Coburger Kunstverein: Midgard und Chlorophyl
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Donnerstag, 21. Februar 2019
Der Kunstverein Coburg präsentiert eine verblüffende Künstlerin. In der Vielzahl ihrer Grafiken greift Tina Flau vom Kleinsten ins Kosmische.
"Allem Zukünftigen beißt die Vergangenheit in den Schwanz." Der Handschrift folgen zwei Kreis-Darstellungen in Schwarz und Weiß, zwei Schlangen, die den eigenen Schwanz im Maul haben. - Die neue Ausstellung im Parterre des Kunstvereines gilt einer zwischen dem Kleinen und dem Kosmischen mit Witz und Ernsthaftigkeit, mit konkreter Schlichtheit und verblüffender Ausstrahlung schwingenden Künstlerin.
Tina Flau verbrachte 2017 zwei Monate als Artist in residence in Island. Die dabei entstandene Grafikserie wandelt sprachlich und zeichnerisch zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zwischen Edda und den Folgen der Klimaerwärmung. Flau findet die Midgardschlange im verschmutzten, geplünderten Meer.
Zwar gibt es bei ihr auch die typisch Island spiegelnden bergigen Ansichten. Doch Tina Flau sieht schon von ihrer ersten Ausbildung in der ökologischen Landwirtschaft her eher in den Mikrokosmos der Pflanzenwelt, in die ökologischen und kosmischen Zusammenhänge. So führt sie als vielseitige Zeichnerin mit Blick für die Größe und Wirkung des kleinen Details in die Gefährdung unserer Welt, hat sich dabei aber einen Sinn für Humor bewahrt.
Ihre Kaltnadeltiefdrucke der umfangreichen Serie "Welten" nehmen mit einem kleinen schrägen Lächeln Details auf, die jedoch sofort weit ausgreifen in der Vorstellung des Betrachters. Komplexe Welten stecken also in kleinen Fragmenten. In der Graphik "Fischerhütte" liegt der Fisch groß und breit über der Hütte. "Rosarot" umreißt mit schlichter, aber eben die Stimmung im Kopf anheizender Linie ein Dekolleté im roten Trägermieder.
Kosmisch
Noch oben im großen Saal des Kunstvereines purzeln ihre Stadtpläne, legen sich Straßen über die Hochhäuser, die aussehen, als hätten sie Zipfelmützen auf. Das Kindliche, das Meditative, das Kosmische: Tina Flau "durchquert" wahrlich Horizonte, wie die Ausstellung überschrieben ist, auf überraschende Weisen.
Die umfangreichen Druckserien führen immer wieder in wunderbare Künstlerbücher, die dann in nur einem Exemplar, manchmal auch in zwei oder drei vorliegen, zum Staunen schön in ungewöhnlichen Formaten, dickem Papier, von der Handschrift über den Druck bis zur Bindung selbst gefertigt, von den vielerlei damit verbundenen Experimenten darin ganz abgesehen, Schnittbilder, handschriftliche Texte, ausklappbare Seitenfolgen. Die führen dann in die "Magie des Chlorophylls", in Meeresbrandung, den Gesang der Geister.
Sehr große Darstellungen gelten kosmischen Zusammenhängen, wofür sich Tina Flau mit Astrophysikern verständigt hat. Die gigantischsten Elemente des Universums, die Schwarzen Löcher, können wir nicht sehen. Die Gleichzeitigkeit ist relativ, es gibt nichts wirklich Gleichzeitiges. Tina Flau sucht den Dialog zwischen Naturwissenschaft und Kunst. Faszinierend.