesetzt? Die beiden sind unsicher. Essen Frauen und Männer in dieser Kultur nicht voneinander getrennt? An anderen Tischen klappt es mit dem Kontakt schon besser. Da sitzen deutsche Seniorinnen mit den Flüchtlingsfrauen zusammen und kommen ins Gespräch.