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Coburger Mitdenker: Hier schreibt der Museumsleiter


Autor: Redaktion

Coburg, Donnerstag, 27. Dezember 2018

Carsten Ritzau, Leiter des Naturkunde-Museums, schreibt über die Vielfältigkeit seiner Arbeit und weltweite Probleme, die in Museen thematisiert werden.
Ein Blick ins Naturkunde-Museum Coburg


Als ich von der Tageblatt-Redaktion gefragt wurde, ob ich zum Ende des Jahres meine Gedanken zum Thema Vielfalt in einem Beitrag zusammenfassen könne, war der Gedanke offenbar, dass Vielfalt für ein Museum von besonderer Bedeutung ist. Und in der Tat ist es neben ihrer Anzahl vor allem eine Vielfalt von Besucherinnen und Besuchern, die wir mit unseren Veranstaltungen erreichen möchten.

Entsprechend bieten unsere Dauerausstellungen nicht nur den von der Natur entfremdeten Einheimischen, sondern auch den in den vergangenen Jahren zu uns geflüchteten Menschen eine erste Möglichkeit, die Landschaften der Region kennen zu lernen.

Artenvielfalt schwindet

Für Museumsmitarbeiter ist es aber ebenso die Vielfalt der Themen, welche die Arbeit interessant macht. In den vergangenen Jahren kamen wir allerdings neben dem Schwinden der Artenvielfalt, die in diesem Jahr am Beispiel des Insektensterbens erfreulicherweise zum Medienthema wurde, immer wieder auf den Klimawandel zurück.

Bereits der vierte Sachstandsbericht des Weltklimarates machte 2007 klar, welche massiven Auswirkungen die Klimaveränderungen in den nächsten Jahrzehnten hervorrufen werden, wenn die Menschheit ihr Wirtschafts- und Konsumverhalten nicht deutlich ändert und den Ausstoß von Treibhausgasen wirksam begrenzt.

Die Dringlichkeit wurde insbesondere durch die Kernaussagen deutlich, dass das weitverbreitete Schmelzen von Eis und Schnee und ein ansteigender Meeresspiegel Belege für den Klimawandel seien. Die Ursachen für die Klimaerwärmung lägen in dem vom Menschen durch Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas verursachten Anstieg der Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre.

Der vor elf Jahren definierte Grenzwert der Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre wurde 2018 schon fast erreicht.

Das Naturkunde-Museum Coburg machte im Jahr 2014 in einer Sonderausstellung darauf aufmerksam, dass unter anderem zunehmende Wetterextreme wie Hitzetage, Hitzewellen und Starkregen die Folgen sind. Letzterer ist zwar in diesem Jahr (noch) nicht aufgetreten, aber nicht nur die Oberfranken erlebten einen Sommer der Superlative. Er war zwar nicht der heißeste, aber dafür hat er uns eine so langanhaltende Periode mit Wärme, Sonne und Trockenheit beschert wie selten zuvor. Schon seit April hat es bei uns, aber auch in vielen anderen Regionen der Nordhalbkugel, viel zu wenig geregnet.

Die Auswirkungen bekommen wir Verbraucher derzeit nicht nur durch gestiegene Nahrungsmittelpreise zu spüren. Die Schifffahrt auf den großen Flüssen wurde durch das extreme Niedrigwasser so stark eingeschränkt, dass Frachter ihre Ladung deutlich verringern mussten, um nicht auf Grund zu laufen. Dies führte unter anderem dazu, dass die Preise für Benzin und Diesel stark anstiegen, weil die Schiffe weniger Kraftstoff transportieren konnten.

Unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit ist dies jedoch zu vernachlässigen, wenn wir die Folgen des Klimawandels auf anderen Kontinenten, wie beispielsweise in Afrika oder in Südamerika in Betracht ziehen. Wir können den Benzinpreis jedoch als Fingerzeig dafür deuten, dass jeder einzelne von uns die Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt zu spüren bekommt - auch wirtschaftlich.

Bereits jetzt bemüht sich die Europäische Union, die sogenannte "illegale Migration", die als Folge von Hunger, Dürre und Bürgerkriegen, vor allem aber durch Perspektivlosigkeit bedingt ist, zu begrenzen. Der Klimawandel wird derartige Fluchtbewegungen wesentlich verschärfen!

Abwägung der Interessen

Derzeit zeigt das Naturkunde-Museum Coburg die Sonderausstellung "Chinas Rot - Ein Land zwischen Tradition und Moderne". Im "Reich der Mitte" werden nach wie vor Staatsziele formuliert und dann ohne Rücksicht auf andere Interessen durchgesetzt. Die Erfolge dieser Strategie sind nicht zu bestreiten.

Angesichts des Umgangs der Bundesregierung, aber auch der Europäischen Union mit der Klima- und der Flüchtlingskrise würde sich mancher Zeitgenosse vielleicht sogar derartig beschleunigte Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse wünschen.

In der Demokratie dagegen ist die Abwägung der Vielfalt von Interessen ein langwieriger und oft mühsamer Prozess.

Demokratie ist "die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind", wie Winston Churchill einst scherzte.

Ich bin davon überzeugt, dass die Demokratie das nachhaltigere System ist. Sie lebt jedoch vom Mitmachen, und wir sollten sie gegen alle Anfeindungen verteidigen! Dies gilt trotz mancher berechtigter Vorbehalte auch für die Europäische Union, die einschließlich ihrer Vorläufer nicht nur ein Garant für die Berücksichtigung vielfältiger nationaler Interessen, sondern auch für eine rekordverdächtig lange Friedenszeit in Europa war und ist.

HINTERGRUND: Coburgs Vielfalt

Coburg ist bunt Schon die Entstehungsgeschichte von Coburg ist von Internationalität und Vielfalt gekennzeichnet gewesen. Sie war eine Grundlage für die Entwicklung Coburgs als heutige moderne Stadt. Später war es das Herzogshaus, das durch seine Heiratspolitik und die dadurch entstandenen verwandtschaftlichen Beziehungen nach Großbritannien, Belgien und Russland für internationale Kontakte und Begegnungen in Coburg sorgte. Gerade der internationalen Ausrichtung vieler hier ansässiger Firmen verdankt der Unternehmensstandort Coburg seine wirtschaftliche Stärke. Die internationale Woche hat 2018 bereits zum 6. Mal stattgefunden.

Hochschule Coburg "Als Menschen brauchen wir Gerechtigkeit und Vielfalt. Die Vielfalt ist ein zentrales Merkmal unserer Hochschule, das es zu bewahren und mit Blick auf seine Potenziale zu erschließen gilt. Durch entsprechende Strukturen streben wir, etwa mit Blick auf Behinderten- und Geschlechtergerechtigkeit, die nachhaltige Förderung von Chancengleichheit und Teilhabe auf allen Ebenen an." Dieses explizite Bekenntnis zur Vielfalt hat die Hochschule Coburg 2010 in ihrem Leitbild abgegeben. Seit Anfang 2016 durchlief die Hochschule Coburg den Diversity-Auditprozess "Vielfalt gestalten" des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Im Februar 2018 hat sie diesen erfolgreich abgeschlossen und verfügt nun über das Diverity-Zertifikat des Stifterverbandes.