Coburger Hausarzt hält elektronische Gesundheitskarte für Risiko
Autor: Helke Renner
Coburg, Montag, 05. Januar 2015
Kassenärztliche Leistungen werden seit Jahresbeginn nur über die elektronische Versicherungskarte abgerechnet. Es gibt aber immer noch Patienten, die mit ihrer "alten" Karte in die Praxen kommen. Das hat auch der Hausarzt Oliver Gregor erlebt. Er selbst misstraut der Neuerung.
" Die elektronische Gesundheitskarte ist nicht notwendig." Oliver Gregor, Allgemeinmediziner und Vorstandsmitglied des Hausarztvereins Coburg, bleibt dabei. Seit Jahren haben die Hausärzte sich gegen die Einführung der neuen Karte gewehrt - unter anderem aus datenschutzrechtlichen Gründen. Ihr Widerstand hatte keinen Erfolg: Seit Beginn des Jahres gibt es Kassenleistungen nur noch gegen Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Aber geschätzte fünf Prozent der Versicherten haben sie noch nicht, zum Teil auch, weil sie sie ablehnen. Das nützt ihnen jetzt nichts mehr. "Wir haben aufgegeben", sagt Oliver Gregor. Die Coburger Hausärzte haben seit geraumer Zeit Aushänge in ihren Praxen hängen, die darauf hinweisen, dass ihre Patienten nunmehr nur noch mit der neuen eGK behandelt werden können.
Im neuen Jahr hat es Oliver Gregor bisher einmal erlebt, dass ein Patient nur seine "alte Karte" dabei hatte. Zum Glück ging es dabei nur um Medikamente. "Wir haben ihm etwas aus unserem Musterbestand gegeben. Jetzt will er sich die elektronische Karte besorgen." Was aber passiert, wenn noch mehr Versicherte die eGK nicht haben? "Dann bekommen sie von uns eine Privatrechnung, die nach Vorlage der neuen Karte wieder rückgängig gemacht werden kann", erläutert der Coburger Hausarzt. "Für uns entsteht dadurch ein riesiger bürokratischer Aufwand."
Sensible Daten auf Zentralserver
Vom Vorteil der eGK sind Oliver Gregor und seine Kollegen nicht überzeugt. Auch der deutsche Hausärztetag hatte sich dagegen ausgesprochen. Warum? "Bisher sind auf den Karten nur sogenannte Stammdaten gespeichert, also Name, Geburtsdatum, Anschrift, Versicherungsstatus und so weiter. Das wird aber nicht so bleiben, sonst hätte man die eGK ja nicht einzuführen brauchen." Zukünftig, so fürchten Ärzte- und Patientenverbände, werden die sensiblen Daten der Versicherten auf zentralen Servern gespeichert und sind durch die eGK abrufbar. Im Hinblick auf den NSA-Skandal eine sehr unangenehme Vorstellung, wie Oliver Gregor findet. "Zurzeit liegen noch alle Daten auf dem Server meiner Praxis und niemand von außen hat darauf Zugriff."
Das Argument, die elektronische Gesundheitskarte könnte lebensrettend sein, weil im Notfall der behandelnde Arzt sofort nachschauen könnte, welche Krankheitsgeschichte der Patient hat, akzeptiert Oliver Gregor nicht. "Ich bin selbst ein sogenannter Blaulichtarzt. Wenn ich zu einem Notfall gerufen werde, schaue ich doch nicht erst im Computer nach, was ich dort über den Patienten finde. Da reagiere und helfe ich so schnell wie möglich."
Der Informatiker und Sprecher des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung in der Aktion "Stoppt die e-Card", Kai-Uwe Steffens, erläutert, worum es aus seiner Sicht geht: "Die eGK ist der Schlüssel für die digitale Speicherung aller Patientendaten außerhalb der jetzigen Speicherorte in Kliniken und Praxen. Es geht darum, die Verfügung über alle Daten faktisch in die Hände der Krankenkassen und Gesundheitsindustrie zu legen." Auch der Chaos Computer Club hat erhebliche Bedenken, ob der Teilbereich "elektronische Patientenakte" die hohen Anforderungen an den Datenschutz erfüllt.
Ministerium: Karte ist sicher
Das Bundesgesundheitsministerium, das die Einführung der eGK angeordnet hat, weist dagegen auf die Sicherheit der Daten hin. "Datenschutz und Praktikabilität haben höchste Priorität und werden durch gesetzliche und technische Maßnahmen sichergestellt", heißt es auf der Homepage des Ministeriums. Die Kommunikation von Gesundheitsinformationen sei über ein sicheres Gesundheitsnetz vorgesehen. Nur wenn der Patient seine Gesundheitskarte und der Arzt seinen Heilberufsausweis in das Kartenlesegerät einsteckten, könnten die Daten entschlüsselt werden. "Diese ,Ende-zu-Ende-Verschlüsselung‘ entspricht den Vorgaben des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik." Darüber hinaus müssten die Patienten einem Zugriff auf medizinische Daten durch die Eingabe einer PIN zustimmen. Eine Ausnahme bildeten die Notfalldaten. Dort sei lediglich das Einstecken eines Heilberufsausweises erforderlich.
Darüber hinaus könnten die Patienten selbst bestimmen, wer wann welche Daten speichern, einsehen und ändern kann. Weiter heißt es: "Die Maßnahmen zum Datenschutz stellen ein Höchstmaß an Schutz für die sensiblen Gesundheitsdaten dar. Sie werden laufend technisch weiterentwickelt und sind eng mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit abgestimmt."
Oliver Gregor und seine Hausarztkollegen bleiben hingegen skeptisch. "Durch die zentrale Speicherung von Patientendaten könnte das Hausarztsystem Stück für Stück abgebaut und an deren Stelle große gewinnabhängige Gesundheitseinrichtungen treten. Es geht hier vor allem ums Geld."