Coburger IHK kritisiert Erbschaftssteuer
Autor: Simone Bastian
Coburg, Freitag, 31. Juli 2015
Engagement für Demokratie und Freiheit sowie für die Integration von Ausländern: Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben, nimmt bei der IHK zu Coburg Unternehmer in der Pflicht.
Die Wirtschaft macht mobil gegen den Gesetzentwurf zur Erbschaftssteuer - und die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Coburg macht mit. Deren Vollversammlung beschloss am Donnerstagnachmittag eine Resolution, die möglichst von allen Kammern in ganz Deutschland getragen werden soll. Das sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, der am Donnerstagabend in Coburg zu Gast war.
Die Erbschaftssteuer war aber nur ein Thema, das Wansleben in seiner Ansprache beim anschließenden Empfang der IHK im Palais Edinburgh anschnitt. Da ging es um die deutschen Beziehungen zu Russland ("das deutsche Volk lechzt nach Freundschaft mit Russland") genauso wie um Mindestlohn, Rente mit 63, Mütterrente. Bei diesen vier Themen hat die Bundesregierung Wansleben zufolge nicht viel richtig gemacht, zumindest aus Sicht der Wirtschaft.
Verantwortung für Demokratie
Aus Unternehmerperspektive ist Politik ohnehin ein seltsames Ding, weil Entscheidungsprozesse da ganz anders verlaufen. Unternehmer, sagte Wansleben, entscheiden sachlich, nach gründlicher Analyse und Abwägung aller Argumente. Und sie verantworten ihre Entscheidungen. "Politik hat keinen Eigner", fasste Wansleben zusammen - und den parlamentarischen Demokratien westlichen Zuschnitts würden autoritäre Systemen in Asien gerade wirtschaftlich der Rang ablaufen.
Wanslebens Antwort darauf: Die Wirtschaft, die Industrie- und Handelskammern, müssten mehr Verantwortung für Freiheit und Demokratie übernehmen. Dass die Coburger IHK sich politisch betätige, indem sie zum Beispiel für einen ICE-Systemhalt Coburg kämpft, "finde ich großartig", betonte der DIHK-Hauptgeschäftsführer.
Aber es gibt auch übergreifende Themen: Wansleben forderte, dass die Kammern sich für die Integration von Zuwanderern und Asylbewerbern engagieren. Schließlich hätten die Kammern große Erfahrung in Aus- und Weiterbildung. Außerdem mache es die demografische Entwicklung nötig: "Wenn wir hier keine Kinder mehr kriegen, ist es gut, wenn andere kommen", warb Wansleben für eine "Ankommenskultur".
Es gibt noch mehr, was der DIHK gern ändern würde, zum Beispiel das Arbeitszeitgesetz. Gerade junge, gut ausgebildete Leute würden die Regeln des deutschen Systems nicht mehr verstehen und akzeptieren wollen, berief Wansleben sich auf seine drei Söhne. Nach acht Stunden das Büro verlassen, wenn gerade ein Projekt durchgezogen werden müsse? Das würden sie nicht wollen, stattdessen einen flexiblen Mix aus Arbeit und Freizeit, wie morgens arbeiten, mittags windsurfen, dann wieder ins Büro. "Wir haben heute Regeln, wo die Gesellschaft darauf angewiesen ist, dass wir sie brechen!"
Unternehmer investieren, sie stärken die Regionen, betonte Wansleben und nannte als Beispiel immer wieder den Coburger Kompressorenhersteller Kaeser. Doch gerade diese mittelständischen und familiengeführten Unternehmen seien durch die geplante Erbschaftssteuer bedroht, was Inhaber Thomas Kaeser bestätigte: In der Firma befinde sich viel Privatvermögen. Sollten die Erben gezwungen sein, das zu versteuern und zu diesem Zweck aus der Firma zu nehmen, werde das Unternehmen belastet - es verliere an Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Zwar sieht der Gesetzentwurf vor, dass betriebsnotwendiges Vermögen von der Erbschaftssteuer befreit wird, aber die Bewertung, was geschont wird und was nicht, nehmen Finanzbeamte vor. "Wenn das ein Finanzbeamter beurteilen kann, wäre er doch selbst erfolgreicher Unternehmer", spottete Wansleben.
Kritik am Gesetzentwurf
"Am Ende zahlen die Arbeitnehmer die Zeche", sagte Kaeser. Ihn stört auch, dass die Auslandstöchter im Falle von Kaeser als "nicht betriebsnotwendig" eingestuft werden würden. Kaeser unterhält im Ausland Verkaufs- und Servicegesellschaften. Wanslebens Fazit zum Gesetzentwurf: "Wenn das ein minimalinvasiver Eingriff ist, was ist dann eine Amputation?"
Der Beifall des Coburger IHK-Präsidenten Friedrich Herdan war Wansleben sicher: "Das war ein wirtschaftsphilosophischer Vortrag mit tiefgründiger Sozialkritik", sagte er nach Wanslebens frei vorgetragener Rede. "Wir sind begeistert von dem, was Sie sagen."