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Coburger Fleischskandal ab Montag vor Gericht


Autor: Ulrike Nauer

Coburg, Dienstag, 28. April 2015

Ein Fleisch-Händler, der frühere Schlachthof-Chef und dessen Frau stehen ab kommendem Montag vor Gericht. Sie sollen jahrelang Landwirte, Metzger und Gastronomen aus der Region um hunderttausende Euro betrogen haben.
Der Coburger Schlachthof stellte am 21. Juni 2013 seinen Betrieb ein. Ein Insider-Tipp an den Bayerischen Rundfunk hatte den Stein seinerzeit ins Rollen gebracht. Foto: Volkmar Franke / www.hochbild-design.de


Die Zahl klingt unglaublich: In 17.208 Fällen soll der Geschäftsführer der Firma Dellert-Fleisch am Coburger Schlachthof minderwertiges Fleisch umdeklariert, bei Metzgern und Gastwirten dafür aber den Preis für hochwertige Ware kassiert haben. Auch das Schlachtgewicht von Rindern soll er manipuliert haben, um seinen Lieferanten weniger zahlen zu müssen. Auf diese Weise soll er 595 Schlachttierlieferanten um mehr als 850.000 Euro betrogen haben.

Ab Montag, 4. Mai, 9 Uhr, muss sich der Unternehmer dafür vor der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht Coburg (Sitzungssaal H) verantworten. Mitangeklagt sind der ehemalige Leiter des Schlachthofs sowie dessen Ehefrau, die als amtliche Tierärztin bestellt war. Dem Ehepaar wird jeweils in über 13.000 beziehungsweise 12.000 Fällen Beihilfe zum Betrug vorgeworfen.

In der 39 Seiten langen Anklage schildert die Coburger Staatsanwaltschaft ausführlich, wie sich der Unternehmer im Zeitraum von 2008 bis 2013 bereichert haben soll. Laut Anklage wussten der Schlachthofleiter und dessen Ehefrau über die Machenschaften genau Bescheid, sollen sogar bewusst mitgeholfen haben.

Im Wesentlichen wird es in der Verhandlung um zwei verschiedene Praktiken gehen: Zum einen sollen die Mitarbeiter von Dellert-Fleisch auf Anweisung ihres Chefs Rinderkeulen, die vom jeweiligen Amtstierarzt beschlagnahmt und entsprechend gekennzeichnet waren, weiterverwertet haben. Aus den Keulen, die eigentlich nicht für den menschlichen Verzehr geeignet waren, seien optisch einwandfreie Fleischstücke herausgelöst und an 28 Abnehmer weiterverkauft worden - zum gleichen Preis wie für "gutes" Fleisch. Zwischen Juni 2008 und Dezember 2012 soll der Unternehmer so über 20 Tonnen minderwertiges Rindfleisch für fast 80.000 Euro verkauft haben.

Allerdings geht die Staatsanwaltschaft auch davon aus, dass es neben den 28 ahnungslosen Abnehmern fünf weitere gegeben hat, die ganz bewusst Fleisch aus den vorläufig beschlagnahmten Keulen kauften.

Mehr "getrimmt" als erlaubt

Der weitaus größere Schaden entstand der Staatsanwaltschaft zufolge aber durch das sogenannte Trimmen. Der Preis, der den Lieferanten von Schlachtrindern gezahlt wurde, bemaß sich nach dem Gewicht der geschlachteten Tiere. Vor dem Wiegen mussten bestimmte Körperteile weggeschnitten werden. Wiederum auf Geheiß ihres Chefs sollen die Mitarbeiter der Dellert-Fleisch über fünf Jahre lang beim Trimmen mehr Fleisch und Fett entfernt haben als zulässig gewesen wäre. Das Schlachtgewicht wurde so verbotenerweise reduziert und die Lieferanten erhielten entsprechend weniger Geld. Das zu viel abgeschnittene Fleisch und Fett soll jedoch nicht etwa entsorgt, sondern weiterverkauft worden sein.

Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass der Schlachthofleiter und die Tierärztin von diesen Praktiken wussten und sie durch ihr Verhalten sogar noch begünstigten. So habe beispielsweise der Schlachthofchef die Tierärzte veranlasst, das ungenießbare Fleisch mit rosafarbenen Zetteln zu kennzeichnen, statt Farb- oder Brandstempel zu verwenden. Die Zettel ließen sich später problemlos wieder entfernen. Eigentlich wäre das Ehepaar - beide in ihrer jeweiligen Funktion - verpflichtet gewesen, gegen den Unternehmer vorzugehen oder ihn zumindest bei den Behörden zu melden. Beides ist nicht geschehen.

Kontrolleure ausgebremst

Standen Betriebskontrollen an, soll das Ehepaar auch aktiv mitgeholfen haben, das rechtswidrige Trimmen zu vertuschen. Laut Anklage hatte der Schlachthofchef die Prüfer ab Juli 2010 angewiesen, sich zunächst bei ihm im Büro zu melden. Bis die Kontrolleure anschließend am Schlachtband eintrafen, blieb ihm so genügend Zeit, um die Mitarbeiter vorzuwarnen und die Schnittführung der Maschinen für die Dauer der Kontrolle den gesetzlichen Vorgaben anzupassen.

Für den Prozess sind zunächst sechs Verhandlungstage angesetzt. 16 Zeugen sollen zum Fleischskandal aussagen.